Meinungen sind um so stärker, werden um so lauter vertreten und fühlen sich für den sie fühlenden um so klarer und “richtiger” an, je weniger Ahnung er von der Materie hat. Fachwissen und Fakten könnten da nur stören. Beispiel: “Dies ist Aufgabe der Gesetzgebung, d. h., des Bundestags. Der Bundestag kann per Gesetz mit dem ZDF machen, was es [sic!] will.” Erstens ein Fehlschluss. Zweitens mangelndes Faktenwissen. Schon zu wissen, dass dieses Land “Bundesrepublik Deutschland” heißt, hätte dem Autor helfen können. Gesetzgebung findet in Parlamenten statt. Der Bundestag ist nur eines von 17 Parlamenten in Deutschland. Jeder der 16 Staaten des Bundes hat ein eigenes. Wenn hier Parlamente zuständig sein sollten - und wir, drittens, mal die Frage weglassen, ob die eigentlichen Regelungen nicht in Staatsverträgen vereinbart werden, und die Frage, wie die Landesparlamente hier Einfluss nehmen können sich in den 16 Bundesländern unterscheidet - dann sind es die 16 Landesparlamente, die zuständig sind, nicht das Bundesparlament. Statt “Der Bundestag kann mit dem ZDF machen, was es [sic!] will.”, muss es also heißen: “Der Bundestag kann bezüglich des ZDF gar nichts machen, selbst wenn er oder das ZDF es so wollten, weil ihm die Verfassung hier keine Zuständigkeit gibt, wie auch das BVerfG schon vor Jahrzehnten entschieden hat.” Was man wissen könnte, hätte man nicht aus Angst, Fakten könnten der eigenen Meinung widersprechen, den Aufbau des deutschen Staates, die Verfassung und besonders die Geschichte des ZDF völlig ignoriert, die ja gerade mit dem Versuch, ein Bundesfernsehen zu schaffen, begann und sofort scheiterte - eben weil eine Zuständigkeit des Bundes hier verfassungswidrig war und ist. “Murat Altuglu, 1978 in Köln geboren, lebt seit 2006 in Miami, wo er an der Florida International University als “adjunct professor” Politikwissenschaft unterrichtet .” Wer als Professor für Politikwissenschaft bereits hier scheitert - bei dem kann man nur mutmaßen, auf welchen weiteren unlogischen Fehlschlüssen und Fehlannahmen über Tatsachen seine Meinungsbildung sonst noch beruhen mag. Könnte der Autor seine öffentlichen Äußerungen bitte auf Themen beschränken, bei denen er wenigstens die Fakten kennt und nicht faktisch Falsches erfindet, so dass man immerhin erwägen könnte, auch die Meinung dieses Autors für etwas zu halten, was auf einem stabilen Fundament stehen könnte, vielleicht Hand und Fuß haben könnte? So zeigt der Autor nur, dass er von Recht, Staat, Politik und (Zeit-)Geschichte nicht nur konkret bezüglich des von ihm gewählten Themas, sondern auch allgemein, in ganz grundsätzlicher Hinsicht, keine Ahnung hat.
Man hätte das Ganze meines Erachtens schon halbwegs “objektiv” entscheiden können: in D. gibt es 1,4 Millionen Parteimitglieder (deutscher Parteien). Bei 62,2 Millionen Wahlberechtigten entspricht das großzügig gerechnet einem Anteil von etwa 2,5 %. Und das sollte dann eigentlich auch der maximale Anteil an Politikern/Parteimitgliedern in den Rundfunkräten sein.
Genau so ist es. Das BVerfG hat sich verselbständigt. Und insofern nur logisch und folgerichtig, seine Kompetenzen zu beschränken, wie dies seitens der CDU gewollt wird.
Man weiß angesichts dieses Unfugs gar nicht, wo man anfangen soll: Geht es jetzt um das Rundfunk-Urteil oder geht es doch darum, dass das Bundesverfassungsgericht angeblich seine Kompetenzen überschreitet? Und woran wird diese Kompetenz-Überschreitung festgemacht? Letztlich findet sich nur demagogische Stimmungsmache, die offenbar als argumentsurrogierende Rhetorik selbsterklärend sein soll. Eine Auseinandersetzung mit enem solchen Text ist daher letztlich nicht möglich. Eine zentrale Fehlvorstellung sei aber aufgegriffen: Der Grundtenor des Beitrags findet sich in dem Satz: “In einem demokratischen Gemeinwesen muss jede politische Regelung der demokratischen Entscheidungsfindung vorbehalten sein”. Das ist im Ansatz falsch: Entgegen einer älteren Auffassung in der Verfassungslehre (die sich etwa bis zur Mitte des 20. Jhdt. nachweisen läßt) genießen Entscheidungen der Volksvertretung in der Demokratie nicht schon deshalb gößere Dignität, weil sie (anders als Entscheidungen eines Monarchen) demokratisch legitimiert sind. Der Verfassungsstaat ist gerade dadurch gekennzeichnet, dass der Einzelne Regelungen - insbesondere (aber nicht nur) Einschränkungen der persönlichen Freiheit - nur hinnehmen muss, wenn sich hinreichend sachliche Gründe für die Vorschrift finden. Hierbei ist dem Gesetzgeber zwar Ermessen eingeräumt, das nicht zuletzt das Bundesverfassungsgericht stets betont hat. Freiheitseinschränkungen ohne sachlichen Grund müssen aber auch dann nicht akzeptiert werden, wenn sie Ergebnis der “demokratischen Entscheidungsfindung” sind. Diese Erwägungen lassen sich auf die Rundfunkfreiheit übertragen: Man kann den vom Bundesverfassungericht hinsichtlich der Rundfunkfreiheit seit Jahrzehnten verfolgten Kurs -Interpretation der Rundfunkfreiheit als “dienende Freiheit” - gerade vor dem Hintergrund der zwischenzeitlichen Schaffung privaten Rundfunks mit guten Gründen für falsch oder jedenfalls überholt halten. Eine Regelung, die der (Rundfunk-) Freiheit Schaden zufügt, ist aber nicht schon deshalb legitim, weil sie demokratisch legitimiert ist, denn sie verfolgt keinen legitimen Zweck. Und dies zu prüfen ist gerade die Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, dem die Verfassung die Kompetenz-Kompetenz hinsichtlich seiner Prüfungsbefugnisse zuweist.
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