Von Felix Schnoor
Die schweizer Nationalbank gibt auf. Sie wird den seit über drei Jahren vorhandenen Mindestkurs von 1,20 CHF gegenüber dem Euro nicht weiter verteidigen. Diese am Donnerstag verkündete Entscheidung löste an den Finanzmärkten Tumulte aus, der Euro brach massiv ein, ebenso der schweizer Aktienindex. Der DAX hingegen legte deutlich zu.
Die meisten Experten und Kommentatoren sind sich einig: Eine schlechte Entscheidung für die Schweiz, eine durchaus gute für die Eurozone.
Andreas Schaffner (Blick) befürchtet im Cicero gar eine Rückkehr der Schweiz in die geldpolitische Steinzeit oder auch einen Rückfall in marktliberale Denkweisen, die die Preisstabilität in den Vordergrund setzt: “Als ob es keinen Ben Bernake an der Spitze der amerikanischen Notenbank geben würde, der die Welt mit seinen Studien über die Rezession der dreißiger Jahre vom Gegenteil überzeugen konnte und die USA mit der expansiven Geldpolitik aus dem Schlamassel holte. Als ob es keinen Mario Draghi gegeben hat, der sich an der Spitze der Europäischen Zentralbank dafür ausspricht, alles zu unternehmen, was es brauche, um den Euro zu retten und dafür diese Woche vom Europäischen Gerichtshof das Plazet erhielt.” Man muss sich schon fragen, was das für ein Marktliberalismus sein soll, in dem die Aktienkurse zum größten Teil davon abhängen, was eine staatliche Behörde entscheidet (es kam ja auch sogar schon vor, dass die Aktienkurse nach überraschend positiven Wirtschaftsdaten einbrachen, da man auf Grund dessen mit einem Ende der Politik des billigen Geldes rechnete, an dessen Tropf ein Großteil der westlichen Wirtschaft hängt).
Und ob Bernanke die USA wirklich aus dem Schlamassel holte und nicht vielelicht stattdessen das Schlamassel mit verschuldete, sollte zumindest einmal diskutiert werden.
Ähnlich wie sein Kollege im Cicero sieht es Stefan Kaiser auf Spiegel Online. Er hielt die Euro-Käufe der SNB für “durchaus sinnvoll” mit Verweis auf die Exportwirtschaft des Landes. Grund zur Sorge für den Euroraum sieht er dabei “eher nicht”. Die Begründung, die er für letztere Aussage liefert, ist dabei interessant: “Denn der Euro-Absturz ist auch gewollt. Mit ihrer äußerst lockeren Geldpolitik versucht die Europäische Zentralbank (EZB), die Wirtschaft in der Eurozone wieder in Schwung zu bringen.” Wir brauchen uns also keine Sorgen zu machen, da der schwache Euro von der herrschenden Klasse beabsichtigt ist… Das heißt im Umkehrschluss nichts anderes, als dass man den Regierungen und Notenbanken der Welt blind vertrauen sollte. Ähnlich scheint es ja auch der oben zitierte Anderas Schaffner zu sehen, der präzise an den Lippen Bernankes und Draghis hängt.
Weiter führt Kaiser aus: “Auf diese Weise werden Produkte aus der Eurozone weltweit billiger und damit wettbewerbsfähiger. Im Gegenzug werden zwar auch importierte Produkte teurer. Das kann der EZB aber nur recht sein: Ähnlich wie die SNB kämpft auch sie gegen eine zu niedrige Inflation. In der Eurozone waren die Preise zuletzt ebenfalls gefallen. Teurere Importe helfen, die Deflation zu bekämpfen.”
Und da haben wir es wieder: Das gefährliche Deflationsmonster, das mit allen Mitteln der geldpolitischen Pseudo-Kunst bekämpft werden soll. Und der letzte Satz ist dabei für alle Verbraucher ein Schlag ins Gesicht. Es scheint generell zwei Typen von Menschen zu geben. Die einen, wie Kaiser, Schaffner, Krugman, Bofinger, Yellen und co., die sich freuen, jeden Tag mehr Geld für Benzin, Lebensmittel und Autos ausgeben zu dürfen, und die anderen, wie Du und ich, die gerne weniger bezahlen als mehr.
Aber warum wird die Deflation von einigen Leuten eigentlich so kritisch gesehen? Zum einen, da während der Great Depression deflationäre Zustände herrschten, zum anderen, weil unter einer Deflation die Schuldenmacher (u.a. die Regierungen) leiden, deren Verbindlichkeiten so real an Wert zunehmen.
Zum ersten Punkt sei gesagt, dass man Ursache und Wirkung auch in diesem Fall beachten sollte. Die Wirtschaftskrise verursachte die Deflation, nicht andersherum. Eine Deflation ist die logische Folge von Blasen an den Asset-Märkten (im Regelfall durch zu viel billiges Geld der Notenbanken entstanden), die eben irgendwann platzen. Daraufhin fallen dann die Preise. Aber die fallenden Preise für die Krise verantwortlich zu machen, ist genauso sinnvoll, wie einer nassen Straße die Schuld für einen Regenschauer zu geben.
Der zweite Punkt muss ideologisch betrachtet werden: Diese weiter oben aufgezählten Menschen sind – wie die meisten Vertreter der öffentlichen (besser: veröffentlichten) Meinung - Linke durch und durch. Sie wollen die Vermögensunterschiede zwischen den vermeintlich armen Schuldenmachern und den vermeintlich reichen Vermögenden verringern und befürworten daher eine Inflation. Desweiteren ist es die einfachste Art und Weise den Staatsapparat weiter aufzublähen, da die verdeckte Inflationssteuer von den Menschen entweder nicht wahrgenommen oder nicht verstanden wird.
Der Haken an der Sache: Gerade das Gelddrucken der Notenbanken begünstigt die bereits Vermögenden. Denn diese erhalten das neue Geld in der Regel zuerst (wie Geschäftsbanken oder Großunternehmen), und können dann mit dem neuen Geld zu alten Preisen einkaufen. Diejenigen, die als Letzte das neue Geld bekommen (oder es gar nicht bekommen), weil sie nur wenige bis gar keine Sicherheiten vorweisen können, sind die ohnehin schon Benachteiligten in einer Gesellschaft. Sie spüren dann nur die gestiegenden Preise und haben rein gar nichts davon, dass sich Mario Draghi und seine EZB-Kollegen für das Erreichen des Inflationsziels auf die Schulter klopfen lassen.
Es sei auch zusätzlich noch einmal angemerkt, dass es in der Vergangenheit auch schon des öfteren deflationäre Phasen mit gleichzeitigem Wirtschaftswachstum gegeben hat (beispielsweise im Amerika des 19. Jahrhunderts), auf die Empirie können sich die Inflationsapologeten also keineswegs stützen.
Die schweizer Nationalbank hat mit ihrer Entscheidung damit aufgehört, in massiver Art und Weise die Export- und Tourismuswirtschaft des Landes auf Kosten der übrigen Wirtschaftszweige, der Verbraucher und der Sparer zu subventionieren. Ebenfalls beendete sie die Subventionen für die Verbraucher der Eurozone, die lange vom künstlich hohen Wert des Euro profitierten. Ihr Motto lautete am Donnerstag daher: “Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende”.
Die EZB hingegen lässt den Euro immer mehr und offensichtlicher zu einer Ramschwährung verkommen und damit wird auch klar, dass die Versprechungen eines Helmut Kohls oder Theo Weigels, dass der Euro der D-Mark in Sachen Stabilität in nichts nachstehen würde, keine Bedeutung haben bzw. jemals hatten.
Ich arbeite momentan für ein deutsches Unternehmen in der Türkei und werde in Euro bezahlt. Ich warte auf den Tag, an dem dies Mitleid bei den Türken auslöst. Lange kann es nicht mehr dauern. Die Experten hingegen werden jubeln. Lang lebe das Inflatonsziel
Felix Schnoor, 24, studierte Wirtschaftswissenschaften in Frankfurt am Main.