In Besserverdiener-Haushalten finden sich immer öfter beeindruckende Apparate – von der Kaffeemaschine bis zum Racletteofen. Ich meine, Profigeräte sollten Profis vorbehalten bleiben.
„Soll ich dir einen Espresso machen?“ „Gerne“, sage ich, obwohl ich lieber einen normalen Filterkaffee hätte. Aber der gute Bekannte ist Besitzer einer Kaffeemaschine, einer traditionellen Siebträgermaschine, Profigerät, wie er sagt. Wenn er mal verschwunden ist, dauert es immer eine Zeit. Dann hört man ihn in der Küche werkeln. Kaffee wird – natürlich frisch – gemahlen, das heiße Wasser zischt vernehmlich, wenn es mit was weiß ich wie vielen Bar durchs Kaffeemehl gepresst wird.
Irgendwann erscheint er stolz mit zwei Tässchen brauner Flüssigkeit, meines ist schon nicht mehr ganz heiß. Wenn man bei ihm unvorsichtigerweise einen Cappuccino ordert, dauert es noch länger. Denn dann muss ja noch die Milch fachgerecht aufgeschäumt und hernach der Druckluftstutzen gereinigt werden. Manchmal hört man ein Fluchen aus der Küche, wenn sich der Schaum nicht vorschriftsmäßig auf dem Kaffee, sondern der Anrichte verteilt hat.
Das geschmackliche Ergebnis ist meist nicht schlecht, aber auch nicht umwerfend. Wie gesagt, ein ordentlich gebrühter Filterkaffe hätte es auch getan und dann stünde vor einem eine volle Kaffeekanne, aus der sich à volonté nachschenken ließe. Denn ein Tässchen Espresso oder ein Cappuccino hält nicht lange vor. Zum Frühstück brauche ich mindestens zwei bis drei Portionen. Wenn man die nacheinander an der Siebträgermaschine braut, sind die Brötchen längst vertilgt, bevor die letzte Tasse auf dem Tisch steht.
Die Potenziale kann meist nur ein Fachmann ausschöpfen
Ich meine, Profigeräte sollten Profis vorbehalten bleiben. Im Fall der Kaffeemaschine also Leuten, die den ganzen Tag nichts anderes machen als Kaffee zu kochen. In Italien ist das ein eigener Beruf – der des Barista. Ein Espresso oder Cappuccino schmeckt nur dann perfekt, wenn man den Dreh raushat. Alles muss stimmen: Kaffeesorte, Mahlgrad des Kaffees, Wasserdruck, Temperatur, Verdichtungsgrad des Kaffeepulvers im Siebträger – dafür gibt es sogar Tamper („Stampfer“) mit automatischer Druckregulierung, sogenannte dynamometrische Tamper.
Und das alles muss zudem auf eine geheimnisvolle Weise mit der Qualität, vor allem dem Härtegrad des Wassers zusammenstimmen. Was nur gelingt, wenn man jeden Tag nicht vier, sondern 400 Tassen zubereitet. Ein echter Barista hat das im Gefühl. Einem Laien gelingt es mal besser, mal schlechter, aber die Potenziale einer Profimaschine kann in der Regel nur ein Fachmann ausschöpfen.
Für mich sind die sogenannten Profigeräte im Privathaushalt reine Protzerei. Neben Kaffeemaschinen sind bei besserverdienenden Feinschmeckern auch Aufschnittgeräte in Retrooptik sehr gefragt, solche, wie man sie im italienischen Feinkostladen sieht oder beim Edelitaliener. Die teuersten stehen frei auf einem schweren Metallfuß und verfügen über ein Schwungrad, mit dem man das rotierende Messer und den Schlitten in Bewegung setzen kann, auf dem ein ausreichend großes Stück Schinken oder Wurst eingespannt ist. Solch eine Maschine, oft grellrot lackiert, ist ein Hingucker. Leider muss man sie hernach gründlich reinigen, will man nicht riskieren, dass der Aufschnitt einen ranzigen Beigeschmack bekommt.
Und dann gibt es noch das Problem mit dem Schinkenstück. Einmal aus der Vakuumverpackung befreit und angeschnitten, muss es innerhalb einer bestimmten Frist aufgebraucht werden. Doch spätestens nach dem dritten Tag Prosciutto di Parma wünscht man sich endlich wieder eine Lage guter, deutscher Schinkenwurst.
Überproduktion, Überkonsum und Überdruss
Ich besitze zwar keine Aufschnittmaschine, war aber trotzdem so unvorsichtig, mir bei meinem letzten Italienbesuch ein etwa Kilo schweres Stück Parmaschinken zu kaufen. Es gelang mir zwar, mit einem scharfen Messer hinreichend dünne Scheiben abzusäbeln, doch als das Trumm nach zwei Wochen fast täglichen Konsums immer noch nicht merklich kleiner geworden war, schwor ich mir, das nächste Mal einfach wieder den italienischen Feinkosthändler um die Ecke zu frequentieren. Dort ist der Schinken zwar teurer, aber man muss ihn nur dann essen, wenn man Appetit darauf hat.
Das Problem des (zu) großen Stücks stellt sich auch ein, wenn man sich unvorsichtigerweise einen profimäßigen Racletteofen angeschafft hat. Dabei handelt es sich um ein Gerät, mit dem der Käse „am Laib“ geschmolzen wird. „Der rotglühende Rohrheizkörper des Gerätes vermittelt uns das Schauspiel eines großen Haufens von Holzglut in einer Gegend mit Felsen, Bächen, Wäldern und Weiden“ liest man in einer blumigen Beschreibung des TTM DS 2000 Racletteofens der Firma Traitements Termique (TTM) SA im Schweizer Kanton Wallis. „Auf dem schwenkbaren Käsehalter ist der Raclette-Käse aufgesteckt. Er wird nun nahe an den Glutkörper herangeschoben. Die Hitze der Glut des TTM-Raclettegerätes weicht gleichmäßig den Käseteig auf. Bald beginnt er sich zu blähen, zu brutzeln und zu schmelzen.“
Raclette direkt vom Laib ist in der Tat etwas Wunderbares, doch droht auch in diesem Fall Überkonsum und irgendwann Überdruss, denn ein halber Raclettekäse wiegt immerhin 2,5 bis drei Kilogramm. Das ist viel, aber nicht so viel wie ein profimäßiger Pizzaofen auf die Waage bringt. Ein solches Gerät wiegt wegen des schweren Schamottsteins gute hundert Kilo, mehr als eine Waschmaschine. Hat es der Lieferdienst unter Flüchen einmal in die Küche gewuchtet, wird man es so schnell nicht wieder los. Und die Euphorie, zu Hause „Pizza wie beim Neapolitaner“ backen zu können, verfliegt meist ziemlich schnell. Hier ist das pièce de résistance der Hefeteig, dessen Zubereitung vergleichsweise viel Arbeit macht. Erfahrungsgemäß wird ein solcher Ofen höchstens alle zwei bis vier Wochen einmal angeworfen und verbraucht dann so viel Strom wie ein Elektro-SUV. Ansonsten macht ein Pizzaofen das, was auch andere Profigeräte machen: Sie stehen mehr oder weniger dekorativ in der Gegend herum.
Georg Etscheit schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.