Cora Stephan / 13.04.2023 / 11:00 / Foto: Imago / 16 / Seite ausdrucken

Die Stimme der Provinz: Nachbarschaftshilfe

Mitleidige Blicke sind schon schlimm genug. Trost auf französisch erst recht. Nein, ich will nicht bemitleidet werden, nur weil ich aus Deutschland komme! Da ist mir solide Schadenfreude schon lieber.

Das gibt’s hier in la France profonde natürlich auch, obwohl der eine oder andere die Boches durchaus schätzt, weil sie in ihrer Gestalt als Touristen Geld bringen. Dafür hat manch ein Verkäufer auf dem Markt sogar ein paar Brocken Deutsch gelernt, das ist für französische Verhältnisse schon beinahe sensationell.

Nein, die Schadenfreude stört mich nicht. Sie haben ja recht: die Deutschen spinnen. Und nun schalten sie am Wochenende auch noch die letzten drei ihrer jahrzehntelang perfekt funktionierenden Kernkraftwerke ab. Warum?

Ja, warum? Darum? Was soll man darauf antworten, als Deutscher, der die Knallköppe an der Regierung schon lange nicht mehr versteht? Weil es die Grünen so wollen? Da lacht der Franzose. Die französischen Grünen haben längst gemerkt, dass man nicht glaubhaft behaupten kann, die Emission von CO2 einschränken zu wollen, wenn man auf die diesbezüglich emissionsfreie Atomenergie verzichtet.

Russische Brennstäbe toll finden?

Wie erklärt man also die deutschen Grünen? Etwa damit, dass sie ihren Gründungsmythos pflegen müssen, demzufolge Atomkraft, die in der DDR in Volkeshand und deshalb unschädlich war, im Kapitalismus ein unkalkulierbares Risiko ist? Schön und gut, aber wie erklärt man dann Angela Merkel, CDU-Kanzlerin, das rätselhafteste Phänomen des vereinigten Deutschlands?

Als 2011 ein Tsunami den Reaktor im japanischen Fukushima traf, beschloss sie das Ende für alle deutsche KKW. Dabei gibt es in Deutschland weder Tsunamis noch jenen Konstruktionsfehler, der den Reaktor von Fukushima verwundbar machte: Notstromaggregate, die eine vom Tsunami ausgelöste Riesenwelle unter Wasser setzte. Egal: die CDU wollte eine Landtagswahl gewinnen, die sie verlor. Und das haben wir nun davon.

Kernkraftwerke in Deutschland sind eben gefährlich. In der Ukraine sind sie es nicht, wie Robert Habeck jüngst befand. Nanu? Gab es da nicht 1986 den bislang schwersten Unfall in der Geschichte der Kernenergie, in Tschernobyl? Wegen schwerer Mängel des sowjetischen Reaktortyps RBMK und grobfahrlässiger Fehler der Bedienungsmannschaft? Und in der Folge weltweite Panik, besonders in Deutschland?

Nun, Tschernobyl ist Geschichte. Und wenn Robert Habeck sagt, dass die anderen 15 ukrainischen Druckwasserreaktoren sicher sind, muss das ja stimmen. Obwohl die mit russischen Brennstäben laufen! Horribile! Wir lassen weder russische Sängerinnen noch russische Athleten rein und sollen russische Brennstäbe toll finden? Sicher?

Eine wahrhaft teuflische Strategie

Wenn doch der französische Nachbar nicht immer so maliziös grinsen würde! Er will, was sonst, das letzte Wort haben: „Gibt es da nicht irgendwie Krieg, da unten in der Ukraine?“ Stimmt – aber was kann unsereins dafür, dass unser Wirtschaftsminister es nicht so mit der Logik hat?

Der rettende Gedanke kommt mir erst spät. Es ist Wiedergutmachung, sage ich. Wir schalten unsere Kernkraftwerke ab, damit wir der Ukraine beim Wiederaufbau helfen können, indem wir ihnen ihren Atomstrom abkaufen, der wird uns teuer genug kommen. Und den französischen Atomstrom nehmen wir noch dazu! Den werden wir brauchen und ihr werdet profitieren!

Das müsste einem Franzosen eigentlich einleuchten, man ist es ja gewohnt, dass die Deutschen als noch immer größte Nettoeinzahler in der EU die Zeche begleichen. Doch man sollte die subversive Ader der Bewohner einer Nation nicht unterschätzen, die sich mit Revolution auskennt.

„Wann gibt es bei euch wieder Wahlen? Wenn eure Männer in den Kohlekraftwerken Mumm haben, werden sie ein paar Tage vorher den Stecker ziehen. Dann hilft euch weder Atomstrom aus der Ukraine noch aus Frankreich. Dann kippt das gesamte europäische Stromnetz – und das werden euch eure Nachbarn nie verzeihen!“

Eine wahrhaft teuflische Strategie. Und doch. Es mag durchaus sein, dass nur zornige Nachbarn die Deutschen und ihre Regierung noch zu Verstand zu bringen vermögen.

Foto: Imago

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Leserpost

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Werner Arning / 13.04.2023

Franzosen verstehen die Deutschen in der Regel nicht. Franzosen gehen auf die Straße, wenn sie beispielsweise um ihr Renteneintrittsalters kämpfen, oder um mehr Lohn, oder gegen Macron. Deutsche gehen auf die Straße wegen des Klimas, wegen der Rettung der Menschheit, oder um gegen Nazis zu kämpfen, die es gar nicht gibt, oder sonstigen Unfug. Die Franzosen sind pragmatisch, konkret. Die Deutschen sind versponnen, irrational, idealistisch. Mit dieser Art können die Franzosen wenig anfangen. Es interessiert sie auch nicht. Über das, was die Deutschen so tief bewegt, schütteln die Franzosen bloß den Kopf. Selbst der Krieg in der Ukraine ist dort, im Vergleich zu deutschen Verhältnissen, kaum ein Thema, Die Franzosen interessiert, was vor ihrer Haustür passiert. Die Deutschen interessiert alles, nur nicht der Platz vor ihrer Haustür.

Klaus Keller / 13.04.2023

Man muss sie nicht verstehen. Es genügt wenn man mit ihnen zurecht kommt. Die Deutschen und ihre Regierung meine ich jetzt. Ich versuche auch mit den Deutschen zurecht zu kommen, da hier in der Gegend so viele von ihnen wohnen. Ich bin auch selber einer und habe mich mittlerweile daran gewöhnt. Ich habe aber auch viel dazu gelernt. Staatsgläubigkeit oder genauer Vertrauen in die Regierung habe ich nicht mehr. Distanz kann helfen. So neu ist das aber auch nicht. Schon Wilhelm II wusste das mit der neuen Regierung kein Staat vernünftig organisiert werden kann und ging ins Exil. Zuspruch finden die Deutschen nur noch bei Romantikern die weit weg wohnen und deshalb hin und wieder die Neigung haben hier her zu kommen. Ihr Zorn wenn sie dann einmal da sind, ist nur Zeichen der Enttäuschung. Oder anders formuliert: Sie nehmen die Deutschen zu ernst. Die Deutschen sind in vielen Bereichen genauso bescheuert wie der Rest der Welt. Die Franzosen wissen das auch. Was glauben Sie warum die Vögel hier immer so schön zwitschern? Die lachen uns aus, so das sie fast von den Bäumen fallen.

Peter Krämer / 13.04.2023

Man kann den Dilettant*innen der Grüner keinen Vorwurf machen, ihre Mischung aus Unwissen und Ideologie ließ nicht anderes erwarten. Die Profiteure dieser Energiewende reiben sich die Hände, Verbraucher und Steuerzahler zahlen die Zeche. Fast alle anderen Parteien machen mit, und offenbar hat die Bevölkerung nichts gegen diese Reise in den Notstand einzuwenden, es dient ja dem Klimaschutz.

G. Jakobs / 13.04.2023

Das sehe ich anders, auch zornige Nachbarn werden diese Realitätsverweigerer nicht zu Verstand bringen, ein Hohlkörper bleibt ein Hohlkörper

Thomas Szabó / 13.04.2023

Weil Angela Merkel und ihre CDU eine Landtagswahl gewinnen wollten, zerstörten sie die Grundlagen der deutschen Energieversorgung? Kann man diese Aussage beweisen? Falls ja, dann ist das eindeutig § 81 StGB Hochverrat gegen den Bund. (Wer es unternimmt, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt 1. den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen oder 2. die auf dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland beruhende verfassungsmäßige Ordnung zu ändern, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft. (2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.) Vom minderschweren Fall können wir wohl kaum ausgehen. Wir können zwar nicht direkt von Gewalt & Drohung reden, aber der Bestand der BRD ist eindeutig gefährdet.

Wilhelm Lohmar / 13.04.2023

Die ganze grüne Führungsspitze starrt doch auf die grüne Basis und die allertreuesten grünen Stammwähler wie das Kaninchen auf die Schlange. Und weil die grüne Führungsspitze bei den MSM Richtung und Ton vorgibt wird sich auch beim übergroßen Teil der politischen Klasse nichts ändern - wenigstens vorerst nicht. Und wenn sich dann doch etwas ändert wird es zu spät sein.

Matthias Ditsche / 13.04.2023

An jeden Grenzpfosten der BRD müßte die Zusatzinfo angebracht werden “Vorsicht, freilaufende Psychopathen” . Könnte mir vorstellen, daß der ein oder andere Asylant sich nochmals überlegt, ob er weitergeht.

Anna Scheufele / 13.04.2023

Die Erklärung ist doch ganz einfach:  Die Boches erhalten gerade das was sie gewählt haben.

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