Wolfgang Röhl / 11.11.2010 / 11:10 / 0 / Seite ausdrucken

Tanz der Gebührenvampire. Gruseliges aus den Anstalten

Die Witzecke einer Zeitung, hat der Aphoristiker Hans-Hermann Kersten mal gesagt, sei nicht immer dort, wo die Blattmacher sie vermuten. Das gilt erst recht fürs öffentlich-rechtliche Fernsehen. Dessen Humorperlen glänzen ja nicht bei Harald Schmidt, schon gar nicht bei Jürgen Becker. Richtig krachkomisch dagegen wird es, wenn die Elite des Gebührenfunks ein Riesenweihrauchfass aufmacht. Wie in Hamburg, wo der Preis für Fernsehjournalismus verliehen wurde, gestern ausgestrahlt auf NDR 3. Alles, was die ARD im Laufe von Jahrzehnten satt und fett gefüttert hat, was aber garantiert nichts mit guter TV-Berichterstattung zu tun hat, war da versammelt. Intendanten, Chefredakteure, Abteilungsleiter, Reporter und Redakteure von Tendenzmagazinen, Nachrichtenansager, politische Aufpasser, Strippenzieher, graue Eminenzen, aktuelle und ehemalige Moderatoren; kurz, es wogte im Saal ein polanski´scher Tanz der Gebührenvampire. Auch Hellmuth Karasek hockte im Publikum und versuchte, aufgeweckt zu gucken. Aber der ist wahrscheinlich auch mit von der Party, wenn bei Avis ein Mietwagen verliehen wird.

An diesem Abend ging es um den Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis. Der 1995 verstorbene „Tagesschau“-Moderator Hajo F. - soviel für die Jüngeren - war einer der guten Köpfe der ARD - einer, der immer so staats- und parteienfern war, wie man es im Staats- und Parteienfunk mit aller Anstrengung eben sein kann. Hauptpreisträger war sein Möchtegern-Gegenstück vom anderen Sender, der langjährige ZDF-Mann und „Heute-Journal“-Moderator Claus Kleber. Kein Schlechter, doch beileibe auch keine Granate des TV-Journalismus. Was für Larry King die Hosenträger und die vorgebeugte Körperhaltung, ist für Kleber beim Heute-Journal der leicht schief gelegte Kopf – Wink an die Zuschauer, dass mit ihm, Kleber, ein hellwacher, schwerstkritischer Qualitätsschurnalist auf Sendung ist. Nicht selten kommt einem Kleber inzwischen wirklich passabel vor. Jedenfalls, wenn man gerade eine „Tagesthemen“-Ausgabe mit dem ARD-Mann Tom Buhrow gesehen hat.

Aber das eigentlich Komische an der Veranstaltung war ihr Motto, welches öfters zusammen mit einem Porträt von Friedrichs eingeblendet wurde. Der hatte mal den ehernen Satz geschmiedet: Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache. Den Satz kriegt heutzutage jeder Journalistenschüler eingetrichtert, ohne dass dies auf seine spätere Arbeit erkennbare Auswirkungen hätte.

Am allerwenigsten, natürlich, innerhalb der ARD. Die ist nachgerade ein Flaggschiff der Parteilichkeit zugunsten von Sachen, die ARD-Redakteure – in ihrer Mehrheit Sympathisanten von Grünen, Sozis und Postkommunisten - gut finden. Das ultimative Inferno an Gemeinmachung war ihre jüngste Berichterstattung über Gorleben. Auf allen Hörfunk- und Fernsehkanälen der ARD nichts als Lobhudeleien über den Widerstand gegen den menschenverachtenden Castor-Transport, triefendes Einverständnis mit den Wege-Belagerern, harsche Kritik an Polizisten und Atomkraftbefürwortern. Atemlose Kriegsberichterstattung rund um die Uhr auf Propagandasendern wie NDR Info, live aus den Schützengräben der Protestler. Selten, und niemals ausführlich, durften sich Leute artikulieren, die Atomkraft nicht gar so bedrohlich finden, sie womöglich gar als Brückentechnologie befürworteten. Oder die auch nur zu bedenken gaben, Deutschland müsse seinen bisher angefallenen Atommüll ja nun mal irgendwo lagern. Sehr viel gleicher geschaltet als die ARD-Sender zum Thema Gorleben können Honnis Sendeanstalten auch nicht gewesen sein, wenn es in der DDR galt, die Weltjugendfestspiele oder etwas von der Art zu feiern.

Die ARD und sich mit nichts gemeinmachen – guter Witz! Man könnte noch länger drüber ablachen, wenn man sich beispielsweise ihre Kampfberichterstattung über Stuttgart 21 anschaut. Wie vieles andere mehr. Aber der Kern der Chose ist vermutlich die Tatsache, dass schon Friedrichs´ berühmtes Diktum im Grunde fragwürdig ist. Die „gute Sache“, die er am Schluss des Satzes erwähnt, was wäre die? Was in den Parteizentralen von Grünen, Sozis und Postkommunisten gerade für kampagnenfähig erklärt wird? Was die Bevölkerung will? Was Wissenschaftler sagen? Was die Wirtschaft will? Der so genannte Kampf gegen die Erderwärmung, wäre er für Hajo Friedrichs heutzutage eine „gute Sache“? Oder eine Veranstaltung von Neoreligiösen, Alarmisten und windigen Geschäftemachern, die er mit größtmöglicher Distanz angehen würde?

Wie auch immer, eines hat der Mann gewiss nicht verdient: dass sich die bräsigen Fat Cats des Gebührenfernsehens in seinem Namen beweihräuchern, ausgerechnet sie, deren Schranzenwirtschaft einen von seiner Art höchstens als Ausnahme zulässt. Ich meinte auch, gestern Abend während der Preisverleihung eine Art Ächzen vernommen zu haben.

Da hat er sich wohl gerade mal umgedreht.

PS: Einen weiteren Preis erhielten die Recherchierjournalisten der WDR-Sendereihe “Die Story”, angeführt von der Koryphäe Sonia Seymour Mikich. Aus der Preisbegründung der Jury:

“Einen Sonderpreis vergibt die Jury in diesem Jahr an die Redaktion der WDR-Dokumentationsreihe “Die Story”. Sie wurde im Jahr 2000 unter der Leitung von Gert Monheim gegründet und unter seinen Nachfolgern Sonia Seymour Mikich und Mathias Werth erfolgreich fortgeführt. “Die Story” hat beispielhaft gezeigt, wie man aufregende Themen, gründliche Recherche und filmische Qualität zu einer bei vielen Zuschauern beliebten Sendereihe verbindet. Die Jury will mit der Auszeichnung auch die Bedeutung von Dokumentationen für das öffentlich-rechtliche Fernsehen herausheben.”

War da nicht was mit “Die Story”? Ach ja: aus dieser “Dokumentationsreihe” stammte ja der Film “Heilung unerwünscht”, der 2009 in ungewöhnlich dreister Art Werbung für eine Wundersalbe namens Regividerm betrieb, die gar nicht wunderbar war. Vielmehr wurden die Zuschauer in diesem Bubenstück über alles Mögliche getäuscht und desinformiert. Nach massiven Programmbeschwerden, unter anderen von vielen Ärzten, gegen den vielleicht größten öffentlich-rechtlichen Schleichwerbungsskandal knickte der WDR ein und schasste den Autor des Beitrags. http://www.wdr.de/unternehmen/presselounge/pressemitteilungen/2010/05/20100514_wdr.phtml

Und für solche Sendereihen gibt es Preise. Da, schon wieder dieses Ächzen! Herr Friedrichs, bleiben Sie bitte ganz ruhig!

 

 

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