Wolfgang Meins / 02.01.2020 / 06:00 / Foto: US.Navy / 78 / Seite ausdrucken

Rätsel über Rätsel: Zunahme der Gewalt in Krankenhäusern

Ende Dezember hat das Deutsche Krankenhausinstitut (DKI) das Krankenhaus Barometer 2019 vorgelegt. Bei diesem Barometer handelt es sich um eine jährlich durchgeführte Repräsentativbefragung deutscher Krankenhäuser zu aktuellen gesundheits- und krankenhauspolitischen Themen – dieses Jahr auch zum Thema „Übergriffe auf Mitarbeiter und ihre Prävention“

Dem Deutschen Ärzteblatt lag bereits vor einigen Wochen eine Vorabversion vor, so dass es seine Leser auf die schlechten Nachrichten in Form eines Editorials einstimmen konnte. Verantwortlich dafür war der stellvertretende Chefredakteur Michael Schmedt, der die gewalttätigen Vorfälle in Krankenhäusern in den ganz großen, politisch korrekten gesellschaftlichen Rahmen stellt: „Der rechtsextremistische Anschlag von Halle machte wieder einmal deutlich, dass es von Hasskommentaren im Internet zu physischen Angriffen nicht weit ist.“ Aber was haben die Forscher des DKI nun tatsächlich zu Art, Häufigkeit und Ursachen von Gewalt in Krankenhäusern herausgefunden?

Zunächst wird darauf hingewiesen, dass die Ergebnisse nur die „Spitze des Eisbergs“ darstellten, da Gewaltvorfälle in vielen Häusern nicht standardmäßig erfasst und darüber hinaus von Mitarbeitern auch nur selektiv gemeldet oder dokumentiert würden. Ungeachtet der anzunehmenden hohen Dunkelziffer kam es im Jahr 2018 pro Krankenhaus im Mittel zu 83 körperlichen oder verbalen Gewaltvorfällen. Dabei gaben 59 Prozent der Krankenhäuser an, dass die Übergriffe in den letzten fünf Jahren zugenommen hätten. Nur 4 Prozent der Häuser berichteten über eine Abnahme. Wie nicht anders zu erwarten, war das Pflegepersonal deutlich stärker von „häufiger“ Gewalt betroffen als die Ärzte (32 versus 4 Prozent). Dabei sei die Notfallambulanz mit großem Abstand der Ort im Krankenhaus, an dem es zu den meisten Gewaltvorfällen komme, vor allem am Wochenende und feiertags. 

Prävention ohne Kenntnis der Ursachen?

Wie versuchen Krankenhäuser ihre Mitarbeiter zu schützen? Das Barometer listet die drei häufigsten Maßnahmen auf: „… z.B. Zutrittskontrollen oder Videoüberwachung (75%), Deeskalationstrainings für Mitarbeiter besonders betroffener Stationen (74%) sowie Seminare zum professionellen Umgang mit Gewalt und Aggression für Mitarbeiter besonders betroffener Stationen (71%).“ Außerdem setze gut ein Drittel der Krankenhäuser mittlerweile Sicherheitspersonal ein. 

Bliebe nach dieser etwas traurigen Bestandsaufnahme abschließend natürlich noch eine Frage zu klären: Was sind die Ursachen für die Gewalt und vor allem für deren Zunahme in den letzten Jahren? Zumal es sich dabei nicht um einen neuen Befund handelt, wie man bereits vor anderthalb Jahren auch auf Achgut.com nachlesen konnte. Seinerzeit beklagte der Autor, dass die aus mehreren Gründen naheliegende Vermutung, dass an der Gewaltzunahme die in den letzten Jahren en masse neu zu uns Gekommenen wesentlich beteiligt sind, seitens der Mainstreammedien mit einer Art Omerta belegt ist. Und daran halten sich auch die vier Autoren des Krankenhaus Barometer 2019. Denn wie sie das Problem der „Ursachen von Übergriffen auf Mitarbeiter“ untersucht haben, genügt nicht einmal im Ansatz Standards sozialwissenschaftlicher Forschung. Es kommt vielmehr einer Arbeitsverweigerung sehr nahe. 

Wartezeiten und Gesinnung

Obwohl durchaus genug empirische Daten vorliegen, um dieses „Dunkelfeld“ hypothesengeleitet und zielgerichtet anhand von darauf zugeschnittenen Fragen und  Antwortkategorien zu erhellen, hat man nur ein bisschen an der Oberfläche gekratzt und dabei noch ganz unterschiedliche Arten von Ursachen – oder vielleicht besser: Risikofaktoren – in einen Topf geworfen. Daraus resultieren dann unter anderem so bahnbrechende Erkenntnisse, dass die drei häufigsten Ursachen für Übergriffe der „Zustand des Patienten“, ein „spezielles Patientengut“ oder „zu lange Wartezeiten“ seien.  

Beim Thema Wartezeiten fällt mir ungewollt mein bisher einziger Besuch (als Patient) in einer großen Notfallaufnahme vor etwa zehn Jahren ein, in die ich mich, direkt vom Flughafen kommend – in einem durchaus prekären Gesundheitszustand –, per Taxi begeben hatte. Nach bereits nicht unerheblicher Wartezeit teilte mir eine Schwester mit, dass es noch eine Weile dauern werde, da der zuständige Arzt bis auf Weiteres mit einem Notfall im OP beschäftigt sei. Wenn ich mich recht erinnere, habe ich damals der Überbringerin dieser schlechten Nachricht keine reingehauen – obwohl ich dazu gerade noch in der Lage gewesen wäre. Es scheint also noch irgendetwas anderes notwendig zu sein, damit unangenehme Wartezeiten tatsächlich zu einer Ursache für Übergriffe werden. Vielleicht, wie das Deutsche Ärzteblatt offenbar vermutet, eine rechtsextreme Gesinnung oder zumindest das Lesen von Hasskommentaren im Internet?

Foto: U.S. Navy via Wikimedia Commons

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Werner Liebisch / 02.01.2020

Andere Länder andere Sitten. Nun haben wir hierzulande zunehmend unschöne Sitten anderer Länder. Mit unter das gleiche Klientel das Feuerwerkskörper in Menschenmengen, auf Gebäude, Fahreuge, Polizei und Rettungskräfte feuert. Sind wir froh, dass sie hier sind, dass Deutschland bunter wird.

Susanne Weis / 02.01.2020

Mich nervt unglaublich die verpflichtende Teilnahme an einem mehrtägigen Deeskalationstraining, die uns Krankenhausmitarbeitern neuerdings aufgezwungen wird. Meine reguläre Arbeit, die paradoxerweise ja auch aus Arbeit für Zuwanderer besteht, bleibt während dieser Zeit liegen, staut sich an und muss von mir nachgearbeitet werden. Es ist also ein erheblicher Mehraufwand für viele von uns. Dabei bin ich in über 20 Jahren Krankenhaustätigkeit noch nie in eine Situation geraten, die ich nicht mit meiner bisherigen Lebenserfahrung, Menschen- und psychologischer Kenntnis hätte meistern können. Schlimm genug, dass man damit rechnen muss, dass die in Zukunft nicht mehr ausreichen werden! Das Schlimme ist auch, dass offiziell nicht so genau gesagt wird, WER da auf einmal so viel gewalttätiger wird und warum auf einmal JETZT. Dadurch ist eine Diskussion mit den Arbeitgebern zum Thema wie Schattenboxen. Der Gipfel des Absurden ist, dass ich am Ende womöglich selbst Schuld bin, wenn mir “etwas passiert” und ich nicht am Deeskalationstraining teilgenommen hatte. DDR 2.0: Die Mauertoten sind ja selbst Schuld. Sie wussten ja, dass man bei Mauerübertritt erschossen wird. Für die ertrunkenen Mittelmeer-Überquerer sind aber selbstverständlich wir verantwortlich. Denn die konnten ja nicht wissen, dass die überladenen Schrottboote eventuell kentern.

Steffen Huebner / 02.01.2020

Es ist ja heutzutage nicht nur das Personal in den Notaufnahmen, es sind auch Polizisten, Feuerwehrleute, Verkaufspersonal… u.v.a.m. bis zur Joggerin und ganz normalen Bürger von Bedrohungen & Gewalt betroffen. Schuld ist diese jahrzehntelang verfehlten Einwanderungspolitik, aber sollen jetzt alle den Bettel hinschmeißen? Leider wurde der von Merkel und den Ihrigen inszenierte Verfasungsbruch weder von Parlament, noch Justiz,  noch vom deutschem Wähler 2017 geahndet - immer mehr Demokraten verzweifeln daran und man fragt sich:  Wann macht der Letzte das Licht aus?

HaJo Wolf / 02.01.2020

@Armin Reichert: und wenn ich jetzt ein schönes Einzelzimmer möchte, muss ich dann dem Chefarzt eins auf Maul geben?

Petra Meinhardt / 02.01.2020

Ich habe 1996 mein Krankenpflegeexamen abgelegt und anschließend das Krankenhaus verlassen. Da zeichnete sich schon ab, dass die Arbeit nicht in Relation zum Gehalt steht und aufgrund der damals schon vorhandenen Maßnahmen bei der Personaleinsparung gab es schon da Ansätze gefährlicher Pflege. Ich fühlte mich nicht fähig, den Erwartungen (1 Schwester, 1 Schülerin) auf einer 36 Patienten Station mit vielen Frischoperierten gerecht zu werden und die Verantwortung dafür tragen zu müssen. Meine examinierten Kolleginnen zogen mich auf mit der Frage, warum ich einem Sesselpupserjob (in dem ich dann wieder zurückgegangen bin) der Arbeit im Krankenhaus vorziehe. Jetzt ist es leider so, dass die, die mich aufziehen wollten, bedauern, überhaupt in diesem Beruf die Ausbildung gemacht zu haben. Die jetzige Stationsarbeit bzw. Ambulanzarbeit brächte sie an den Rand eines Nervenzusammenbruches, die Übergriffe wären nicht auszuhalten, der damalige Idealismus hat sich um 180 Grad gedreht. Nun ist es für meine Kolleginnen zu spät einen neuen Beruf zu erlernen; wer sollte das auch finanzieren wollen wenn so dringend Pflegepersonal gesucht wird.

Michael Menzel / 02.01.2020

Also dem Beitrag von Sonja Dengler empfinde ich als ziemlich unerträglich. Was Sie hier in einen Topf werfen ist einfach unzulässig. Ihre “Meta-Ebene” hat nun wirklich nichts mit dem gemeinten Thema des Artikels zu tun. Dabei wissen Sie genau was gemeint ist und was nicht! Jedenfalls geht es hier nicht um weltanschauliche Diskrepanzen, was etwa Abtreibungen bestrifft. Das ist eine große moralische Problematik, die seit Jahrhunderten diskutiert und zumindest mit einem schwerwiegenden aber notwendigen, vorläufigen, gesellschaftlichen Kompromiss abgeschlossen wurde.  Ebenso wenig sind seltene, glücklicherweise nicht zunehmende, tatsächliche Verbrechen im innerklinischen, medizinischen Betrieb gemeint. Was exponentiell zugenommen hat ist die Gewalt von außen, die in die Krankenhäuser zunehmend hineingetragen wird. Das wäre politisch notwendigerweise aufzuhalten, aber wird ignoriert und verharmlost.

S. Salochin / 02.01.2020

Das Ärzteblatt, Herr Meins, gibt mit seiner verfälschten Darstellung der Situation wohl relativ trefflich ein realitätsgetreues Bild der Haltung der Funktionsärzteschaft wider. Zu dieser zählen nicht nur die Funktionäre der Kammern, sondern auch Chefärzte und Klinikleitungen. Wie auch sonst in der Medizin sticht Anpassung, gepaart mit Ehrgeiz und dem Willen zur Unterordnung über Begabung und Fähigkeiten. Mir persönlich ist es immer so vorgekommen, als ob diese Ungerechtigkeiten - anders als in anderen gesellschaftlichen Bereichen, zum Beispiel in der Wirtschaft - durch die ausgeprägte präexistente Hierarchie, insbesondere an Universitätskliniken, besonders befördert werde. Dort bin ich teilweise leitenden Ärzten begegnet, deren Auftreten (bei magerer wissenschaftlicher Kompetenz) nur noch in das Scenebook einer amerikanischen Scam-Soap über Nazi-Ärzte gepasst hätte. Diegleichen Malignome, die in diesem Milieu prosperieren, verdonnern ihre Untergebenen mit Sicherheit heute dazu, “die Schnauze zu halten” - sonst: Rausschmiss oder Geschasstwerden. Sie wollen in Ruhe in ihrem immer irgendwie tyrannischen System herrschen und wie früher die Provinzpotentaten ungestört von Kritik in ihrer Willkür bleiben. Nun mag es weniger maligne und stärker maligne Despoten geben, etwas von dieser Organisationsform wird sich aber immer abbilden und die Verwahrlosung unserer Gesellschaft in dem letzten Dutzen Jahre unter unserer geliebten Kanzlerin wird insofern keinen Beitrag zu einer positiven Entwicklung geliefert haben. Wer hier von niedrigen Hierarchien schwätzt, ist ein Lügner, Ignorant oder Idiot. (Wobei Hierarchien gerade z. Bsp. im OP-Saal prinzipiell unverzichtbar sind.) Kurz: Anpassung und vorauseilender Gehorsam wohnt der Ärzteschaft inne, insofern ist ihre Kritik in der Sache leider keine Überraschung. Meine eigenen Erfahrung: An einer großen Uniklinik plötzlich Sicherheitsdienst vor der Notaufnahme. Kommentar des Personals: “Schon immer dagewesen.” Einfach dick gelogen.

Stephan Bahr / 02.01.2020

Was ist denn daran so verwunderlich. Unser Land hat sich im Sinne der Grünen und Deutschlandhasser verändert, nun zählt halt wieder das Recht des Stärkeren. Da bleibt natürlich der deutsche Pazifist ohne Clan Power auf der Strecke und reibt sich nun verwundert die Augen.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen

Es wurden keine verwandten Themen gefunden.

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com