Claudio Casula / 22.06.2023 / 06:00 / Foto: Pixabay / 64 / Seite ausdrucken

Der Bundestag spielt Regierungsbefragung

Die Minister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) und Klara Geywitz (SPD) sind für eines der derzeit brisantesten Gesetzesvorhaben verantwortlich und stellen sich der Befragung durch den Bundestag. Klingt eigentlich spannend. Hier die Ergebnisse der offiziell angesetzten 90 Minuten plus zehn Minuten Nachspielzeit.

„In Sitzungswochen können die Abgeordneten des Deutschen Bundestages mittwochs nach der Sitzung des Bundeskabinetts über die dort besprochenen Vorhaben Auskunft erhalten und Fragen an die Bundesregierung stellen“, heißt es auf bundestag.de. Gestern mussten der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), und die Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, Klara Geywitz (SPD), in die Bütt. Und was soll man sagen? Es wurden – offiziell angesetzte 90 Minuten plus zehn Minuten Nachspielzeit – 100 sehr lange Minuten.

Da die Bundesregierung das Gebäudeenergiegesetz (GEG) noch vor der Sommerpause durchs Parlament prügeln will und gestern Vormittag eine Expertenanhörung dazu stattgefunden hatte, war zu erwarten, dass die Abgeordneten vor allem dazu Fragen stellen würden. Für die große Abrechnung ist das Plenum hier nicht das richtige Forum, die Parlamentarier müssen sich extrem kurz fassen und sollten idealerweise so fragen, dass auch eine kurze Antwort möglich ist.

Die Abgeordneten der SPD und die von Bündnis 90/ Grüne beschränkten sich auf ihre Rolle als Stichwortgeber, damit ihre Minister Zeit gewannen. Auf die meisten ihrer „Fragen“ hätte die Antwort deshalb jeweils lauten können: „Ja, genau.“ So schwadronierte etwa die Grüne Kathrin Henneberger mit dem für ihre Partei idealtypischen Lebenslauf (Abi, Studium ohne Erlangung eines akademischen Grades, dafür Aktivistin in einschlägigen Gruppen wie der Greenpeace-Jugend und „Ende Gelände“, ansonsten Parteikarriere, also Kreißsaal – Hörsaal – Plenarsaal) von aktueller Dürre, einem sich schon bemerkbar machenden El Niño und „massiven Auswirkungen der Klimakrise“ und wollte von Habeck wissen, mit welchen Maßnahmen er den notwendigen zügigen Gasausstieg bewerkstelligen wolle. Worauf der „Befragte“ irgendwas von „möglichst schnell dekarbonisieren“ sagte und dass die klimatischen Entwicklungen dramatisch seien: 40 Grad in Spanien! Wandbrände! Und wir sollten wirklich handeln.

40 Grad und Waldbrände – shocking!

Ein entspannter Blick auf wetter.de zeigte allerdings für das nordspanische Bilbao gestern 22 Grad mit Regen an, für Madrid 29 Grad und für Andalusien 31 – nicht wirklich unüblich im Sommer. Und Waldbrände haben ihre Ursache nicht in spontaner Selbstentzündung bei hohen Temperaturen, sondern werden in aller Regel von Brandstiftern gelegt. Trotzdem hat niemand Robert Habeck an dieser Stelle ausgelacht.

Mehrmals geriet der Minister ins Straucheln, als er auf seinen Staatssekretär Udo Philipp und mögliche Interessenkonflikte (Firmen, an denen der Wirtschaftsstaatssekretär Udo Philipp mittelbar beteiligt ist, erhielten Geld aus staatlichen Förderprogrammen) angesprochen wurde. Man könne gern über mehr Transparenz reden, sagte er drei- oder viermal, aber eine Einzelbetrachtung lehne er ab, dann müssten schon alle ihre Karten auf den Tisch legen. Malte Kaufmann (AfD) erinnerte an Habecks vor wenigen Tagen in der Talkshow „Anne Will“ getätigte Aussage, er sei selbst „auch nicht zufrieden mit der Bundesregierung“, was für den Mann ja geradezu typisch ist, weil er signalisieren soll: Er ist einer von uns, auch wenn er gleichzeitig Teil der Regierung ist. To have the cake and eat it – das schafft nur unser Robert! Der will aber davon nichts mehr wissen, findet die „Leistungsbilanz“ im Gegenteil „beachtenswert“ und räumt nur „Abstriche in der B-Note“ ein, die Abstimmung in der Koalition sei „manchmal etwas holprig“.

Immer wenn es konkret wird, weicht Habeck aus. Auf die Frage eines Sozialdemokraten, welche Mengen LNG in Deutschland angelandet werden können und ob diese auch reichen, wenn der Winter nicht so milde ausfällt wie der letzte, eiert der Minister herum. Es gebe mehrere Terminals und mehrere seien geplant, wir kämen „in eine ganz andere Versorgungslage rein“, aber, ja: 55 Milliarden Kubikmeter Gas würden fehlen und könnten nur zur Hälfte kompensiert werden. Wenn’s nicht so gut laufe, fehlten eben noch Kapazitäten. Hm. Oder Beispiel Rügen: Dort werde es einen Bürgerentscheid geben, an den sich die Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern doch halten müsste. Was dann? Nun ja, da gebe es manchmal einen Konflikt mit lokalen Interessen, aber es gelte ja, die gesamte Energieversorgung sicherzustellen…

Am Ende ist immer Putin schuld

Auf die Frage des Abgeordneten Gebhard (CDU/CSU), ob das GEG für kleinere Kommunen unter 10.000 Einwohnern schon ab 1. Januar 2024 gelte, druckst Habeck herum, es werde gerade drüber nachgedacht, da sei ein „Grat, den man ausbalancieren muss“. Oder: Ob er es ernst meine, wenn er die Drosselung oder Abschaltung der deutschen Industrie erwäge, damit niemand in Polen oder der Ukraine friert? Nun ja, es gebe da europäische Solidaritätsverpflichtungen, „daher müssen wir auch solidarisch sein“. Er meint es also ernst.

Überhaupt ist an allem „der russische Angriffskrieg auf die Ukraine“ schuld, auch wenn Habeck es ist, der die funktionierenden Atomkraftwerke abschaltet und den Strom verknappt und teurer macht. Irgendwie ist es am Ende immer Putin, dieser Hundsfott. Habeck jedenfalls ist „heilfroh, dass wir kein Gas mehr aus Russland bekommen“. Der Abgeordnete Kuban (CDU) spricht eine Unternehmenssteuerreform an, weil deutsche Firmen sonst ins Ausland gelockt würden (Stichwort USA und IRA, also Inflation Reduction Act). Nee, dann würde ja Geld im Haushalt fehlen, ebenso wie bei einer Senkung der Stromsteuer. Er selbst würde sich ja freuen, allein: Wir müssten schließlich die Schuldenbremse einhalten.

Die Abgeordneten Kaufmann und von Storch fragen, ob die 10 Milliarden Euro für die Chipfabrik Intel, also vom deutschen Steuerzahler berappte Subventionen für ausländische Großkonzerne, in denen die Finanzverwalter BlackRock und Vanguard große Anteile haben, wirklich einer Förderung der einheimischen Industrie vorzuziehen sind. Ja, meint Habeck, der deutsche Maschinenbau werde davon profitieren, das gehe alles „tief in die Lieferketten rein“. Aha.

Bloß nicht konkret werden

Thema Wohnungsmangel. Kabinettskollegin Klara Geywitz sieht sich mit Bestrebungen linker Abgeordneter konfrontiert, die sich über angeblich zu großen Wohnraum für Ältere auslassen. Sie habe nichts gegen Wohnungstausch, aber es werde ja schon daran gearbeitet, mehr barrierefreie Wohnungen zu bauen, Umnutzungen von Büro- und Gewerbeflächen zu erleichtern und so weiter. Die AfD-Abgeordnete Bachmann will von ihr wissen, wie hoch der Flächenverbrauch im Lande sei? Es gebe da doch einen Zielkonflikt: Einerseits wolle man bis 2050 auf Netto-Null kommen, andererseits braucht man mehr nutzbare Flächen für PV-Anlagen (Solarstrom), Windradwälder und die vielen Flüchtlinge, die herkämen.

Frau Geywitz sagt, man wolle Flächen doppelt nutzen, spricht von gebrauchten Flächen, in die Höhe bauen, Dachgeschossausbau und Renaturierung, nennt aber keine Zahlen. Bachmanns Fraktionskollege Brandner hakt noch einmal nach, dann konstatiert Geywitz zwei Prozent der jeweiligen Landesfläche für Windenergie im Durchschnitt, bei PV auf dem Dach könne man das nicht sagen, eine Anlage auf dem Dach bedeute ja keinen zusätzlichen Flächenverbrauch.

Daniel Föst (FDP) erinnert daran, dass die Baubranche Alarm schlägt, es gebe Kurzarbeit. Welche Impulse die Bundesregierung denn zu geben gedenke? Frau Geywitz, die einen „Bauüberhang von 800.000 Wohnungen“ einräumt, nennt Planungsbeschleunigung, verlässliche solide Förderstruktur und zusätzliche Mittel in Neubauförderung. 

Nach 100 Minuten haben die beiden Minister es überstanden. Und das Wichtigste: der Chronist auch.

 

Claudio Casula arbeitet als Autor, Redakteur und Lektor bei der Achse des Guten.

Foto: Pixabay

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Michael Woelki / 22.06.2023

@Gerhard Schmidt: “In der Schule hieß es: “Strengt euch an, nur mit gutem Abschluss wird das was!” In der Ausbildung hieß es: “Nur die Besten werden übernommen!” Im Studium hieß es: “Unter Prädikatsexamen geht gar nichts!” Ich habe das (fast) alles unter größten Antrengungen gemacht, um heute von den absoluten Nichts-Leistern Haus, Auto und Vermögen entzogen zu bekommen - Kann es sein, dass man mich damals belogen hat?” Sie haben sowas von recht. Geht mir genauso. Kind aus Arbeiterfamilie, erweiterter Realschulabschluss, Berufsausbildung, Fachhochschulreife, Studium Elektrotechnik, immer gute Noten, guter Abschluss, vorn dabei,  danach eigtl. guter Job in Projektierung, Projektleitung und jetzt im Vertrieb. Und nun löst sich alles in Wohlgefallen auf… es ist zum Heulen… Nun gibt es da ein Jobangebot meiner Fa. aus Dänemark, nur die Family muss noch überzeugt werden…

armin wacker / 22.06.2023

Ein kleines Schmankerl. Heute hat sich der Ministerpräsident von BaWü auf der Hornisgrinde eingefunden, weil er persönlich für ein zweites Windrädle ist, aber leider stünde er auch unter dem Gesetz. Hat nur leider vergessen, dass seine Grünen mit Hilfe der CDU den Schwarzwald als Naturschutzgebiet bzw Nationalpark nach Brüssel gemeldet haben. So ein Pech.

Gus Schiller / 22.06.2023

Kaspertheater halt. Was hatte man denn erwartet? Harten Schlagabtausch, Fehler eingestehen und aufarbeiten, eine klare Linie und Ansage für die Ampelrestlaufzeit? Das ist das beste Deutschland das es je gab. P.S: unter den Top 10 der lebenswertesten Städte ist D nicht mehr gelistet. Der Vorreiter kackt wieder mal ab. Dabei sind Gelsenkirchen, Essen, Castrop-Rauxel, FFM und Balin doch so schöne liebenswerte Orte. Satire off

sybille eden / 22.06.2023

” Der Bundestag spielt Regierungsbefragung”, - genauso wie er auch ” Demokratie ” spielt.

Thomin Weller / 22.06.2023

@Rainer Irrwitz Diese verlogene Regierung sollte doch wissen das das Grab des Stepan Bandera in München ein Wallfahrtsort ist. Es gibt da nette Bilder wie auch geistliche das Grab segnen. Ob der Klitschko dabei war, ist nicht zu erkennen. Und wie gelesen gibts Fakten das die Bundesregierung direkt Asuf mit Waffen unterstützt. Das obwohl die Ukraine den internationalen Vertrag ratifizierte “Nichtstaatliche militärische Sicherheitsunternehmen kontrollieren -Die internationale Konvention gegen die Rekrutierung, Verwendung, Finanzierung und Ausbildung von Söldnern von 1989, in Kraft getreten am 20.Oktober 2001.” Diese Regierung missachtet sämtliche Verträge und hat sämtliche rote Linien, damit auch ihre eigene Legitimierung, überschritten.

Burkhard Mundt / 22.06.2023

Geywitz hat nichts gegen Wohnungstausch? Zuerst Zwangseinquartierungen bei Regierungsmitgliedern und Abgeordneten, die für den ganzen Wahnsinn verantwortlich sind. Warum soll ein zB älteres Ehepaar seine Wohnung für eine 10-köpfige Araberfamilie räumen, die Faeser, Baerbock ins Land gelockt haben?

Rainer Irrwitz / 22.06.2023

die Parlamentspräsidentin ermahnte einen AFDler der Trampolina als Bandera-Bärbock bezeichnet hat, es wäre nicht zulässig die Aussenministerin mit einem Rechtsextremisten in Verbindung zu bringen! Die sind derart blöd, die wissen ja gar nicht mehr ob sie Männlein oder Weiblein sind! Genau mein Humor.

M.Müller / 22.06.2023

Dass es für Sie 110 lange Minuten waren, kann ich verstehen. Denn viel aus Ihrer Sicht verwertbares war scheinbar nicht dabei. Aber überrascht war ich an einer Stelle doch: Kontern Sie Herrn Habecks Hinweis auf 40° in Spanien tatsächlich damit, dass es gestern nur 22 Grad in Bilbao waren? Das ist ja noch fundiertere als es Frau Stockmann ausdrückte, als sie am 16.06. argumentierte, dass wir in D keine Maßnahmen zum Wärmeschutz benötigen, weil wir eine Jahresdurchschnittstemperatur von 10,5 Grad haben. Dass Sie einerseits behaupten, die Grünen und SPD Abgeordneten wären nur als Stichwortgeber dabei, um später zu zeigen, dass er auf eine Frage eines SPD Abgeordneten herumeiert: geschenkt.

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