Henryk M. Broder / 09.01.2008 / 16:35 / 0 / Seite ausdrucken

Seinfeld and the City - 4

Wenn im Januar die Lufttemperatur im Central Park auf 6o Grad Fahrenheit steigt (http://de.wikipedia.org/wiki/Grad_Fahrenheit), zieht der New Yorker Sweatshirt und kurze Hosen an und fängt an zu joggen; denn morgen könnte es wieder kalt und ungemütlich werden. Wir dagegen machen uns auf den Weg ins befreundete Ausland, nach Brooklyn. Tom’s Restaurant (Washington Avenue/Stirling Place) hat mit dem gleichnamigen Restaurant am Broadway, dem Stammplatz der Seinfeld-Sippe, nichts zu tun;  1936 eröffnet und seitdem im Besitz derselben Familie, wurde es vom New York Magazine zum “Restaurant of the Year” gekürt. Hinter der Theke steht Konstantin, den alle nur Gus nennen, und begrüßt seine Gäste mit Handschlag. Zu uns sagt er “Willkommen!” und möchte wissen, wie es “Frau Merkel” geht. Wir outen uns sofort als Merkel-Fans, worauf wir den besten Tisch auf der Terrasse bekommen. Ohne einen Blick auf die Karte zu werfen, bestellen wir Chicken Noodle Soup, Eggs and Home Fries, Burger Deluxe und French Toast. Das reicht, denn wir haben noch etwas vor. Gus bittet uns, “Frau Merkel” von uns zu grüßen, wir steigen in die Stretch-Limo und lassen uns nach Coney Island fahren. Coney Island im Winter ist wie Hinterzarten im Sommer.  Der Lunapark steht still, aber Nathan’s hat auf. Die Mutter aller Hot Dogs wurde 1916 gegründet, seitdem findet bei Nathan’s jedes Jahr am 4. Juli die Weltmeisterschaft im Hot-Dog-Essen statt. http://www.nathansfamous.com/nathans/contest/,
Auf der Wall of Fame stehen die Namen der Sieger der letzten 12 Jahre. 2oo7 verputzte Joey Chestnut 66 Hotdogs in 12 Minuten, zehn Jahre vorher schaffte Hirofumi Nakajima in derselben Zeit nur 24. Sonst hat sich bei Nathan’s und in Coney Island nichts geändert.
Wir laufen über den Board Walk nach Brighton Beach, aus dem Amerika der 2oer Jahre in das kapitalistische Russland von heute. In BB ist alles russisch. Die Namen der Geschäfte, die Reklametafeln, die Delikatessen. BB ist die totale Parallelgesellschaft. Dagegen ist Kreuzberg ein Beispiel für gelungene Integration. Wir klappern einen Supermarkt nach dem anderen ab und kriegen uns vor Staunen nicht ein. Wenn Gott ein Feinschmecker wäre, würde es im Himmel so wie in BB zugehen. Und wenn man ein paar Talibans dazu verurteilen könnte, in einem der Supermärkte eine Weile zu arbeiten, wäre es mit dem Terror bald vorbei.
Es wird früh dunkel in BB; wir sind die ersten Gäste bei Tatjana, direkt an der Promenade. Im Fußboden ist ein Aquarium eingelassen, schaut man nach unten, sieht man Zierfischen ins Gesicht, die irritiert nach oben schauen. Wir bestellen ein paar kleine Vorspeisen, Salat Olivier (der in Italien russischer Salat und in Rußland italienischer Salat heißt), ukrainischen Borscht, Wareniki und Hühnerbrust auf Gemüse. Wenn es so ein Essen schon 1917 in Russland gegeben hätte, wäre der Welt viel Unglück erspart geblieben.
Dann machen wir uns auf den Heimweg, halten kurz bei M&I International Food in der BB Avenue an und kaufen russischen Marmorkuchen zum Nachtisch. Um 11 Ur kommt Seinfeld auf tbs. George hat eine Affäre mit einer Putzfrau im Büro und wird gefeuert.

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