112-Peterson: Unser Kampf mit Gott

Die Vorstellung, dass Gottes Auserwählte gleichzeitig mit ihm kämpfen, ist eine interessante Idee. Denn die Genesis vermittelt nicht den Eindruck, dass die Gläubigen die Auserwählten sind. Sondern die, die mit Gott hadern.

Mein neues Buch wird „We who wrestle with God“, also „Wir, die wir mit Gott kämpfen“, heißen. Der Titel ist von der Bedeutung des Wortes „Israel“ abgeleitet. 2017 hatte ich eine Vorlesungsreihe zur „Genesis“. Im Buch der Genesis gibt es die Geschichte vom Kampf Jakobs mit einem Engel. Oder auch seines Kampfes mit Gott, denn die Geschichte ist sehr ambivalent. Jakob kämpft also die ganze Nacht mit dem Engel beziehungsweise Gott und hinterher ist seine Hüfte verletzt. Dennoch geht er siegreich hervor, was seltsam ist, um das Mindeste zu sagen. Denn man kann sich kaum vorstellen, einen Kampf mit einem Engel oder Gott gewinnen zu können.

Gott beziehungsweise der Engel gibt Jakob am Morgen einen neuen Namen: „Israel“ – „Er kämpft wider Gott“. Das Volk Israel ist also das auserwählte Volk – „Die, die mit Gott kämpfen“. Das hat mich sehr beeindruckt, weil wir alle das im Grunde tun. Menschen, die eher atheistisch eingestellt sind, finden das wahrscheinlich lächerlich. Ich würde jedoch sagen, dass Atheisten viel mehr mit Gott kämpfen als irgendjemand anders. Denn ihr Kampf ist zu einem Eckstein ihrer Existenz geworden. Sie mögen gegen das religiöse Unternehmen als solches sein, sind aber trotzdem besessen von moralischen und ethischen Themen. Egal ob man also Gott folgt oder sich ihm widersetzt – wir stecken im Kampf mit ihm fest.

Die Vorstellung, dass Gottes Auserwählte gleichzeitig mit ihm kämpfen, ist eine interessante Idee, weil die Geschichte nicht den Eindruck vermittelt, dass die Gläubigen die Auserwählten sind. Sondern die, die mit Gott hadern. Und dass dieses Hadern intensiv genug sein kann, um Schaden anzurichten. Wenn man aus einem Kampf mit Gott mit einer Hüftverletzung herausgeht, kann man es wohl für eine gute Partie halten.

Und gleichzeitig ist es so seltsam, dass eine Person, die sich in gutem Glauben darauf einlässt, siegreich daraus hervorgehen könnte. Man könnte sich kaum etwas Optimistischeres vorstellen. Mich hat also die Idee beeindruckt, dass Gottes Auserwählung darin besteht, mit dem Höchsten zu kämpfen. Nicht einfach zu glauben, sondern dagegen zu kämpfen. Gewissermaßen von der Frage besessen zu sein, was am höchsten stehen sollte. Vielleicht ist man der Ansicht, dass nichts ganz oben stehen sollte. Das ist natürlich ein Problem, denn was soll man dann tun? Ist man dann in 50 verschiedene Richtungen gespalten, wenn nichts am höchsten steht? Regiert dann Verwirrung und Chaos, wenn man psychologisch nicht um einen bestimmten Punkt herum ausgerichtet ist?

Ist man dann nicht durcheinander, chaotisch und hoffnungslos? Und trifft nicht dasselbe auf eine Gesellschaft zu, die nicht um ein zentrales Ziel herum gruppiert ist? Die nicht eine gemeinsame Vision teilt und von ihr motiviert ist? Würde das nicht implizieren, dass es eine Einigkeit der Ziele gibt? Denn die Alternative wäre die Uneinigkeit oder Abwesenheit der Ziele. Keines von beidem erscheint besonders positiv. Wie wäre es, wenn dieser Zweck im Akt des Kampfes gefunden würde? Nicht in Form eines totalitären Glaubens oder eines Glaubens, der die Abkehr von der Vernunft fordert. Und nicht in Form des blinden Folgens von Ideologie. Und auch nicht mittels hoffnungslos und ätzend bitterem Zynismus. Sondern durch den Akt des Streitens selbst. Das ist solch eine optimistische Idee!

 

Dies ist ein Auszug aus einem Video von Jordan B. Peterson.

Foto: Gage Skidmore CC BY-SA 2.0 via Wikimedia Commons

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Klaus Keller / 07.02.2024

Das Himmelreich ist Nahe! Inwendig in euch, meinte mal ein Aktivist in Judäa, der vom Töten in der römischen Provinz vor 2000 Jahren genug hatte. Ich habe den Namen leider vergessen. Das Problem besteht dann nur noch darin das manche Leute das Himmelreich gegen andere Meinungen erzwingen wollen und sich berechtigt sehen diese anderen erschlagen zu dürfen. +++ „Die, die mit Gott kämpfen“ Gruppen dieser Art, gibt es viele. Ich gebe zu das so ein Wahn zuversichtlich machen kann. Das häufigste Ergebnis ist aber leider das es in diesen Kämpfen zuverlässig oft viele Tote gibt. In 3.000 Jahren Geschichte hat man scheinbar nichts gelernt. Man könnte zeitlich aber früher ansetzen. Althistoriker dürften da mehr Wissen und man kann es ja nicht nur denen in die Schuhe schieben die es zufällig aufgeschrieben und auch noch darauf stolz sind. Ich meine den Teil mit Mord und Todschlag, genauer den Krieg im Namen des Ewigen.

Sam Lowry / 07.02.2024

“Niemand kann sich vorstellen, wie groß mein Wunsch ist, das Feuer der Liebe und des Friedens in der ganzen Welt anzuzünden.” (Mutter Teresa) Ich sage es mal in meinen Worten: “Liebe ist das Einzige, das NIEMALS sterben kann.” Meine “Dualseele” werde ich auch nach meinem irdischen Dasein noch lieben… ewig!

A. Ostrovsky / 07.02.2024

@Johannes Schuster : Es gibt einen großen Unterschied zwischen dem, was ist und dem, was wir wissen. Es ist die Diskrepanz zwischen einem Modell und der Realität. Auf diese Diskrepanz können Sie alle Krisen der Menschheit zurückführen. Mathematiker, Modellbildner, haben uns erzählt, wir würden in einem vierdimensionalen Raum-Zeit-Kontinuum leben. Die glauben das echt, weil sie die Realität nicht sehen. Wir leben auf einer endlichen Fläche und die vierte Dimension können wir nicht beeinflussen, geschweige denn verstehen. Dem unendlichen Modell der Mathematiker, das die Astrologen verschreckt, haben sie das Bild des Endlichen entgegengesetzt, ein Universum, von dem wir einen Anfang kennen. Irgendein Scherzkeks hat mal auf die Frage, wie das alles entstanden wäre, geantwortet, es wäre sicher in einem großen Knall passiert. Und schon haben die Modellbildner das dankend angenommen und eine ganze Theorie um den Urknall gesponnen. Dann kamen die Theologen, die die Frage klären wollten, wie lange nach diesem Knall der Pharao Tutmosis geboren wurde. Und weil es verschiedenste Ergebnisse des Grübelns gab, hat man erfunden, dass es nicht nur einen Tutmosis gab, sondern gleich mehrere. Ein echtes Problem entsteht, wenn die Gesellschaft als ganze nicht mehr zwischen Modell und Wirklichkeit unterscheiden kann. Dann kleben sich junge Leute auf der Straße fest, weil irgendein ausgefipptes Computermodell ausgerechnet hat, dass 2100 die Erdmitteltemperatur (auch ein Modell) 50°C erreichen würde. Das kann man alles nicht ernst nehmen. Einige, die die Beschränkungen unseres Denkens ahnen, entwickeln sofort wahnsinnig teure Strategien, wie wir die Beschränkungen tatsächlich überwinden könnten. Da wird - weil wir auf einer endlichen Fläche leben - zum Mond und zum Mars gestartet, als könnten wir jemals dort leben, und weil wir gar nicht verstehen, was Zeit ist, erzählen uns einige Fanatiker etwas von Zeitreisen geflügelter Engel. Die spinnen alle. Die wissen es nicht anders.

Sam Lowry / 07.02.2024

„Sollte ich jemals eine Heilige werden, dann werde ich zweifellos eine Heilige der ‚Finsternis’ sein. Ich werde mich nie im Himmel aufhalten, sondern das Licht derer entzünden, die auf Erden im Dunkel leben. “ Gonxha Agnes Bojaxhu – bekannt als Mutter Teresa – schrieb diese Sätze 1959. (Quelle: Internet)

A. Ostrovsky / 07.02.2024

Kampf MIT Gott ist inhaltlich Nonsens. Die Söhne der Finsternis kämpfen ja GEGEN Gott. Und die Aggression geht immer von denen aus, nicht von Gott. Gott setzt nicht auf Kampf, er hat andere Mittel. Miserable Übersetzung.

Erwin Schmidt / 07.02.2024

Peterson geht hier von der üblichen Auslegung dieser Geschichte aus. Es gibt aber eine alternative Auslegung, die diese Begebenheit so versteht, dass „Gott“ die finstere Engelmacht ist, hinter Esaus Familie steht und die gegen Gott und Jakob agiert. Dieser Engel fürchtet das Licht und schadet denen, die auf Gottes Seite stehen. Und dieser Engel kann Jakob nicht besiegen. Jakob sagt später, dass er Esaus Angesicht wie Gottes Angesicht gesehen hätte (1Mose 33, 10). Engel werden auch an anderer Stelle als Götter/Elohim bezeichnet (siehe z.B. Psalm 8, 6 zitiert in Heb 2, 7). Ich halte diese alternative Auslegung für schlüssiger. Damit lässt sich Petersons Argumentation nicht mehr begründen.

Thomas Taterka / 07.02.2024

Verhör zur politischen Gesinnung : ” Glauben Sie an Gott ? ” - ” Das bespreche ich mit IHM allein . “

G. Kramler / 07.02.2024

Ach, das ist doch veraltet! Wir Auserwählten kämpfen längst mit dem Klimawandel, der Energiewende, der Gesamtintegration, und - sehr bedenklich - gegen Rechts.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Jordan B. Peterson, Gastautor / 17.04.2024 / 11:30 / 6

112-Peterson: Die Tiefen des Unterbewussten

Uns ist eine ganze Menge unbekannt hinsichtlich der Struktur von Erfahrungen und der Realität. Wir haben unsere artikulierten Repräsentationen der Welt, doch außerhalb davon gibt…/ mehr

Jordan B. Peterson, Gastautor / 10.04.2024 / 11:00 / 15

112-Peterson: So könnten Konservative gewinnen

Die jungen Leute, mit denen ich bislang auf der ganzen Welt gesprochen habe, sehnen sich danach, eine vernünftige Geschichte über Identität zu hören. Diese könnten…/ mehr

Jordan B. Peterson, Gastautor / 27.03.2024 / 11:00 / 26

112-Peterson: Mitgefühl als Waffe

Die bösartigsten Menschen nehmen das höchste Gut und verkehren es ins Gegenteil. Zum Beispiel durch den Missbrauch der Barmherzigkeit. Das Böse überkommt uns am Effektivsten…/ mehr

Jordan B. Peterson, Gastautor / 20.03.2024 / 10:00 / 42

112-Peterson: Was ist Glaube?

Ich hasse die Frage, ob ich an Gott glaube. Denn die meisten Leute wissen nicht, was sie eigentlich damit meinen. Vor allem von Christen werde…/ mehr

Jordan B. Peterson, Gastautor / 13.03.2024 / 11:00 / 19

112-Peterson: Finger weg von meinem Auto!

Im Westen werden Autos immer mehr bekämpft. Unter anderem duch die "C40-Agenda". Deren Pläne lesen sich wie der Alptraum eines Verschwörungstheoretikers. Ich habe mit wachsender…/ mehr

Jordan B. Peterson, Gastautor / 06.03.2024 / 11:00 / 5

112-Peterson: „15-Minuten“-Stadt als digitales Gefängnis

Die Idee der „15-Minuten-Städte“ wurde in kürzester Zeit von moralisierenden Utopisten in ein digitales Gefängnis verwandelt. Als die Idee der „15-Minuten-Städte“ aufkam, fand ich es…/ mehr

Jordan B. Peterson, Gastautor / 28.02.2024 / 10:00 / 14

112-Peterson: Was ist geistige Gesundheit?

Im Laufe der Zeit ist mir klar geworden, dass unsere links-protestantische Definition von Vernunft oder geistiger Gesundheit falsch ist. Wir haben die Tendenz zu glauben,…/ mehr

Jordan B. Peterson, Gastautor / 21.02.2024 / 10:00 / 38

112-Peterson: Verliere ich meine Berufserlaubnis?

Jordan B. Peterson läuft Gefahr, seine Berufserlaubnis zu verlieren. Grund ist unter anderem ein Tweet gegen die kanadische Regierung. Jordan B. Peterson läuft Gefahr, seine…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com