Beda M. Stadler, Gastautor / 09.08.2015 / 06:30 / 5 / Seite ausdrucken

Wollen sie Ewig leben?

Möchten Sie ewig leben? Was fällt jemanden ein, wenn er sich vorstellt, dass es immer weiterginge? NZZ-Folio hat bei acht Prominenten nachgefragt. Bei mir auch. Und hier ist meine Antwort:

Viele Menschen glauben, es gebe ein zweites ewiges Leben. Unsere Vorfahren wären demnach schon eine ganze Weile in der Ewigkeit. Da die Ewigkeit keinen Anfang und kein Ende hat, ist dies ein lustiger Gedanke. Trotzdem scheint der Gedanke vielen Trost zu spenden, obwohl die Kirchen dabei Misstrauen verbreiten. Ich habe nämlich noch nie eine katholische Kirche gesehen, die den Himmel illustriert. Die Hölle wird hingegen sehr realistisch dargestellt, als Strafe für ein genussvolles Leben. Es ist also einfacher, sich die Ewigkeit als Hölle vorzustellen, und das ist auch richtig so. Wer ewig leben will, sollte sich nämlich den Ort gut aussuchen. Momentan wäre Nordkorea oder ein IS-Harem kein besonders guter Start für die Ewigkeit. Auch viele Sprichwörter würden obsolet. «Verschiebe nicht auf morgen, was du heute kannst besorgen» würde wohl keinen Sinn mehr machen. Unsere meisten Tugenden sind nämlich an die Zeit gebunden, und in der Ewigkeit gäbe es ja keine Zeit oder Weltrekorde. Es gibt somit keine grössere, gähnende Langeweile als die Ewigkeit. Gäbe es eine Hölle, so wäre es die Ewigkeit.

Das einzig Schöne an der Ewigkeit ist ihre mathematische und philosophische Gemeinsamkeit, dass sie nämlich vorstellbar, aber nie zur menschlichen Realität gehören wird. Ein mathematischer Punkt hat ja auch keine Ausdehnung, weshalb ich auch nie dorthin gelangen möchte, dort ist nichts, ausser der Ewigkeit. Weil am Ende der Evolution die Selbstreflexion steht, geziemt es sich durchaus, sich mit philosophischen Umständen auseinanderzusetzen, die es in der Realität nicht gibt, etwa das «Nichts» oder die «Ewigkeit».

In unserer Alltagssprache nehmen wir deshalb die Ewigkeit nicht mehr ernst. Wer sich ewige Liebe schwört, weiss, das jede zweite Ehe geschieden wird. Statt ewiger Treue sollten wir uns ewigen Selbstbetrug versprechen, damit ginge wenigstens etwas in Erfüllung. Die meisten Mitbürger ernähren sich trotzdem mit dem Ziel, ewig und gesund auf diesem Planeten zu leben. Der irrationale Glaube an die Ewigkeit geht so weit, dass sie sogar die Erde retten möchten, was nun völliger Unsinn ist. Seit wir nämlich begonnen haben, diesen Planeten urbar zu machen, geht es uns allen wesentlich besser. Die Erde in ihrem Urzustand wäre ein sehr unwirtlicher Ort. Mir sind Antibiotikaresistenzen und Pestizide lieber als Pocken und Dinosaurier.

Weil ich weiss, dass ich nur ein Leben habe, bin ich frei vom Wunsch nach einem zweiten oder ewigen Leben. Ich möchte, dass es mir jetzt und nicht erst in der Ewigkeit gutgeht. Diesem Grundsatz werde ich ewig treu bleiben.

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Leserpost

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Johannes Fritz / 09.08.2015

Abgesehen von einem Satz kein besonderer Artikel, er ist voll von der üblichen atheistischen Hoffnungslosigkeit, die sich einstellt, wenn man mal eine Weile darüber nachdenkt. Dieser Satz jedoch ist gut: “Der irrationale Glaube an die Ewigkeit geht so weit, dass sie sogar die Erde retten möchten, was nun völliger Unsinn ist.” Das stimmt! Wären wir ewig hier und - wie im Text geschehen - man schließt einen Gott aus der Rechnung aus, ist es tatsächlich völlig egal, ob man die Erde rettet oder sie gerade mit Absicht versaut. Der Grund ist, dass das Universum früher oder später den Kältetod stirbt, nach dem zweiten Gesetz der Thermodynamik, es ist irgendwann schlicht keine nutzbare Energie mehr übrig, sie ist komplett verbraucht und es wird kalt&finster;. Gute Nacht, Marie. Und dann ist es wirklich egal, was wir getan oder gelassen haben, es läuft ja doch auf das exakt Gleiche hinaus. Mutter Theresa oder Väterchen Stalin, völlig wurscht.

Dr. Heinz-Jürgen Loth / 09.08.2015

Das Paradies der Unsterblichkeit wäre sicherlich die Hölle! Pascal Mercier (alias Peter Bieri) lässt in seinem Roman “Nachtzug nach Lissabon”(2004) Amadeo Prado sagen: “Es ist der Tod, der dem Augenblick seine Schönheit gibt und seinen Schrecken. Nur durch den Tod ist die Zeit eine lebendige Zeit. Warum weiß das der HERR nicht, der allwissende Gott? Warum droht er uns mit einer Endlosigkeit, die unerträgliche Ödnis bedeuten müßte.” Das ist ein Dilemma, für das es in Christentum, Islam und Judentum keinen Ausweg gibt. Die Konfuzianer Ostasiens sind zu beneiden, da sie sich nicht mit einem strafenden/belohnenden Gott abplagen müssen! Ihre Reflexion richtet sich auf diese Welt und dieses Leben.  

Martin Johannes Marhoff / 09.08.2015

Ewiges Leben gibt es nicht, wenn das Universum aufhört zu existieren, spätestens dann ist es vorbei!

Dr.med.Johannes Schneider / 09.08.2015

Ihnen sind Antibiotikerresistenzen lieb, sogar lieber als Pocken. Gegen Pocken halfen Antibiotiker bislang, nun mehr und mehr nicht mehr. Sie sollten einmal zu uns in die Charité kommen und Patienten kennen lernen, denen aufgrund der Antibiotikerresistenzen nicht mehr geholfen werden kann. Wünschten Sie sich dann das gleiche Schicksal zu erleiden? Immerhin, man lebt nur einmal.

Stephan Reisfeld / 09.08.2015

Kleine Anekdote aus meiner Konfirmantenzeit: Mein Pfarrer erzählte, es gäbe im Protestantismus keine Hölle. Fand das ziemlich lau. Wie auch die 50x Kirchgang plus einmal pro Woche 2 Stunden Konfirmatenunterricht (einzige Abwechslung: Mareike mit viel Blond mit Oberweite). Immerhin, am Ende hatte ich 3.000 DM zusammen (Stundensatz: 20DM) und genügend Badetücher und Waschlappen für ein ganzes Leben. Für Mareike hats leider nicht gereicht.

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