In ihrer Radio-Kolumne „Der WochenWahnsinn“ gehen Achse-Autor Matthias Heitmann und Antenne Frankfurt-Moderator Tim Lauth jede Woche auf Zeitgeisterjagd. Seit Kurzem ist der WochenWahnsinn nun auch auf der Achse zu hören und zu lesen. Diese Woche geht es um die Diskussion um Faker-News und das zweifelhafte Instrument des „Fakten-Checks“. Zum Anhören geht es hier entlang.
Tim Lauth: Matthias, seit Monaten wird der alltägliche Wahnsinn durch sogenannten „Fake News“ bestimmt. Jetzt gibt es ja sogar die ersten Anti-Fake News Einheiten, die uns vor der Flut von Falschmeldungen, Manipulationen und sogenannten „postfaktischen“ Behauptungen in den Medien bewahren sollen. Was hältst Du davon? Ist das ein Schritt in Richtung mehr Ehrlichkeit?
Matthias Heitmann: Also, ich halte es für eine „Fake News“, wenn behauptet wird, dass in der Politik und in den Medien früher weniger gelogen wurde als heute. Wenn man sich mit dem Thema befasst, stellt man fest, dass es solche Diskussionen schon früher gab. Schon im 19. Jahrhundert hat man darüber diskutiert, wie die gesellschaftlichen Autoritäten die Kontrolle über die öffentliche Meinung behalten können. Auch heute fragt man: Wer kontrolliert die Meinungsbildung? Und vor allem fragen sich manche, warum sie selbst die Kontrolle über diesen Prozess verloren haben.
Lauth: Aber wie kann dieser Prozess denn wieder in geregelte Bahnen gebracht werden?
Heitmann: Ich bin mir gar nicht sicher, ob das wirklich wünschenswert wäre. Heute haben große Teile der etablierten Medien, aber auch Wissenschaftler und Experten den Eindruck, dass man ihnen nicht mehr traut und stattdessen lieber Leuten folgt, die den anerkannten Autoritäten widersprechen. Doch anstatt auch mal kritisch über die eigene Rolle nachzudenken, beschränkt man sich darauf, etwa den Anhängern von Donald Trump vorzuwerfen, sie würden sich absichtlich und gerne belügen lassen.
Lauth: Aber es ist doch „Fakt“, dass Trump mit falschen Informationen arbeitet, um Stimmung zu machen! Macht es da nicht Sinn, öfter mal den Fakten-Check zu bemühen?
Heitmann: Jetzt sind wir beim entscheidenden Punkt: Ein Haufen Fakten schafft noch keine Wahrheit. Es kann auf Basis derselben Faktenlage ganz unterschiedliche Wahrheiten geben. Wahrheit hat auch mit Werten und Überzeugungen zu tun. Fakten sind auch etwas anderes als die Interpretation von Fakten. Auch das wird oft durcheinander geworfen. Unterschiedliche Standpunkte einfach darauf zu reduzieren, dass einer von beiden auf einer Lüge beruhen muss, ist nicht nur kindisch, sondern letztlich auch undemokratisch.
Lauth: Verstehe ich dich richtig, Matthias: Du bist also kein Anhänger des Fakten-Checks?
Heitmann: Für mich sind notorische Fakten-Checker letztlich nur Feiglinge, die sich nicht trauen, Überzeugungen zu verteidigen und sich lieber darauf konzentrieren, beim politischen Gegner nach Lügen zu suchen. Es ist viel einfacher, die Anzahl von Trumps Fehltritten aufzulisten, also sich mit den Überzeugungen seiner Anhänger auseinanderzusetzen. Dabei wäre das viel wichtiger. Doch davor scheut man zurück und versteckt sich lieber hinter einem pseudo-objektiven Fakten-Check. Das Problem dabei ist: Fragen nach Werten und Moralvorstellungen lassen sich nicht mit einem Fakten-Check beantworten.
Lauth: Kannst Du mir dieses komplizierte Thema noch einmal am Beispiel unserer Eintracht erklären?
Heitmann: Klar. Die Eintracht hat weiterhin Chancen, im nächsten Jahr europäisch zu spielen. Und obwohl dahin zurzeit nur wenige Punkte fehlen, geht die Angst um, weil wir seit gefühlten Ewigkeiten kaum noch das Tor treffen und die Mannschaften hinter uns Schritt für Schritt aufholen. Auf Basis der objektiven Faktenlage kann man die Situation also sehr unterschiedlich einschätzen. Diese Einschätzung hängt nicht davon ab, ob man sich die Fakten zurechtbiegt, sondern davon, wie man sie bewertet und gewichtet. Ich kann hier Optimismus und Angst nachvollziehen. Zu welcher Richtung ich tendiere, hängt aber davon meiner Denkweise ab. Noch bin ich optimistisch, was den Saisonausgang angeht.