Rainer Bonhorst / 23.07.2014 / 20:26 / 6 / Seite ausdrucken

Die Not der Tunnelbauer

Zu den Ungerechtigkeiten des Nahostkonflikts gehört, dass immer wieder Zweifel an dem ökonomischen und technologischen Leistungswillen der Palästinenser geäußert werden. Dabei wird völlig übersehen, dass die Palästinenser des Gazastreifens heute zu den tüchtigsten und geschicktesten Tunnelbauern der Welt gezählt werden müssen.

Sie haben die traditionellen Eliten des Bergbaus, seien sie im Ruhrgebiet, seien sie in Südafrika, um Längen überholt. Vor allem haben sie dem Bohren dicker Löcher ins Erdreich eine völlig neue, postindustrielle Zielrichtung gegeben.

Palästinänsertunnel dienen nicht mehr den alten Industrien wie Kohle oder Goldabbau, sondern zeitgemäßeren Aktivitäten wie dem Terroristenschmuggel nach Ägypten und dem Raketenbeschuss auf Israel.

Hier haben es die Spezialisten des Gazastreifens unter der fachkundigen Leitung der Hamas zu einer erstaunlichen Blüte gebracht. Ein Land von der Größe eines Bettvorlegers hat eine Tunneldichte von nahezu kontinentalen Ausmaßen. Wer kann das sonst noch von sich sagen?

Möglich wurde dies durch eine Ingenieurskunst von Weltrang, der es gelingt, auf engstem Platz ein Tunnelgewebe kreuz und quer, übereinander und untereinander zu platzieren. Ohne eine engagierte und gut bezahlte Arbeiterschaft wäre das natürlich nicht möglich. Man kann sagen, dass sich der Tunnelbau zur Hauptindustrie des Gazastreifens entwickelt hat. Und dass so förmlich aus dem Nichts eine stolze Arbeiterschaft entstanden ist.

Und dies trotz widriger Umstände. Denn der Bedarf an Tunneln ist so groß, dass das Reservoir an Arbeitern so begrenzt, dass der Bedarf an Personal kaum gedeckt werden kann. Aber auch dieses Problem haben die Palästinenser auf ihre eigene, kreative Weise gelöst. Sie geben jungen Menschen schon im Kindesalter die Chance, vor Ort eine praktische Ausbildung im Tunnelbau zu absolvieren. Eine Erfolgsidee: Denn welches Kind buddelt nicht gerne im Erdreich?

Da der Tunnelbau keinen kurzfristigen Gewinn bringt sondern eher als Infrastrukturmaßnahme betrachtet werden muss, kann diese Industrie nicht ohne großzügige Vorfinanzierung gedeihen. Daran herrscht allerdings kein Mangel. Die vielen Unterstützerorganisationen versorgen die Tunnelbauer mit ausreichend Geldern. Diese Gelder sind zwar offiziell als Hilfsprogramme für die Bevölkerung und die Entwicklung einer menschenwürdigen Gesellschaft deklariert. Aber es ist allgemein akzeptiert, dass der Tunnelbau in Gaza Vorrang hat. Doch die Perspektive ist menschenfreundlich: Sobald die Untertunnelung des Landes vollendet ist, wird man sich zweifellos den anderen Bedürfnissen des Lebens widmen.

Diese vom Tunnelbau geprägte Lebensform wird nun von zwei Seiten bedroht. Einerseits sperren die Ägypter den Tunnelverkehr nach Sinai, um das Eindringen von Extremisten zu unterbinden. Und gleichzeitig boykottieren die Israelis die Tunnelarbeiten, weil sie von den Palästinensern nicht mit Raketen beschossen werden wollen.

Dass diese Zangenbewegung den Hauptwirtschaftszweig des Gazastreifens aufs brutalste untergräbt, liegt auf der Hand. Wovon sollen die Palästinenser dort leben, wenn sie keine Tunnel mehr graben können? Wie soll die Hamas ihre Kämpfer gegen das Regime in Ägypten in Stellung bringen, wenn die Tunnel dicht sind? Wie sollen die Hamas-Kämpfer ohne ihre Tunnel auf israelische Städte schießen?

Die Lage der Palästinenser ist verzweifelt. Eine ganze Nation bangt um ihre Arbeitsplätze und um die Chance, ihre Feinde zu vernichten. Doch in ihrer Not sind sie nicht allein. Tausende Menschen in aller Welt unterstützen die Raketentätigkeit der Hamas mit kämpferischen Friedensdemonstrationen gegen Israel.

So hat alles, bei einem konsequenten Tunnelblick, seinen tieferen Sinn.

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Leserpost

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Werner Geiselhart / 25.07.2014

Die Grünen sind ja extreme Palästinenserfans. Aber trotzdem sollten sie sich die Frage stellen, ob vor jedem Tunnelbau geprüft wurde, ob seltene Käferarten oder Fledermäuse durch den Bau bedroht sein könnten. Ob nicht doch eine Gefährdung des Grundwassers vorliegt oder die CO2-Bilanz durch das Ausmerzen von Sauerstoff erzeugenden Pflanzen den Bach runter geht. Wie man diese Fragen erfolgreich stellt, haben sie doch bei S21 bewiesen. Man könnte ja mal die Parkschützer nach Gaza schicken, um dort nach dem Rechten zu schauen. Das hätte auch den Effekt, dass wir sie los wären und endlich den S21 Tunnel bauen könnten.

Frank Holbers / 24.07.2014

Geehrter Herr Sautter, wieso “alter rechter und neu sich reckender linker Antisemitismus”? So neu ist der linke Anitsemitismus nicht, höchstens war er früher mehr verborgen. Denken Sie nur daran, wie es den Juden in der Sovietunion oder in der DDR erging. Auch bei uns hat die Linke schon immer gegen Israel und die Juden agitiert. Überhaupt sehe ich immer weniger Unterschiede zwischen Linken und Rechten. Die Methoden sind nahezu die selben, die Ziele unterscheiden sich kaum noch.

Wolfgang Sunderbrink / 24.07.2014

Sehr gut geschrieben. Problem ist nur, daß die Deutschen, die das lesen sollten, das nicht tun werden, weil es ihr Feindbild beschädigt. Möglicherweise war auch der deutsch-palästinensische Ingenieur, dessen Tod so publikumswirksam vermeldet wurde, in diesem Geschäft.

Maria Leuschner / 24.07.2014

“Wovon sollen die Palästinenser denn dort leben, wenn sie keine Tunnel mehr graben können?” Schade, dass wir das in Dresden nicht eher gewusst haben, denn die Untertunnelung der Elbe wurde u. a. aus Gründen der Sicherheit abgelehnt - und so haben wir nun die Waldschlösschenbrücke. Aber die Palästinenser hätten als welterfahrene Ingenieure mit all ihrem Können dies Problem gemeistert. Auch hätten wir gleich noch die dazu nötige Zahl von palästinensischen Arbeitern beschäftigen können. Nach Ende dieses Ingenieurprachtbaus wäre uns Dresdnern vielleicht auch der Unesco- Welterbtetitel zurückgegeben worden. Herrlich, mal wieder ein köstlicher Bonhorst! Danke, Maria Leuschner

Winfried Sautter / 24.07.2014

Man weiss nicht, ob man lachen oder weinen soll! Selten so eine treffende Satire gelesen! Es ist obszön und skandalös, dieses Hamas-Opfer-Gedusel in unseren Medien; und dann höchstens pflichtschuldig hinterhergeschoben, Israel kriegt auch ein paar Raketen ab, JA ABER, selbst schuld… und eigentlich ... Ich bin gespannt, wie sich alter rechter und neu sich reckender linker Antisemitismus verbinden, und obendrauf noch jener traditionelle Judenhass der Mitbürgerinnen und Mitbürger mit einschlägigem Migrationshintergrund. Unsere One-World-Multi-Kulti-Gesellschaft wird gewiss eine sozialarbeiterisch inklusive Lösung finden ... Was mich nachdenklich macht: Die Vietcong hatten damals auch einen Tunnelkrieg höchst erfolgreich geführt gegen eine Weltmacht, die den Krieg dann letztlich Zuhause an der “Medienfront” verloren hat. Das Dilemma der asymmetrischen Kriege. Alles Gute, Israel! Keep the Colours flying!      

Dieter Dohmen / 23.07.2014

Lieber Herr Bonhorst, das war die mit Abstand beste Analyse, die Ihre flotte Feder zu Papier gebracht hat. Damit haben Sie einen ewigen Platz in meinem Herzen. Ich mag und schätze Ihre Artikel sehr. Danke, liebe Achse, daß Sie sich nun sehr verstärkt dieses Themas, der Dämonisierung Israels,  angenommen haben. Alles Gute!

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