Murat Altuglu
Auf der Achse des Guten habe ich den Schriftwechsel zwischen Marieluise Beck und Henryk Broder gelesen. Es wird oft gesagt, es gibt keine dummen Fragen, nur dumme Antworten. So fragt Herr Broder Frau Beck. Er kann es tun, wie es ihm beliebt, auf einem Bein hüpfend oder Grimmasen schneidend. Die Substanz der Frage bleibt davon unberührt. Im Kern ist die Frage, die Broder stellt, mit einem Ja oder Nein zu beantworten.
Soweit ist nichts weiter bemerkenswert. Bemerkenswert ist die Reaktion einer Abgeordneten, die seit langem im Bundestag sitzt und eine gute Summe an Steuergeldern verbraucht. Als Semiotiker finde ich es nun sehr interessant zu sehen, wie Menschen denken und argumentieren. In diesem Falle ist es daher viel interessanter (und wichtiger) die Logik der Abgeordneten zu studieren, als die Antwort auf Broders Frage an sich. Die Reaktion Becks auf Broders Frage lässt nämlich nur zwei Rückschlüsse auf die Verfassung einer grünen Bundestagsabgeordneten zu. Sie ist entweder dumm oder arrogant.
Es gibt zweierlei Fragen. Questions of fact und questions of opinion. Broders Frage war eine question of fact. Broders Intention ist hierbei irrelevant. Becks Reaktion aber ist keine Antwort, sondern ein Kommentar. Beck sagt, die Mail an sie sei erhellend. Broders Anfrage wird als informativ und nicht etwa inquisitiv angenommen. Wenn Frau Beck nicht zu blöd ist, um eine Frage als solche zu verstehen, dann kann sie nur arrogant sein.
Denn Broders Frage wird von Frau Beck nicht beantwortet, sondern lediglich kommentiert, bzw. abgewiesen. Beck positioniert sich gegenüber Broder in einer herablassenden und bevormundenden Art und Weise. Das Perverse daran ist aber nicht die kindliche Arroganz von Frau Beck. Dies zeugt lediglich von einem Mangel an Souveränität und Persönlichkeit.
Beck leugnet das selbstverständliche Recht Broders, ihr eine Frage stellen zu dürfen. Wie gesagt, unter der Prämise, dass Beck nicht zu blöd ist, um eine Frage auch als solche zu verstehen, negiert sie Broders Anspruch, ernst genommen zu werden. Beck konditioniert die Art und Weise, wie sie von Broder angesprochen werden darf. Das ist pervers.
Der zweite Teil der Broder-Beck Konversation, in der Broder auf Becks Mail reagiert und Beck darauf antwortet, läuft nach dem gleichen Verhaltensmuster ab mit dem Zusatz von Paranoia. Denn nun impliziert Beck, dass Broder keine faktische Argumentation will. Dies ist insofern abwegig, als Broder selbst ihr die Antworten vorgibt – ein Ja oder Nein.
Und dann kommt noch ein Schlag Arroganz dazu, indem sie Broder unterstellt, polemisch zu sein, und dass sie sich nicht auf Broders Niveau begeben will, sich also metaphorisch über ihn erhebt. Polemik aber ist ein Stilmittel und sagt nichts darüber aus, ob etwas wahr oder unwahr ist. Und alleine darum geht es in einer Konversation.
Bei dieser Exegese geht es mit nicht darum, Frau Beck bloßzustellen. Mein Anliegen ist es, den Sprechakt einer deutschen linken Politikerin exemplarisch abschreckend darzustellen. Denn es fällt mir immer wieder auf, dass Politiker in Deutschland in ihrer Rhetorik nicht von Logik geleitet werden.
Dass man mit Frau Beck nicht wie mit einer Erwachsenen kommunizieren kann, ist nur ein Beispiel von vielen. Wenn dies aber die Norm im politischen Diskurs ist, dann sollte sich niemand über den schlechten Ruf der Politik und die Politikverdrossenheit wundern.