Georg Etscheit / 25.02.2024 / 12:00 / Foto: Pixabay / 19 / Seite ausdrucken

Cancel Cuisine: Über Profigeräte

In Besserverdiener-Haushalten finden sich immer öfter beeindruckende Apparate – von der Kaffeemaschine bis zum Racletteofen. Ich meine, Profigeräte sollten Profis vorbehalten bleiben.

„Soll ich dir einen Espresso machen?“ „Gerne“, sage ich, obwohl ich lieber einen normalen Filterkaffee hätte. Aber der gute Bekannte ist Besitzer einer Kaffeemaschine, einer traditionellen Siebträgermaschine, Profigerät, wie er sagt. Wenn er mal verschwunden ist, dauert es immer eine Zeit. Dann hört man ihn in der Küche werkeln. Kaffee wird – natürlich frisch – gemahlen, das heiße Wasser zischt vernehmlich, wenn es mit was weiß ich wie vielen Bar durchs Kaffeemehl gepresst wird. 

Irgendwann erscheint er stolz mit zwei Tässchen brauner Flüssigkeit, meines ist schon nicht mehr ganz heiß. Wenn man bei ihm unvorsichtigerweise einen Cappuccino ordert, dauert es noch länger. Denn dann muss ja noch die Milch fachgerecht aufgeschäumt und hernach der Druckluftstutzen gereinigt werden. Manchmal hört man ein Fluchen aus der Küche, wenn sich der Schaum nicht vorschriftsmäßig auf dem Kaffee, sondern der Anrichte verteilt hat.

Das geschmackliche Ergebnis ist meist nicht schlecht, aber auch nicht umwerfend. Wie gesagt, ein ordentlich gebrühter Filterkaffe hätte es auch getan und dann stünde vor einem eine volle Kaffeekanne, aus der sich à volonté nachschenken ließe. Denn ein Tässchen Espresso oder ein Cappuccino hält nicht lange vor. Zum Frühstück brauche ich mindestens zwei bis drei Portionen. Wenn man die nacheinander an der Siebträgermaschine braut, sind die Brötchen längst vertilgt, bevor die letzte Tasse auf dem Tisch steht. 

Die Potenziale kann meist nur ein Fachmann ausschöpfen

Ich meine, Profigeräte sollten Profis vorbehalten bleiben. Im Fall der Kaffeemaschine also Leuten, die den ganzen Tag nichts anderes machen als Kaffee zu kochen. In Italien ist das ein eigener Beruf – der des Barista. Ein Espresso oder Cappuccino schmeckt nur dann perfekt, wenn man den Dreh raushat. Alles muss stimmen: Kaffeesorte, Mahlgrad des Kaffees, Wasserdruck, Temperatur, Verdichtungsgrad des Kaffeepulvers im Siebträger – dafür gibt es sogar Tamper („Stampfer“) mit automatischer Druckregulierung, sogenannte dynamometrische Tamper. 

Und das alles muss zudem auf eine geheimnisvolle Weise mit der Qualität, vor allem dem Härtegrad des Wassers zusammenstimmen. Was nur gelingt, wenn man jeden Tag nicht vier, sondern 400 Tassen zubereitet. Ein echter Barista hat das im Gefühl. Einem Laien gelingt es mal besser, mal schlechter, aber die Potenziale einer Profimaschine kann in der Regel nur ein Fachmann ausschöpfen. 

Für mich sind die sogenannten Profigeräte im Privathaushalt reine Protzerei. Neben Kaffeemaschinen sind bei besserverdienenden Feinschmeckern auch Aufschnittgeräte in Retrooptik sehr gefragt, solche, wie man sie im italienischen Feinkostladen sieht oder beim Edelitaliener. Die teuersten stehen frei auf einem schweren Metallfuß und verfügen über ein Schwungrad, mit dem man das rotierende Messer und den Schlitten in Bewegung setzen kann, auf dem ein ausreichend großes Stück Schinken oder Wurst eingespannt ist. Solch eine Maschine, oft grellrot lackiert, ist ein Hingucker. Leider muss man sie hernach gründlich reinigen, will man nicht riskieren, dass der Aufschnitt einen ranzigen Beigeschmack bekommt.  

Und dann gibt es noch das Problem mit dem Schinkenstück. Einmal aus der Vakuumverpackung befreit und angeschnitten, muss es innerhalb einer bestimmten Frist aufgebraucht werden. Doch spätestens nach dem dritten Tag Prosciutto di Parma wünscht man sich endlich wieder eine Lage guter, deutscher Schinkenwurst.

Überproduktion, Überkonsum und Überdruss

Ich besitze zwar keine Aufschnittmaschine, war aber trotzdem so unvorsichtig, mir bei meinem letzten Italienbesuch ein etwa Kilo schweres Stück Parmaschinken zu kaufen. Es gelang mir zwar, mit einem scharfen Messer hinreichend dünne Scheiben abzusäbeln, doch als das Trumm nach zwei Wochen fast täglichen Konsums immer noch nicht merklich kleiner geworden war, schwor ich mir, das nächste Mal einfach wieder den italienischen Feinkosthändler um die Ecke zu frequentieren. Dort ist der Schinken zwar teurer, aber man muss ihn nur dann essen, wenn man Appetit darauf hat.

Das Problem des (zu) großen Stücks stellt sich auch ein, wenn man sich unvorsichtigerweise einen profimäßigen Racletteofen angeschafft hat. Dabei handelt es sich um ein Gerät, mit dem der Käse „am Laib“ geschmolzen wird. „Der rotglühende Rohrheizkörper des Gerätes vermittelt uns das Schauspiel eines großen Haufens von Holzglut in einer Gegend mit Felsen, Bächen, Wäldern und Weiden“ liest man in einer blumigen Beschreibung des TTM DS 2000 Racletteofens der Firma Traitements Termique (TTM) SA im Schweizer Kanton Wallis. „Auf dem schwenkbaren Käsehalter ist der Raclette-Käse aufgesteckt. Er wird nun nahe an den Glutkörper herangeschoben. Die Hitze der Glut des TTM-Raclettegerätes weicht gleichmäßig den Käseteig auf. Bald beginnt er sich zu blähen, zu brutzeln und zu schmelzen.“

Raclette direkt vom Laib ist in der Tat etwas Wunderbares, doch droht auch in diesem Fall Überkonsum und irgendwann Überdruss, denn ein halber Raclettekäse wiegt immerhin 2,5 bis drei Kilogramm. Das ist viel, aber nicht so viel wie ein profimäßiger Pizzaofen auf die Waage bringt. Ein solches Gerät wiegt wegen des schweren Schamottsteins gute hundert Kilo, mehr als eine Waschmaschine. Hat es der Lieferdienst unter Flüchen einmal in die Küche gewuchtet, wird man es so schnell nicht wieder los. Und die Euphorie, zu Hause „Pizza wie beim Neapolitaner“ backen zu können, verfliegt meist ziemlich schnell. Hier ist das pièce de résistance der Hefeteig, dessen Zubereitung vergleichsweise viel Arbeit macht. Erfahrungsgemäß wird ein solcher Ofen höchstens alle zwei bis vier Wochen einmal angeworfen und verbraucht dann so viel Strom wie ein Elektro-SUV. Ansonsten macht ein Pizzaofen das, was auch andere Profigeräte machen: Sie stehen mehr oder weniger dekorativ in der Gegend herum.

 

Georg Etscheit schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.

Foto: Pixabay

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Leserpost

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Jan Kandziora / 25.02.2024

Weiß nicht. Es gibt für die Gastronomie Herde, die für gemischte Kleinstportionen gedacht sind, und bei denen man so zwölf oder mehr winzigkleine Kochmulden hat. Steakhäuser haben das ab und an. Kann man mit den dazugehörigen Mini-Pfännchen sogar zum Frittieren nehmen. Jedes einzelne Feld fährt ein Programm aus Aufheizen, Kochen, Warmhalten ab. Im Prinzip kann man damit perfek kochen, während man völlig knülle ist und kein Zeitgefühl mehr hat, vorausgesetzt, man hat das in einem wachen Moment alles schonmal gekocht, so dass der Herd es nachmachen kann. Und vor allem eben: kleine Portionen.

Ulrich Viebahn / 25.02.2024

Herr Etscheit, Sie sind ja richtig vernünftig!

W. Renner / 25.02.2024

Gut erkannt. Hätten diese Leute all die Jahre beim Metzger, Bäcker, auf dem Markt, im Feinkost- oder Hofladen Haushaltsgerechte Portionen jeweils Tagesfrisch gekauft, bräuchte es ganzen Profi Schischi nicht und das Handwerk hätte noch Chancen, mit frischen, hochwertigen Lebensmitteln. Aber mit dem Filterkaffee muss ich ihnen entschieden widersprechen. Die erste Tasse mag ja noch geniessbar sein, aber spätestens die dritte schmeckt wie eingeschlafene Füsse. Ein Vollautomat, jede Tasse frisch gemahlen. Kaffeesorte und Wasserqualität macht’s dann individuell perfekt.

J. Mueller / 25.02.2024

Im Prinzip ist das Resourcen-Verschwendung, aber was soll es, wenn jemand das Geld und sich mit den Geräten eine Freude macht, warum nicht? Besser als wenn er sich ein übermotorisiertes Fahrzeug kauft, Rennen mit den Neudeutschen in den Städten fährt und Unbeteiligte zu Schaden kommen.

L. Luhmann / 25.02.2024

Seit den 80er Jahren schätze ich Nescaffee Classic sehr, denn dieser Caffee schmeckt in Barcelona genauso gut wie in Bombay.

Knapp,Heinerich / 25.02.2024

Wohltuender Bericht !  Weniger ist mehr !  Genauso mach ich es auch : Kaffeebohnen von verschiedenen kleine Röstereien beziehen, manchmal sogar mit Vor-Ort-Verkostung. Max. 6-8 Portionen fein mahlen und dann mit dem aktuellen Modell Krups T 8.2 zelebrieren. Ergebnis : sehr heißer und genußvoller Filterkaffee vom Feinsten. Die T8 wird seit Jahrzehnten immer noch gebaut unter Beibehaltung des Brühprinzips. In den Anfangsjahren gab es sogar eine T12. Andere Kaffeemaschinen habe ich nie besessen. Solange es Rundfilter 100mm gibt, werde ich diese Maschine benutzen. Sollte es ab und zu mal Espresso oder Cappucino sein, dann muss die fast zwanzig Jahre alte, topgewartete Analog-Gaggia Siebträgermaschine ran.

Anna Scheufele / 25.02.2024

Prinzipiell gilt: Je profimäßiger und glänzender die Gerätschaften in der Küche, desto dürftiger die Kochkunst.

Jürgen Fischer / 25.02.2024

Ochgott, warum sollte jemand, der zuviel Geld hat, das nicht für sowas ausgeben dürfen? Unsere Politiker machen’s doch auch.

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