Zu den langlebigen positiven Vorurteilen (Mutti ist die Beste, Volvo baut Spitzenautos, Männer wollen immer nur das Eine) gehört seit Sjöwall/Wahlöö die fixe Idee, aus Schweden kämen allemal kluge, politisch reflektierte, gesellschaftliche relevante und dabei auch noch extrem spannende Krimis. Ich selber fühle mich immer ausgegrenzt, wenn die Rede auf Mankell & Co. kommt, denn die Herren Wallander und Beck langweilen mich seit etlichen Jahren. TV-Krimis aus dem hohen Norden, deren Figuren sich in Charmefreiheit, Humorlosigkeit und mieser Laune zu übertreffen trachten, fallen deshalb meiner Fernbedienung zum Opfer. Ungeachtet dieses Minderheitenvotums läuft der nordische Krimi hierzulande wie geschnitten Knäckebrot, weshalb immer neue Formate und Hybride entstehen…
Die neueste Reihe des im Schwedenfilmgenres versierten ZDF, eine deutsch-schwedische Koproduktion, heißt „Der Kommissar und das Meer“ und lief gestern zum vierten Mal. Von den meisten Feuilletons war die Folge wohlwollend bis begeistert rezensiert worden. Gelobt wurde etwa, der Film setze wieder mal auf die bewährte Schwedenmasche, brutale Morde vor einer idyllischen Kulisse zu platzieren. Als hätte es Miss Marple und Pater Brown nie gegeben.
Das auf Gotland angesiedelte „packende Drama“ („Spiegel“), bei dem ein langer Lulatsch von Kommissar unter Rückenproblemen, einer Abneigung gegen Wasser (Gag geklaut aus der ZDF-Serie „Doktor Martin“, deren Held eine Aversion gegen Blut hat) und einer nervigen Mutter ächzt, war in Wahrheit so spannend wie die Insel selbst. Gotland ist ein spärlich bewachsener Sandhaufen vor der südschwedischen Küste, auf dem sich vor allem sozialdemokratisch gesinnte Urlauber mit kleinen Kindern wohl fühlen. Zum ecken- und kantenfreien Ambiente passt prima die Figur des Kommissars, dargestellt von Walter Sittler. Den laut Drehbuch nach Schweden migrierten Cop kann man sich als einen bedauernswerten Menschen vorstellen, der mit der Musik von Abba aufwuchs und seiner Nachbarin hilft, den Kinderwagen die Treppe runter zu tragen. Sofern er nicht gerade damit beschäftigt ist, den Inhalt der gelben Müllsäcke im Keller auf ihre ordnungsgemäße Befüllung zu untersuchen. Einer, dem bestimmt kein Joghurtbecher entgeht, der nicht richtig ausgespült wurde.
In einer Szene fragt der Kommissar einen Verdächtigen:
„Was hatten Sie mit XY zu schaffen?“
Verdächtiger: „Nichts!“
Kommissar (leise, mit einer resignierten Bewegung der Arme): „Glaub´ ich nicht“ (und ab).
Auch ich glaub´ vieles nicht. Dass laut GfK 4,5 Millionen Zuschauer sich diesen luschigen Routinekrempel angeguckt haben sollen, ist für mich zum Beispiel ganz unfassbar. Ein Glück, dass Horst Tappert das nicht mehr erleben musste. Aus einem Land mit so einer Fernsehkrimikultur müsste man eigentlich auswandern.
Aber besser nicht nach Schweden.