Wolfgang Röhl / 29.09.2009 / 11:53 / 0 / Seite ausdrucken

Vergewaltiger mit Oscar. Eine Rabattschlacht

Es ist vielleicht keine so gute Idee, 13jährigen Mädchen Drogen beizubringen, um sie im beduselten Zustand zu vögeln. Wer aber dabei erwischt wird, sollte man den nicht auf den Grill setzen? Ich glaubte, das sei mittlerweile Konsens, wenigstens in westlichen Gesellschaften. Gilt aber offenbar nicht, wenn a) die Tat 30 Jahre zurückliegt, b) die Tat in einem Staat geschah, aus dem der Täter nach Anklage wegen Vergewaltigung flüchten konnte und wenn c) er, der Täter, ein berühmter Regisseur ist, welcher der Welt einige wunderbare Filme beschert hat.

Dass Roman Polanski, den sie jetzt in der Schweiz festgenommen haben, weil ein Auslieferungsersuchen aus den USA gegen ihn vorliegt, ein globales Solidaritätsbeben erzeugt, als sei er, Polanski, ein neuer Dreyfus, erstaunt ein bisschen…

Eine internationale Elite der Kulturschaffenden macht sich laut dafür stark, dass jene Petitesse, die damals im Haus von Jack Nicholson geschah, gefälligst als erledigt zu betrachten sei. Auch offizielle Vertreter von Ländern wie Frankreich und Polen, deren Pässe Polanski besitzt, sind schwer empört. Den Schöpfer von herrlichen Klamotten wie „Tanz der Vampire“ und politisch gewichtigen Filmen wie „Der Pianist“ vor den Kadi zerren zu wollen, wegen eines, na ja, Kavaliersdeliktes – Frechheit! Einen Mann, der gerade einen Preis für sein Lebenswerk bekommen soll, in U-Haft nehmen? Wer kann so kalt, so herzlos sein? „Eine Falle“ hätten ihm die fiesen Schweizer gestellt, tönt es aus Sympathisantenkreisen. Schon kursieren Gerüchte, er sei von den Eidgenossen „geopfert“ worden, damit die Amis großzügiger über einige Besonderheiten des Schweizer Bankengesetzes hinweg sehen. Eine verwegene Neudefinition des Opferstatus, übrigens.

Schon Anfang dieses Jahres, als Polanski auf Sylt Szenen für seinen Film „The Ghost“ drehte, gab es ja denkwürdige Reaktionen. Die Insel, nein halb Deutschland, zeigte sich nachgerade gebauchpinselt über den Besuch des Kino-Titanen. Dass der Künstler nur deshalb in Deutschland drehte, weil ihm auf der amerikanischen Ostküsteninsel Martha´s Vineyard, für die Sylt herhalten musste, die Handschellen gedroht hätten? Kaum ein Wort darüber, dass der Mann noch immer eine happige Rechnung offen hat.

Dass die kalifornische Justiz bekanntermaßen ziemlich nachtragend ist bei Vergewaltigungs-Delikten? Ach, wieder so eine Gemeinheit von denen da drüben. Der Unterton im Lamento des kulturellen Juste milieu ist unüberhörbar: sie, die Amis, die doch selber genug Dreck am Stecken haben, wollen eine unserer Kultur-Ikonen zerstören. Nur eine Frage der Zeit, bis die Guantanamo-Keule raus geholt wird.

Aber wäre der Knoten nicht einfach zu lösen? Polanski stellt sich einem Prozess in den USA, beschäftigt ein Heer von guten Anwälten, kann mit der bereits erteilten Vergebung des Opfers punkten, drückt als Sühnezeichen richtig Kohle ab – vielleicht für einen Fond von Vergewaltigungsopfern – und ist am Ende möglicherweise arm, aber glücklich, die Sache ein für allemal vom Hals zu haben. Großbetrüger, denen auch, theoretisch, 50 Jahre Knast oder mehr drohten, haben es so hingekriegt. Ist ja vieles verhandelbar, vor amerikanischen Gerichten.

Den Preis fürs Lebenswerk kriegt er in jedem Fall. Im alten, Oscar-Preisträgern so ziemlich alles verzeihenden Europa.

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