Wolfgang Meins / 04.02.2019 / 12:00 / Foto: Kalispera Dell / 49 / Seite ausdrucken

Wenn Wissenschaft auf Wirklichkeit trifft

Eigentlich hatte ich mir für die ganze Grenzwert- und Dieseldiskussion Schweigen auferlegt. Nicht noch eine weitere Stimme in dieser Diskussion, zumal ich kein wirklich einschlägiger Experte bin, wenngleich vor etlichen Jahren Teilnehmer an einer hochkarätigen zweiwöchigen „Epidemiological Summer School“ – und das auch noch zu Lasten des Jahresurlaubs. Wenn aber nun zwei Wissenschaftsjournalistinnen in der Welt vom 2.2.2019, die eine Biochemikerin, die andere ausgerüstet mit einem Studium der Politikwissenschaft und Neueren Geschichte, in ihrem Artikel „Durchatmen“ Professor Köhler und damit den gut 100 Mitunterzeichnern der Stellungnahme vorwerfen, lediglich Lungenärzte, aber keine Epidemiologen zu sein, hört der Spaß auf. Vor allem wenn die beiden dann so tun, als hätten ausgerechnet sie den Mega-Durchblick.  

Ob nun als Journalist, Wissenschaftler oder Ehepartner: Man sollte vor dem Äußern von Kritik zunächst richtig verstanden haben, was der Andere überhaupt meint. Die beiden Journalistinnen, die hier stellvertretend für weite Teile ihrer Zunft stehen, unterstellen Professor Köhler eine Unterlassung auf wissenschaftlichem Klippschulniveau. Dass ihm nämlich der methodische Umgang mit „Störgrößen“ – medizinische, psychologische und soziale Unterschiede zwischen Bewohnern an viel und wenig befahrenen Straßen – die „durch hoch entwickelte statistische Analysen“ herausgerechnet würden, nicht bekannt sei. Das trifft schlicht nicht zu. 

Denn in der Stellungnahme wird in Punkt 2.  – vielleicht für die beiden Journalistinnen auf einem methodisch etwas zu anspruchsvollem Niveau – folgendermaßen argumentiert: Dass nämlich diese Störfaktoren zwischen beiden Bewohner-Gruppen „oft sehr unterschiedlich“ verteilt seien und zudem die durch diese Faktoren bedingte Risikoerhöhung „meist hundertfach stärker“ ausfalle, als die durch Luftverschmutzung bedingte. Anders formuliert: Kann es den Studien wirklich gelungen sein, alle relevanten Störfaktoren zuverlässig und vollständig zu erfassen, damit der klitzekleine übrig bleibende Rest an Risiko valide auf eine spezielle Form der Luftbelastung zurückgeführt werden kann? Da sind selbstverständlich Zweifel ganz grundsätzlicher Art erlaubt, so wie sie in der Stellungnahme auch vorgetragen werden. 

Ein massives Plausibilitätsproblem

Auf einen letztlich noch deutlich wichtigeren Kritikpunkt in der Stellungnahme der Lungenärzte wird so gut wie nie eingegangen, auch nicht in dem Welt-Artikel. Denn die Zweifel an der epidemiologischen Forschungslage werden noch massiv befeuert durch die aus diesen Studien generierte (hohe) Anzahl von jährlichen zusätzlichen Todesfällen durch Stickstoffverbindungen (NOx) und Feinstaub. 

Diese kollidieren ebenso wie die Grenzwerte massiv mit der Wirklichkeit, wenn Raucher bei dem durchschnittlichen Konsum von einer Schachtel Zigaretten pro Tag „in weniger als zwei Monaten die Feinstaubdosis (erreichen), die sonst ein 80-jähriger Nichtraucher im Leben einatmen würde“, vorausgesetzt, er hätte sein Leben lang permanent Feinstaub im Grenzwertbereich eingeatmet. Ganz ähnlich, wenn auch nicht ganz so drastisch, verhalte es sich mit den NOx. Unter diesen Umständen müsste – nimmt man die oben genannten zusätzlichen Sterbefälle durch die beiden Luftschadstoffe für bare Münze – der Tod durch Zigarettenrauchen nicht nur exzessiv häufiger, sondern auch sehr viel rascher eintreten. 

Egal wie aufwendig und zahlreich die epidemiologischen Studien zu Feinstaub und NOx konzipiert und durchgeführt wurden: Angesichts dieser Tatsachen haben die Studien ganz offensichtlich ein massives Plausibilitätsproblem, am ehesten auf der Grundlage einer systematischen Verzerrung, eines sogenannten bias. Wo das Problem zu suchen ist, ob in Sammlung, Auswertung oder Interpretation der Daten, sei dahin gestellt. Auf jeden Fall führt ein solcher bias zu Schlussfolgerungen, die systematisch von der Wahrheit abweichen. Und bei einer solchen Konstellation liegt die Wahrheit mitnichten in der Mitte, wie der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie (DGP) etwas irrlichternd meinte. 

Die Flöhe husten gehört

In dem Welt-Beitrag wird unter Verweis auf ein Positionspapier der DGP die steile These vertreten, dass Feinstaubbelastung unter anderem das Demenzrisiko erhöhe, weil die Partikel auch das Gehirn erreichen würden. Das mag so sein. Aber die übliche Feinstaubbelastung in der Umwelt kann zumindest in Bezug auf das Risiko für die deutlich häufigste Demenzerkrankung, die Alzheimer-Demenz, keine Rolle spielen, denn sonst müsste Rauchen ja ein äußerst starker Risikofaktor für diese Erkrankung sein. Ist er aber nicht. Lediglich Personen, die im mittleren Lebensalter über mehrere Jahre mehr als 2 Packungen Zigaretten täglich geraucht haben, weisen ein mäßig erhöhtes Risiko auf. Der Konsum von immerhin noch ein bis zwei Packungen ist hingegen nicht mehr mit einer Risikoerhöhung verbunden. 

Die sich mit Feinstaub und NOx beschäftigende Epidemiologie hat das Problem, dass ihre Erkenntnisse aus ethischen und praktischen Gründen – auch darauf weist die Stellungnahme hin – in der Regel am Menschen nicht in kontrollierten Studien überprüft werden können. Denn man kann nicht eine Stichprobe über ein oder mehrere Jahre in den Wohnungen mit einer hohen Feinstaubbelastung begasen und eine andere mit einer niedrigen, um dann zu schauen, ob sich die beiden Gruppen zum Beispiel in der Häufigkeit von (neu entstandenen) Lungen- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder in deren Schweregrad unterscheiden. 

In der Ernährungsmedizin ist das eher möglich. Hat sich etwa ein Nahrungsbestandteil oder eine Diät in epidemiologischen Studien als vor Demenz, Bluthochdruck oder Herzinfarkt schützend herausgestellt, kann man oft eine gezielte, experimentelle, vergleichende Studie durchführen. Was auch reichlich getan wird. Und was kommt dabei meist heraus? Dass die vermeintlich segensreich wirkende Substanz oder Diät nicht den erwünschten Effekt zeigt. Die Epidemiologen haben mal wieder die Flöhe husten gehört. 

Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Wolfgang Meins ist Neuropsychologe, Arzt für Psychiatrie und Neurologie und apl. Professor für Psychiatrie. In den letzten Jahren überwiegend tätig als gerichtlicher Sachverständiger im sozial- und zivilrechtlichen Bereich.                       

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Karla Kuhn / 04.02.2019

“... vielleicht für die beiden Journalistinnen auf einem methodisch etwas zu anspruchsvollem Niveau ”  Trifft das nur für die beiden Journalistinnen zu ?  Ich seile mich von solchen Aussagen immer mehr ab. Fachlich bin ich nicht kompetent aber wenn 100 LUNGENÄRZTE , wobei ich glaube, es wären noch viel mehr, nur aus welchem Grund auch immer, trauen sich viele wahrscheinlich nicht, ihre Gegenoffensive klar und deutlich zum Ausdruck bringen, wäre es die PFLICHT der Bundesregierung (nicht der Grünen !), diese Aussagen sachlich mit kompetenten UNABHÄNGIGEN Wissenschaftlern zu überprüfen und zwar gründlich !! Das Thema hat, bevor alles geklärt ist den Medien nichts zu suchen !

Anders Dairie / 04.02.2019

Ich bin recht sicher, dass die Fahrverbote in Innenstädten wieder fallen werden.  Ein Grundirrtum besteht darin, dass tatsächloch 200 mg NOx im Jahr mehr als 18 Mal überschritten sein müssen,  bevor die Kommune eineschreiten “kann”.  Diese Überschreitung ist aber in Fallzahlen nicht vorhanden oder gering.  Wenn natürlich neben der Fahrbahn,  an Kreuzungen und in Auspuffhöhe gemessen wurde, entgegen den Aufstellregeln für Meßstationen, kommen die Fallzahlen zustande.  Der Verkehrsminister, Herr SCHEUER,  wartet auf jede Chance, die Hysterie abzudämpfen.  Die Stellungnahme der Ärzte wurde mit kaum unterdrück-ter Freude aufgenommen.  Die CSU befürchtet eine “Gelbwesten”-Bewegung dann, wenn die Fahrer/Kfz-Halter bemerken,  dass ihr Eigentum im Zuge zweifel-hafter Vergiftungs-Behauptungen vernichtet würde.  Vor diesem Punkte steht das Land in allen Städten.  Die Automobilbauer haben genügend Watschen ein- gesteckt.  Toni HOFREIETER soll sie alle zurückbekommen.

Andreas Rochow / 04.02.2019

@ Frank Dom - Auch bei WO gehört es zu den prioritären Aufgaben zu kontrollieren, welche Themen unbedingt zu bedienen und welche zu skippen sind. Und das natürlich unabhängig davon, ob man auf kompetente Fachkräfte zurückgreifen kann oder nicht. Auch grob pseudowissenschaftlicher Bullshit erfordert eine gewisse Routine, Fachkompetenz ist gar nicht erforderlich! (Deshalb hat man ja systematich dafür gesorgt, dass in der Kohlekommission die Energiewirtschaft von niemandem vertreten wird.)

Lars Schweitzer / 04.02.2019

Womit wir auch den Hauptgrund dafür haben, weshalb in allen möglichen Kommissionen immer alle möglichen Leute sitzen - nur eben nie solche, die sich mit dem Thema tatsächlich auskennen.

Gilbert Brands / 04.02.2019

Um es mal ganz einfach zu machen: die Epidemiologen wissen etwas über die letzten paar Lebensjahre der von ihnen erfassten Leute, also vielleicht 10% des Gesamtlebens, kennen die Messdaten an den Wohnorten aus genauso wenigen Jahren, weil so lange ja nun auch nicht gemessen wird, kennen vielleicht auch 10% der Krankengeschichte der Leute, so ziemlich 0% über die Gesundengeschichte und haben noch nicht mal ein Symptom, außer das der Proband tot ist. Dummerweise enden aber alle Mortalitätsstudien zwangsweise bei 100%, und wenn sich Krebsforscher brüsten, die Todesrate um 5% erniedrigt zu haben, heißt das nichts anderes als dass sie ihre Toten nun den Kardiologen in die Schuhe schieben können. Mit den gleichen Methoden könnte man bei solchen Datensätzen vermutlich aus dem Muster einer gemauerten Wand auch ableiten, wann die Frau des Maurers ihre Tage hatte - natürlich 10 Jahre nach Eintritt der Menopause. Mit Wissenschaft hat das wenig zu tun, grenzen doch schon die Mathematiker die Statistik unter dem internen Label “professionelles Lügen” aus der Mathematik aus.

toni Keller / 04.02.2019

Es ist völlig klar, dass hier in dieser Welt alles mit allem zusammenhängt. So haben die Ausdünstungen der Pflanzen, also deren, vom Pflanzenstandpunkt aus, ausgeschiedenen Gifte, die den CO2 Gehalt der Luft vermindert haben, dafür gesorgt, dass Lebenwesen entstehen konnten die das Gift, den Sauerstoff, einatmen und in Lebensenergie umwandeln. Noch vor 10 Jahren gab es das Label “CO2 neutral” das bedeutete, dass man einfach irgendwo entsprechend Bäume pflanzte, was sich meines Erachtens nach sehr logisch anhört. Aber es ist nun mal so, genau in dem Moment wo die Pfarrer darauf bestehen, dass man keine Drohbotschaft verbreiten dürfe, und allem Leid auf dieser Welt, zum Trotz, den immer guten, und allmächtigen Gott, ungeachtet des inneren Widerspruchs, verkünden, haben eben die Grünen den Drohpart übernommen. Leider ist bei den Grünen keine Absolution vorgesehen und selbst der Ablasshandel via CO2 Zertifikat den haben sie anscheinend eingestellt, hätten sie doch wenigstens Kathedralen gebaut! Wir sind knapp 8 Milliarden Menschen die alle gut leben wollen, genau deshalb muss weiter geforscht werden, weil mit einem Rückbau der Industrie, einem Vergessen technischer Erkenntnisse, können auf diesem Planeten nur ca 1 Milliarde Menschen (Stand 1800) leben und genau das will ja keiner, vorzeitig, bei Erreichen des steinzeitlichen Methusalemalters von 50, abtreten, c.c. wir müssen diese Welle reiten, also rein in die Labors, hinter den Schreibtisch, liebe Schüler,

H. Volkmann / 04.02.2019

Das ist geradezu lächerlich, was Sie versuchen, lieber Herr Professor Meins. Sie wollen die Damen mit Logik inhaltlich überzeugen. Logisch denken, können die doch selbst. Die wollen oder dürfen nur nicht! Jede “vernünftige” Argumentation ist aber mit denen vergeblich. Also warum bemühen Sie sich? Das ist, als ob Sie Nazis davon hätten überzeugen wollen oder Kommunisten, daß a.  Juden und b. Unternehmer gute Menschen seien. Fragen Sie die doch einfach mal, wie sie das Dieselfahrverbot nach dem Gleichheitsgrundsatz gerecht verteilt auch in der tiefsten, ländlichen Provinz vor dem Verfassungsgericht durchsetzen wollen, wenn sich dagegen jemand wehrt. Das sind doch keine emanzipierten, mündigen Bürgerinnen.

fritz kolb / 04.02.2019

Die beiden sog. Journalistinnen nehme ich nicht ernst, Kinderkram ist das was sie von sich geben. Aber fragt sich eigentlich niemand, warum dieses rutschige Terrain überhaupt betreten wurde? Gegen alle technische und wirtschaftliche Logik? Warum der Herr Zetsche sogar einen Vortrag bei den Grünen gehalten hat? Die haben sich natürlich gerne vor seinen Karren spannen lassen, sozusagen für eine neue Runde nach dem Veggieday-Desaster.  Ich denke, das hat vor allem mit dem globalen Automobilmarkt zu tun.  Weltgrößter Autokonsument ist China, mit riesigen Wachstums-Planzahlen für die Zukunft. Im Windschatten Indien mit der zweitgrößten Weltbevölkerung.  Beiden Staaten gemein ist, daß sie aufgrund ihrer Industrien riesige Luftverschmutzungen verkraften müssen, beide haben AKW´s und Kohle-KW´s in ausreichender Menge und auch keinerlei energiepolitische Restriktionen. Diese beiden Länder, als Vorreiter China, brauchen dringend Elektromobilität. Im Autoland Deutschland muss das marktstrategisch sehr ernst genommen werden, und als Versuchslabor eignet sich die grünverschreckte Bevölkerung hervorragend für den E-Auto Feldversuch. Der Laie wundert sich indes ungläubig über die Symbiose von Politik und Autoherstellern. Marktstrategisch betrachtet logisch und sicher keine Verschwörungstheorie, der größte Markt soll so schnell wie möglich mit den vom deutschen Publikum vorgetesteten E-Autos geflutet werden. Deshalb auch die latente Stigmatisierung der konventionellen Antriebstechnik zu unseren Lasten, trotz sauberer Luft und deshalb nur eine sehr lahme Gegenwehr der Automobillobby. Die könnten das nämlich wesentlich besser.

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