Rainer Bonhorst / 06.08.2013 / 22:16 / 3 / Seite ausdrucken

Wo ist der Skandal?

Die neuen Enthüllungen über das Doping-Programm der alten Bundesrepublik haben wie eine Bombe in westdeutschen Sportlerkreisen eingeschlagen. Wie konnte es passieren, fragen sich viele Sportfunktionäre entsetzt, dass das westliche Doping-Programm so viel schlechter war als das der DDR? Gedopt wurde, wie wir jetzt wissen, diesseits und jenseits der Mauer, die Medaillen aber holten immer wieder die Sportler der DDR. Wenn man bedenkt, wie viel auch in Westdeutschland von politischer Seite für das Doping getan wurde, so könne die im Westost-Vergleich magere westliche Medaillenausbeute nur als ein Skandal bezeichnet werden.

Mit ungläubigem Staunen muss die Fachwelt zur Kenntnis nehmen, dass die westdeutsche Doping-Forschung trotz aller staatlicher Unterstützung offenbar meilenweit hinter der Entwicklung in der DDR zurückblieb. Wie es scheint, haben bei annähernd gleichen Ausgangsbedingungen die ostdeutschen Doping-Experten mit ungleich größerem sportlichem und wissenschaftlichem Ehrgeiz gearbeitet als die westdeutschen.

Angesichts dieser Erkenntnis stellt sich die Frage, ob sich das sozialistische System am Ende nicht doch als dem kapitalistischen überlegen erwiesen hat. Westdeutsche Doping-Experten nahmen offenbar die Steuererleichterungen, die ihnen vom Staat gewährt wurden, dankend an, widmeten sich dann aber nur halbherzig der Doping-Forschung und gingen statt dessen lukrativeren Beschäftigungen nach. Die ostdeutschen Doping-Professoren hingegen stellten ihre Arbeitskraft ganz und gar in den Dienst der sozialistischen Gemeinschaft.

Inzwischen werden Stimmen laut, die die westdeutschen Dopingforscher nachträglich zur Rechenschaft ziehen wollen. Die pflichtvergessenen Doping-Experten sollten, so heißt es, auf jeden Fall die unverdient erworbenen Steuerersparnisse an den Fiskus zurückzahlen. Bei baldiger Selbstanzeige könne auf härtere Strafen verzichtet werden. Die tüchtigen ostdeutschen Doping-Experten hingegen sollten im Sinne westöstlicher Gerechtigkeit mit nachträglichen Sonderzahlungen belohnt werden, da sie sich um die inzwischen gesamtdeutsche Medaillenbilanz große Verdienste erworben haben.

Diese Medaillen habe man immerhin im Sack beziehungsweise in der Vitrine. Zum Glück. Denn es ist nicht auszuschließen, dass nach einem nun geplanten gesamtdeutschen Dopingverbot die Chancen auf ein solides Erfolgsdoping deutlich sinken. Wer weiß, ob deutsche Athleten dann überhaupt noch eine Chance haben, im internationalen Wettbewerb jemals wieder Medaillen zu gewinnen.

Zwar besteht weiter die Hoffnung, dass auch in der derzeitigen Anti-Doping-Stimmung nichts so heiß gegessen wird wie es gekocht wird. Aber man kann nicht sicher sein. Wenn das geplante Doping-Verbot so streng ausfällt wie zum Beispiel das Rauchverbot, dann könne bald nur noch in den eigenen vier Wänden oder auf offener Straße gedopt werden. Die Vereinslokale würden zur radikal dopingfreien Zone.

Dazu heißt es in Expertenkreisen: Rein privates Laien-Doping ohne regelmäßige fachliche Betreuung – das wäre das Ende des Leistungssports. 

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Leserpost

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Eva-Maria Otte / 08.08.2013

Bei allem Respekt vor schlauer Witzigkeit: Es geht hier immer auch um konkrete Menschen, die verführt oder gezwungen wurden, ihren Körper massiv zu beschädigen. Außer der Medaillenliste gibt es die Todesliste. 

Eberhard Schulz / 07.08.2013

Herr Bonhorst, einfach köstlich. Als sozialisierter Ossi habe ich schon verzweifelt, ob der Dresche und das Mitleid, dass sowohl ostdeutsche Dopingwissenschaftler als auch erfolgreiche DDR-Sportstars anheim getan wurde. Langsam wurde mir auch unheimlich ob der blütenweißen Doping-West-Weste. Im Osten war ja alles schlechter! Offensichtlich doch nicht. Jetzt bin ich dabei (und das nach 23 Jahren) die Psyche der Wessis zu erkunden. Ist doch etwas anderes, als diese nach dem Inhalt der Päckchen von Tante Friedchen zu beurteilen. Ein sonst eigentlich ganz lieber Nachbar sagte mir kürzlich auf einer Nachbarschaftsfeier, dass er jetzt so richtig die DDR-Ossis ein- und abschätzen kann, weil er weiß, dass diese die Heizungsregelung im Winter manuell durch Öffnen und Schließen der Fenster realisiert haben. LOL

Paul Jonas / 07.08.2013

Das westliche, demokratische, antikommunistische Doping war dem östlichen, kommunistischen, diktatorischen Doping weit überlegen, denn es ist nicht durch überragende Leistungen aufgefallen und die Beteiligten haben trotzdem direkt und indirekt mehr finanziellen Profit gemacht als die kommunistischen Staatsdoper.

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