Die Internationale Automobil-Ausstellung sucht hektisch den Anschluss an die Zukunft. Aber zwischen den Messehallen wird auch manches so gemacht wie eh und je – und viele Besucher staunen über das, worüber sie auch vor Jahren schon gestaunt haben.
Seine Königliche Hoheit Prinz Leopold von Bayern röhrt durch die Halle. Nein, natürlich nicht er, sondern sein fahrbarer Untersatz. Der BMW 507 Roadster von 1955 hat auf der Rundempore von Halle 11 genug Auslauf, um Runde für Runde zweimal prinzlich beschleunigen zu können. Ob das Kultgefährt Seiner Hoheit auch gehört, erfährt man nicht. Dass es heute unter Freunden mindestens eine Dreiviertelmillion Euro wert ist, schon. Das ist Rekord, was den Werterhalt eines Gebrauchtwagens angeht. Unten, auf dem Boden der Halle und der Tatsachen, präsentiert BMW einiges an Neuheiten und gut Poliertes der Gegenwart. Und natürlich politisch korrekt seine „Efficient Dynamics“: Geringerer Verbrauch bei sportlichen Leistungen, so könnte man wohl das Etappenziel beschreiben.
Das Beste vom Besten?
Am anderen Ende des Messegeländes residiert Mercedes-Benz. Stilvoll in einer Ecke, ein wenig abgeschirmt, auch ein Maybach, Spitzenmodell des Daimler-Konzerns. Dessen Motto ist generell „vom Guten das Beste“, beim Maybach hingegen „vom Besten das Beste“. Man kann also fast alles noch verbessern, und beim Maybach ist das neben der Höchstgeschwindigkeit (275 km/h, abgeregelt) auch die Zahl der Pferdestärken (weit über 600). Nicht jedoch der Preis – eine halbe Million Euro müssen schon sein. Vermutlich mit ein paar Extras schon drin. So ganz die Souveränität der frühen Rolls-Royce (heute BMW) erreicht man nicht: Deren PS-Angabe lautete früher im Fahrzeugschein: „genügend“. Mehr muss nicht gesagt werden.
Das Jungvolk aber staut sich bei Daimler vor dem neuen SLS. Der Sportwagen mit den berühmten Flügeltüren dürfte im Moment eines der meist verschickten Motive via MMS oder E-Mail sein. Beste Freundinnen wechseln sich ab beim Probesitzen im Auto, dessen Vollkaskoprämie sich auf dem Preisniveau eines herkömmlichen Kleinwagens bewegen dürfte.
Aber auch hier Dynamisches, Umweltbewusstes, Emissionsgedrosseltes: Neben dem Benz-Motorwagen anno 1886 ausgestellt eine Studie, die ihm ähnlich sieht: Riesige Vielspeichenräder, dann aber aerodynamisches Design und im Heck ein Brennstoffzellen-Motor. Null Emission. Man möchte direkt mal losfahren damit, aber wer putzt nachher die Speichen?
Einstöpseln und noch nicht losfahren
Zwei Merkmale begleiten all die neuen Umweltträume: Sie sind, zum einen, meist noch „Vision“ oder „Konzept“. Die richtig sparsamen Vehikel gibt es bestenfalls in Kleinserien, aber immerhin. Zum anderen muss man gut englisch können, das Ingenieurslatein unserer Tage, sonst geht der satte Klang eines „Blue Motion“ oder „Plug In Hybrid“ voll am Laien vorbei. Wäre aber auch ein bisschen profan, die Elektromobile einfach „Einstöpselwagen“ zu nennen. Aber darum geht es: Ran an die Steckdose, rein das Kabel – und nur Stunden später kann man weiterfahren. Das Werbefoto mit der gut gelaunten Schönen an der Stromtankstelle verrät leider keinen „Vorher-Nachher“-Zustand. Man kann jedoch konstatieren: Die bewährten Hybrid-Modelle von Toyota stehen weiterhin an der Spitze des Feldes, aber die anderen holen stark auf. Beruhigend kann es schon wirken, dass so viele Technologien sich dem Ziel einer Mobilität bei geringster Umweltbelastung verschrieben haben – welche das Rennen macht, wird man sehen. Hier lauten die Wertungszahlen „3,9“ oder „5,1“, in etwa wie beim Eiskunstlauf. Nur dass es dabei um Liter auf hundert Kilometer geht, nicht um schöne Pirouetten. Kleiner ist dabei besser: Eine Studie von VW, der „L1“, sieht dem legendären Heinkel Kabinenroller ähnlich. Braucht aber silberglänzend nur 1,38 Liter Diesel.
Und der Gewinner ist…
Beim Publikum machen die üblichen Verdächtigen das Rennen. Porsche, Ferrari, Maserati und Konsorten. Man sollte meinen, dass die italienischen und teils japanischen Kraftprotze den visuellen Beistand der knapp bekleideten Models gar nicht nötig hätten, aber das gehört vielleicht dazu. Die Autos sind schnell, verrucht schnell, und werden allein deshalb nie in der öffentlich-umweltbewussten Kritik eine Rolle spielen, weil sie wenige sind und weil sie schön sind. Da verzeiht man manches. Auch die Mitarbeiter der übrigen Aussteller wagen hier einen staunenden Besuch, ehe der wirkliche Rummel losgeht in den nächsten Tagen.
Vorbei an den Auto-Veredlern, die für einen Obolus auch aus einem Porsche noch mal das Letzte herauskitzeln und ihn auf Wunsch völlig verkitschen, vorbei an den Geländewagen-Teststrecken, die mit Steigungen aufwarten, die sie im Alltag nie wieder bewältigen müssen, kommt man in eine der ruhigeren Gegenden. In Halle 4 kehrt Nüchternheit ein. Nicht wegen der „Ladies Corner“, in deren Nähe die Zeitschrift „Für Sie“ einen Sonderdruck der automobil interessierten Frau bereithält, weit gefehlt. „Für Sie“ hat für sie auch einen 331-PS-Nissan getestet: „Manchmal ist Leidenschaft stärker als Vernunft“. Fast immer, möchte man meinen. In Halle 4 regieren jedoch ansonsten die Ingenieure. Da werden neue Materialien für Katalysatoren gezeigt, da sieht man Auspuffrohre in allen Farben und Formen, da präsentieren Tüftler und Chemieriesen ihren Beitrag zum Fahren. Auch eine neue Formel für laufruhigere Reifen. Die sparen Sprit und rauschen nur ganz leise auf dem Asphalt. Alles Bedürfnisse der Automobilindustrie, ebenso wie die Spezialwerkzeuge für Reparaturen der Zukunft. Wenn das Auto, mehr noch als bisher schon, eigentlich nur noch ein Computer mit Rädern dran sein wird. Ein sehr schneller Computer eben.
Krise war gestern und ist vielleicht morgen
Niemand fragt hier laut nach einer Krise. Die hat hier keinen Stand gemietet und muss draußen bleiben. Nur ganz am Rande fällt einem der Messeauftritt der Bundesagentur für Arbeit auf. Die wirbt für ihr Job-Portal im Internet und gibt auch sonst Auskunft. Einige Interessierte waren schon da von den Ausstellern rundherum, hört man. Heute mag einer fest angestellt sein zwischen glänzendem Chrom und polierten Lack, aber morgen? Autos wird es immer geben, den Eindruck vermittelt die IAA. Und schert sich nicht um den Spruch des alten Gottlieb Daimler selig, der da meinte, mehr als 5000 Motor-Fahrzeuge werde es auf der Welt nie geben, allein schon wegen des Mangels an Chauffeuren. Eine der dramatisch verkehrtesten Prognosen der Geschichte – allein hier in Frankfurt auf der Messe stehen ja schon mehr herum. Und unsereiner fährt eben selbst, wenn es denn sein muss.