Wolfgang Röhl / 21.04.2011 / 09:07 / 0 / Seite ausdrucken

Powered by Fliegenfalle. Ein Energiewende-Witz

Als Michael Jürgs, Autor stets überraschender Sachbücher (neuester Titel: „BKA. Die Jäger des Bösen“) „Stern“-Chefredakteur war, erfreute er auch mich mal mit dem Fliegenfalle-Witz. Der geht ungefähr so: kommt ein Erfinder zum Patentamt. Er zeigt einen Bauplan. “Das ist eine Fliegenfalle. Hier fliegt die Fliege rein. Dann fliegt sie durch einen langen Gang um die Ecke. Nach der Ecke kommt eine Treppe. Dann setzt sich der Gang weiter fort bis zu einer weiteren Ecke. Gleich dahinter kommt wieder eine Treppe, und der Gang setzt sich fort…”  “Nun hören Sie auf”, sagt der Mann vom Patentamt, “hinter dem Gang kommt wieder eine Treppe und so weiter?“

“Das glaubt die Fliege auch”, sagt der Erfinder, “aber nach dem Gang kommt keine Treppe, sondern ein tiefer Schacht.” Der Amtmann, unbeeindruckt: „Aber warum nehmen Sie nicht einfach eine Klatsche und schlagen die Fliege tot?“ Der Erfinder, vollkommen verblüfft: „Oder so…“ Jürgs sprach, wenn er den Witz vortrug, das „s“ im „so“ immer aus wie das englische ti-äitsch, um den Erfinder schön bekloppt rüberkommen zu lassen.

Jürgs´ Witz kommt mir in Erinnerung, wenn ich Leute, denen man noch vor einigen Wochen einen soliden Restverstand zugetraut hätte, über die „Energiewende“ fabulieren höre. Soll so funktionieren: wir fangen mal hier, mal dort die dann und wann anfallenden, meist unerheblichen, kurzzeitig auch mal erheblichen Strommengen aus so genannten erneuerbaren Quellen ein. Bedauerlicherweise kann eine Industriegesellschaft mit solchem Energiesalat so gut wie nichts anfangen, weil Strom immer und zu jeder Jahreszeit konstant fließen muss.

Tut aber nichts, denn jetzt kommt die Fliegenfalle ins Spiel! Unsere dürftigen, schwankenden Stromerträge schicken wir auf eine lange Reise zu Stauseen, in welche damit Wasser gepumpt wird. Letzteres lassen wir durch Turbinen wieder abfließen und schicken den damit erzeugten, nunmehr stabilen Strom retour an den Verbraucher, erneut über the long and winding road. Geht wahrscheinlich, irgendwie. Ist bloß rasend ineffizient. Und: man müsste die Republik dafür mit noch mehr Hochspannungsleitungen überziehen, wie mit einem gigantischen Spinnennetz. Zudem schöne Täler fluten und risikoreiche Staudämme bauen, dass es kracht. Ferner noch hundertmal mehr daddelnde Riesenwindmühlen in die Fläche stellen. Bis das ganze Land aussieht wie ein Vergnügungspark, den die Insassen einer geschlossenen Anstalt erdacht haben.

Die schärfste Idee ist die, uns notfalls von den Nachbarn aushelfen zu lassen. Nein, nicht mit Atomstrom - der fließt seit dem faktischen Teilausstieg ohnehin wie noch nie über unsere Grenzen. Angedacht ist von einigen alternativen Geistesblitzern, zum Wohle des deutschen Privatvergnügens am Atomverzicht oben in Norwegen riesige Pumpspeicherkraftwerke zu errichten. Wer die Befindlichkeit der Norweger seit, sagen wir, 1940 kennt, mag erahnen, welch Begeisterung diese Ansinnen in ihnen wecken.

Die Atomausstiegsdebatte setzt Phantasien frei, die jeden Tag ein bisschen jecker werden. Warum nur, warum? Energie gibt es, wie jede darauf spezialisierte Agentur belegen kann, mittelfristig ohne Ende. Ständig werden neue Lager gefunden, neue Methoden entwickelt, bisher ungenutzte Energiequellen wirtschaftlich machbar zu erschließen („Shale Gas“). Kohle- und Gaskraftwerken wird also noch nach Jahrzehnten nicht der Treibstoff ausgehen. Gegensätzliche Horrorszenarien wurden schon vor Jahrzehnten in Umlauf gesetzt, erwiesen sich aber immer als Humbug. Warnungen, bald sei das Öl aufgebraucht, gab es bereits in den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Der letzte deutsche Kaiser glaubte übrigens fest an das Pferd. Das Automobil hielt er für eine Übergangserscheinung.

Selbst wenn Deutschland einen Sonderweg geht und als einzige Nation komplett aus der Atomenergie aussteigt, besteht kein Grund für den panikartigen Ausbau von Windkraft oder gar Solarenergie. Deren reale Einträge ins Netz werden gering bleiben, auch wenn sie powered by Fliegenfalle sind. Es bleibt genügend Zeit, an der Entwicklung gescheiter, leistungsfähiger Alternativen zu arbeiten. Etwa solche auf Wasserstoffbasis, die schon in der Mache sind. Wer würde denn bestreiten, dass in jedem der letzten Dekaden unfassbare, von niemandem vorausgesehene Technologiesprünge gemacht wurden? Glaubt jemand außerhalb der Greenpeace-Jugend ernstlich, die Stromversorgung der Zukunft werde auf altmodischen Windrädern oder Solarpanels basieren? Für wie dämlich und fortschrittsunfähig hält so jemand deutsche Ingenieure, von amerikanischen oder asiatischen zu schweigen?

Natürlich könnte man seinen eigenen Strom auch mit einem Dynamo erzeugen, indem man – etwa gemütlich vor dem holzbeheizten Ofen sitzend - ein Fußpaddel bewegt, wie alte Nähmaschinen es besaßen. Man darf dabei nur nicht fernsehen oder die Waschmaschine anstellen wollen. Oder man könnte eine pfiffige Autarkie-Idee der Nazis aufgreifen, die ganz nach dem Geschmack unseren Grünen sein müsste: Energieerzeugung durch Kohleverflüssigung (wurde bis 1943 praktiziert). Die Methode ist extrem aufwendig, superteuer und im Ertrag lachhaft. Echt alternativ eben.

Man könnte sich aber auch einfach mal was Schlaues einfallen lassen.

Oder so.

 

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