Henryk M. Broder / 08.08.2008 / 01:02 / 0 / Seite ausdrucken

To Kill Or Not To Kill: Waiting For Fatwa

Stellen Sie sich vor, die Deutsche Bischofskonferenz richtet eine Anfrage an den Vatikan, wie man sich gegenüber Homosexuellen vehalten sollte, insbesondere, ob es okay wäre, die Todesstrafe für Schwule zu fordern. Auf Anfrage erklärt ein Sprecher der Bischofskonferenz, man habe sich über diese Frage nicht einigen können und deswegen den Vatikan um ein theologisches Gutachten gebeten. - Was wäre dann in Deutschland los? Die Hölle auf Erden.

Genau das ist aber gerade in Norwegen passiert, nur dass es nicht irgendwelche verwirrten Christen sondern praktizierende Moslems waren, die sich mit einer solchen Frage an eine religiöse Autorität wandten: “The Islamic Council of Norway has turned to the European Council for Fatwa for help in deciding what attitudes Norwegian Muslims should have towards homosexuality. One of the most difficult questions that the fatwa council will now have to take a position on is whether Muslims in Europe should support or reject death sentence for homosexuals. This question has not been clarified so far by the Islamic Council of Norway.”

Lustig, nicht wahr? So erfahren wir wenigstens, dass es einen European Council for Fatwa gibt, von dessen vielen Gutachten über die Unzulässigkeit von “Ehrenmorden” wir noch nichts gehört haben. Und jetzt sind wir echt gespannt, wie die Fatwa zur Todesstrafe für Homosexuelle ausfallen wird. Wird sie bejaht, werden unsere Integrationsbeauftragten erklären, die Mehrheitsgesellschaft habe wieder einmal versagt, jetzt müßten die Integrationsmaßnahmen verstärkt werden. Wird sie verneint, werden die Integrationsbeauftragten dies als einen Erfolg ihrer Arbeit verbuchen. So rum oder so rum: Die Integration geht weiter!

http://islamineurope.blogspot.com/2007/12/norway-islamic-council-turns-to.html
http://www.aftenposten.no/english/local/article2573841.ece

PS: Was sie außerdem noch über den Europäischen Fatwa-Rat wissen sollten: Sein Chef heißt Yusuf Al-Qaradawi und ist angeblich “a world-renowned scholar” auf seinem Gebiet, der Auslegung des Koran. Über “Apostasy”, den Abfall vom Glauben, schreibt er u.a. dies:

“In the contemporary age, the Muslim community has been exposed to horrendous invasions and aggressive attacks, one of which is the missionary invasion that aims at uprooting the Muslim community altogether. This invasion began its missions with the Western colonialism (of the Muslim world), and it still exercises its activities in the Muslim world and among the Muslim communities and minorities (in non-Muslim countries). One of its goals is to entice Muslims to convert to Christianity… Another example is the communist invasion that spread through many Muslim countries in Asia and Europe and made every effort to put an end to Islam and grow generations who know nothing about Islam at all. The third and most dangerous and cunning kind is the secular invasion, which still plays its role in the Muslim world, sometimes openly, and sometimes in disguise. It seeks to undermine true Islam and approves of the superstitious manifestations that are falsely claimed to belong to Islam.”

Deswegen muss der Abfall vom Glauben streng bestraft werden, wenn nötig auch mit dem Tod:

“Major apostasy, which the apostate proclaims and openly calls for in speech or writing, is to be, with all the more reason, severely punished by the death penalty, according to the majority of scholars and the apparent meaning of the Prophet’s hadiths. Otherwise, An-Nakh`i and Ath-Thawri’s view which was built on `Umar’s attitude may be followed. Apostates who call for apostasy from Islam have not only become disbelievers in Islam but have also become enemies of Islam and the Muslim nation. They, by doing so, fall under the category of those who wage war against Almighty Allah and His Messenger and spread mischief in the land.”

Allerdings: wer still und heimlich die Gemeinschaft der Gläubigen verläßt, wird verschont. Nur wer den Abgang öffentlich verkündet und andere auffordert, seinem Beispiel zu folgen, muss mit dem Tod rechnen.

“The death penalty with regard to apostasy is to be applied only to those who proclaim their apostasy and call for others to do the same. Islam lays down this severe punishment in order to protect its unity and the identity of its community. Every community in this world has basic foundations that are to be kept inviolable, such as identity, loyalty, and allegiance. Accordingly, no community accepts that a member thereof changes its identity or turns his or her loyalty to its enemies. They consider betrayal of one’s country a serious crime, and no one has ever called for giving people a right to change their loyalty from a country to another whenever they like.”

Das stimmt zwar nicht, weil man in zivilisierten Gesellschaften sowohl seinen Glauben wie seine Staatsangehörigkeit wechseln kann, ist aber für einen Koran-Gelehrten eine relativ liberale Haltung. Und das läßt hoffen, dass die Fatwa über Homosexualität ähnlich liberal ausfallen wird. Demnächst findet der Christopher-Street-Day im Saal statt.

Das ganze Opus:
http://www.islamonline.net/English/contemporary/2006/04/article01c.shtml

 

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