Die Amerikaner – oder waren es die Kanadier? – haben das lebende Museum erfunden, das inzwischen sogar am Geiranger-Fjord kopiert wird. Darin steht nicht nur alter Krempel, sondern es sitzt auch ein Mütterchen in der Tracht von anno tobak am Spinnrad, oder jemand backt Brot auf die alte Art. Daran erinnerten mich Dieter Hildebrandt und Roger Willemsen, die im Moment durch meine Nordprovinz ziehen mit einem Programm, das die “Weltgeschichte der Lüge” satirisch zu erzählen vorgibt…
Es läuft auch rauf und runter im NDR-Funk, denn die beiden sind mit den Öffentlich-Rechtlichen voll kompatibel. Natürlich bringen sie das Erwartete: lügen und betrügen tun vor allem die Rechten und die Amerikaner, was ja dasselbe ist. Barschels Ehrenwort. Buschs Massenvernichtungsmittel. Die übliche Leier.
Man ist aber doch froh, zumindest Hildebrandt zu sehen, denn der 81jährige ist selber ein lebendes Museum. Was er sagt und wie er das tut, das ist Lachgeschichte. Was waren das für Zeiten, als sich ein Kabarettist bloß hinzustellen brauchte und „Strauß...“ sagen musste (später: „Birne…“). Schon tobte der Saal. Und man hat mitgelacht! Wirklich, sowas fand man komisch. So unschuldig waren die Zeiten, als diese Einverständniswitze in den politischen Peer-Groups noch funktionierten. Das alles hat sehr nachgelassen. Die beiden, vom NDR als „Großmeister der gepflegten Unterhaltung“ hoch gejazzt, backen in Wahrheit kleine Brötchen. Das Stadeum in Stade, okay, das kriegt man noch voll mit aufrechten Sozen, die einen Hildebrandt-Gag belachen, welcher eine besonders irre Absurdität dergestalt definiert, sie sei so, „als würde Kai Diekmann die Biografie von Fidel Castro schreiben“. Ist das nicht witzisch?
Was Willemsen bei den Auftritten will, ist nicht klar. Der eitle, verblasene Germanist, der erstaunlicherweise auch lustige Sachen schreiben kann („Ein Schuss, ein Schrei – das meiste von Karl May“), hat die „Weltgeschichte der Lüge“ geschrieben. Er sollte aber doch wissen, dass er als Person eine Zuschauerscheuche gruseligster Art darstellt. Willemsen machte bis 1998 eine Talkshow im Fernsehen, einem Medium, von dem er nichts versteht. Am liebsten lud er ausländische Gäste ein, die übersetzt werden mussten, was bekanntermaßen schon mal gar nicht funktioniert im Fernsehen. Alles in der Sendung war furchtbar prätentiös und klugscheißerisch und ging einem entsetzlich auf den Wecker. Als die Quote von „Willemsens Woche“ ins Bodenlose fiel, kegelte ihn das ZDF. Was schon etwas heißen wollte in dessen Kulturgehege. Willemsen war tief beleidigt. Fand wohl, das deutsche Fernsehvolk sei seiner nicht würdig gewesen.
Was er in seiner Lügenrevue hätte schreiben können, die Wahrheit wär´s gewesen. Leider unterschlägt er den wichtigsten Aspekt, nämlich, wie wichtig die Lüge für den Zusammenhalt von uns Menschen ist. Wenn ich zum Beispiel irgendwo eingeladen wäre und käme zufällig neben Willemsen zu sitzen, dann würde ich, wäre ich nicht der Lügner, der ich nun mal bin, vermutlich sagen: Hey, sind Sie nicht dieser Typ mit der Fistelstimme, der sich immer wie eine Schwuchtel aufführt, aber nicht mal eine ist? Doch damit würde ich womöglich einen Eklat provozieren und meine Gastgeber in eine peinliche Situation bringen. Also würde ich lügen und sagen: Pleased to meet you, Mr Willemsen. You can speak German with me.