Nachdem der Kölner Dom bereits im vergangenen Jahr aus dem Logo der Stadt Köln verschwand, wurde er nun vom Erzbistum Köln ebenfalls aus seinem Logo entfernt. Es gehe darum, „die vielfältigen guten Seiten der Kirche nach außen hin deutlicher sichtbar zu machen“. Bei so viel Vielfalt stört die weltbekannte Kathedrale offenbar nur.
Als im vergangenen Jahr der Kölner Dom aus dem Logo der Stadt Köln verschwand (mein Vorgänger berichtete), hagelte es Kritik. „Das, wofür der Dom steht, also die christlich-abendländische Kultur im Allgemeinen und die katholische Kirche im Speziellen, wird von der Stadtverwaltung mittlerweile offenbar als imageschädigend betrachtet“, hieß es in der Welt. Genau jene (römisch-)katholische Kirche ist jetzt auf diesen Zug aufgesprungen: Das Erzbistum Köln hat seine Bischofskirche, das große Wahrzeichen der Metropole und Unesco-Weltkulturerbe, ebenfalls aus seinem Logo entfernt. Es gehe darum, so ein Kirchenbürokrat, „die vielfältigen guten Seiten der Kirche nach außen hin deutlicher sichtbar zu machen“ und „die Wahrnehmung […] des vielfältigen Engagements der Menschen zu fördern“. Bei so viel Vielfalt stört die weltbekannte Kathedrale mit ihren beiden charakteristischen Türmen offenbar nur.
Anstelle des alten Logos der von Kardinal Woelki geleiteten Diözese tritt nun ein neues – ohne die große Kirche am Hauptbahnhof. Dazu hat man ein altes Wappen umgestaltet, das Schild und Schwert enthielt. „Die Assoziation ‚Waffe‘ wurde im Zuge der Überarbeitung entkräftet bzw. minimiert“, schreibt ein „Design-Experte“, der die Neuerung lobt. Von Erzbistumsseite wird argumentiert, der Dom sei ein zu beliebiges Symbol der Domstadt geworden, und außerdem will man wohl die Gläubigen ansprechen, die nicht in Köln selbst leben, sondern in den vielen anderen Städten und Landkreisen der Diözese. Die mutmaßlich nie ein Problem mit dem Kult-Bauwerk hatten – von den Düsseldorfern vielleicht abgesehen. Immerhin: Aus Gründen der „Nachhaltigkeit“ habe man bei der Überarbeitung „ganz bewusst darauf geachtet, die Umsetzung schöpfungsverantwortlich und effizient zu halten“. Darauf eine Flasche Dom Kölsch – wobei selbst dessen Logo das Gebäude früher mal offensiver präsentiert hat als heute.
Bambus fressen an der Saar
Wenn der WDR schon alte Sendungen mit Trigger-Warnung versieht, will der Saarländische Rundfunk (SR) nicht hintanstehen. Eine Folge der Kultserie Familie Heinz Becker enthält nun offiziell „Passagen, deren Sprache und Haltung aus heutiger Sicht diskriminierend wirken können“. In der 1994 ausgestrahlten Episoden „Modenschau“ quittiert Heinz – dargestellt von Gerd Dudenhöffer – die Information, dass senegalesische Asylbewerber in einem Vereins-Tagungsraum einquartiert werden sollen, mit der Bemerkung: „Wenn’s nur keine Neger sind.“ Anschließend ergänzt er noch ein B-Wort: „Ist es denn schon so weit, dass die Bambusfresser mehr wert sind als die Vereinsmitglieder?“ (Jeweils ins Hochdeutsche übertragen.) Es lohnt sich, die ganze Szene im Licht der aktuellen Unterbringungsproblematik zu betrachten.
„Da wurde das Kind mit dem Bade ausgeschüttet“, kommentiert Alice Hoffmann, die damals Hilde Becker gespielt hat. Es hätte sich ja niemand beleidigt gefühlt und außerdem war das Satire. „Vor Satire sollte nicht gewarnt werden, sondern es sollte dazu aufgemuntert werden, sich mit Satire auseinanderzusetzen“, meint Dudenhöffer, findet aber bei der Verwendung gewisser Begriffe in Sendungen „die Einblendung von Warnhinweisen zumindest diskussionswürdig“.
Klavier ohne Russen
In der vergangenen Woche war wieder von der russischen Opernsängerin Anna Netrebko die Rede, deren Auftritte man canceln will. Allerdings kann es auch eine ukrainische Musikerin treffen. Pianistin Kateryna Titova wollte in Bayreuth eigentlich Mussorgskis weltberühmte Bilder einer Ausstellung spielen. Der Komponist ist zwar schon 70 Jahre vor Putins Geburt verstorben, war aber Russe. Offenbar gab es daher Drohungen „aus radikal ukrainischen Kreisen“, wie der Direktor des ortsansässigen Richard-Wagner-Museums, Sven Friedrich, berichtet. (Friedrich war übrigens selbst auch schon Cancel-Verantwortlicher.) Zum Schutze Titovas und ihrer Familie habe man das Programm des Wahnfried-Konzerts, das Ende letzten Monats stattfand, geändert. Titova brachte stattdessen unter anderem Beethoven und Liszt zu Gehör. Liszts Werk wurde einst übrigens die Russland-Fanfare entnommen.
Hautfarbenspiel
In Sachen der letztwöchig behandelten Dortmunder Kolonialismus-„Ausstellungswerkstatt“ gibt es Neues (an Sonntagen sollten hier nur „BiPoC“, also „Schwarze, Indigene/Eingeborene und Farbige“ Zutritt haben, Anm. d. Red.). Die Kulturstiftung des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) hat gegenüber Nius erklärt, der Zugang – an Samstagen von 10 bis 14 Uhr – sei gar nicht auf sogenannte „BIPoC“ beschränkt. Besucher würden „lediglich […] gebeten, dieses Experiment Safer Space zu unterstützen“. So will man sich offenbar vor rechtlichen Schritten auf der Grundlage von Antidiskriminierungs-Gesetzgebung schützen. Außerdem sollen sich Weiße mal nicht so anstellen, wie LWL-Kulturdezernentin Barbara Rüschoff-Parzinger sinngemäß sagt.
NIUS-Journalistin Judith Sevinç Basad (früher bei Bild) war während der besagten Zeitspanne vor Ort und erfuhr leider nicht, „wann ein BiPoC ein BiPoC ist, wie dunkel die Haut sein muss […], ob ich als Halbtürkin noch dazugehöre“. Basad wurde zwar nicht wie angedroht rausgeschmissen, als kurz vor 14 Uhr überhaupt erst ein Schwarzer den Raum betrat, eine Verantwortliche versuchte allerdings, diesem ein Gespräch mit ihr auszureden. Basad: „Eine Weiße, die eine Kolonialismus-Ausstellung leitet, will dem einzigen Schwarzen auf der Ausstellung vorschreiben, mit wem er zu reden hat.“ Für die örtlichen Grünen hingegen besteht das Problem, wie sollte es auch anders sein, in „weißen Privilegien“.
Aiwanger unerwünscht
In der Causa Aiwanger lässt sich ebenfalls etwas vermelden. Der Freie-Wähler-Chef ist im KZ Dachau nicht willkommen, das eine Rolle in dem Flugblatt spielte, welches – nach bisher unwiderlegter Erkenntnis – Aiwangers Bruder verfasst hatte. Der Vorschlag, dass der bayerische Vize-Ministerpräsident den Erinnerungsort besuchen sollte, stammt von Felix Klein. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung muss sich bei solchen Themen natürlich in den Medien zu Wort melden, auch wenn er nichts Sinniges beizutragen hat. „Von öffentlichkeitswirksamen politischen Besuchen im Vorfeld der bayerischen Landtagswahl möchte die KZ-Gedenkstätte Dachau absehen“, teilt diese mit. Aiwanger dürfe kommen, schränkt Karl Freller ein, Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten – und im Hauptberuf Landtagsvizepräsident für die CSU. Aber: „Eine Show-Veranstaltung mit Journalisten-Tross wäre für mich eine Farce und der Würde des Ortes nicht angemessen.“
Als SPD-Kanzlerkanzlerkandidat und Israel-Kritiker Martin Schulz dem Erinnerungsort im Wahlkampf 2017 einen solchen Showbesuch abstattete, jubilierte Freller noch. Der Besuch der damaligen Bundeskanzlerin im Bundestags- und Landtagswahlkampf 2013 wurde übrigens von einigen als „geschmacklos“ kritisiert, weil Merkel im Anschluss einen CSU-Bierzelttermin wahrnahm. Und diesen März haben Freller wie sein Parteifreund, Ministerpräsident Söder (CSU), eine Veranstaltung in der Gedenkstätte für Wahlkampfzwecke instrumentalisiert. Ein SPD-Bundestagsabgeordneter, der daran Kritik übte, wurde von Söder – seinem Naturell und dem genius loci entsprechend – gemaßregelt: „Jetzt seien Sie mal still und reißen Sie sich zusammen.“
Don’t tread on Jaiden
Aiwanger war ja von einem früheren Lehrer denunziert worden. Jaiden Rodriguez, einen 12-jährigen Schüler aus Colorado Springs in den USA, hat dieses Schicksal ohne jahrzehntelange Verspätung ereilt. Der Boy trägt verschiedene Aufnäher politischen Inhalts auf dem Rucksack, mit dem er zu Schule geht. Einen davon ziert die Gadsden-Flagge, die aus einer Klapperschlange und dem Spruch „Don’t tread on me“ – „Trampel(t) nicht auf mir rum!“ – besteht. Diese stammt aus der Amerikanischen Revolution, wurde von der Navy genutzt und gilt inzwischen als libertäres Zeichen. Nach einem Hinweis aus dem Lehrpersonal wurde Rodriguez zunächst vom Unterricht ausgeschlossen und dann zu einem Gespräch zitiert, um sich dort anhören zu müssen, die Gadsden-Flagge dürfe er in der Schule nicht zeigen, da sie etwas mit Sklaverei und Sklavenhandel zu tun habe. Man befolge nur die Vorschriften des Schulbezirks.
Die Angelegenheit ging viral, da die Mutter des Schülers das Gespräch auf Video aufgenommen hatte – was man in den meisten US-Bundesstaaten heimlich tun darf – und verbreitete sich über die sozialen Medien. Schließlich gab die Lehranstalt, die Vanguard School, nach. Die Gadsden-Flagge stehe für uramerikanische Grundsätze, denen man sich selbstverständlich verpflichtet fühle, so die Schulleitung. Der Gouverneur von Colorado, Jared Polis (Demokraten), wies auf die historische Bedeutung der Flagge hin und bezeichnete sie als „stolzes Symbol der Amerikanischen Revolution“. „Inzwischen wird sie zunehmend von extremen Rechten und Verschwörungsideologen verwendet“, lautet allerdings das Framing der deutschen Wikipedia … Rodriguez geht zwar wieder zur Schule und kandidiert für die Schülervertretung. Aber einen weiteren Aufnäher, der sich für das Recht auf Waffenbesitz ausspricht, darf er nicht tragen, wie die Bürgerrechtsorganisation FIRE beklagt.
Murphy’s law
Heute erscheint das neue Album der irischen Sängerin Róisín Murphy. Die Veröffentlichung wird überschattet von den Reaktionen auf einen persönlichen Facebook-Post Murphys, der öffentlich breitgetreten wurde. Darin hatte die frühere Frontfrau der Band Moloko den Einsatz von Pubertätsblockern bei angeblichen „Trans“-Minderjährigen beklagt. Es sei „absolut traurig“, „kleine verwirrte Kinder“ damit zu behelligen; „Big Pharma lacht sich auf dem Weg zur Bank kaputt“. In der Folge blies ein Shitstorm der Musikerin entgegen, ihre Plattenfirma stellte die Werbung für das Album ein und will den Erlös an Translobby-Organisationen spenden.
Murphy veröffentlichte eine Entschuldigung, in der sie gelobt, sich nicht mehr öffentlich zum Thema zu äußern. Allerdings nahm sie darin kein Wort ihrer Äußerung zurück und biederte sich nicht bei „Transpersonen“ an. Ihre Formulierung „Ich hätte auch wissen müssen, dass ich aus der Reihe getanzt bin“ spricht Bände. „Es hat nie irgendeinen Sinn, einen gesichtslosen und irrationalen Mob um Verzeihung zu bitten“, kommentiert die Feministin Jo Bartosch. Entschuldigung hin oder her, man wird nicht von der Künstlerin ablassen. Brendan O’Neill von Spiked sieht Parallelen zum Fall einer anderen irischen Sängerin, nämlich der kürzlich verstorbenen Sinead O’Connor. Der kurzhaarige Weltstar hatte 1992 massiven Gegenwind hervorgerufen, als er die römisch-katholische Kirche massiv für Kindesmissbrauch kritisiert hatte. Heute, so O’Neill, haben „wütende Typen mit schlechten Perücken“ die Rolle der Schwarzkittel übernommen, und unbotmäßige Frauen werden von Woken gejagt wie früher die Hexen.
And it burns, burns, burns …
Mehr Waldbrände durch Klimawandel – mit diesem irreführenden Narrativ treibt man die Klimahysterie an. Klimatologe Patrick Brown, Hauptautor eines kürzlich erschienen Fachzeitschriftenbeitrags, gibt jetzt zu: Er hat, damit sein Paper erscheinen konnte, nicht die ganze Wahrheit geschrieben. Das ist eine Seltenheit. Selbstverständlich nicht dieser Umstand, sondern dass sich jemand öffentlich dazu bekennt (hier auf Deutsch). Dem Titel des Artikels in der namhaften Zeitschrift Nature ist zu entnehmen, dass Klimaerwärmung zu mehr Bränden in Kaliforniens Natur führe. Weil Brown weiß, dass solche Fachzeitschriften – ihre Herausgeber und ihre Gutachter – beim Klimathema alarmistische Kassandrarufe verlangen, hat er sein Werk extra darauf zugeschnitten. Sonst hätte der Text nicht ins Narrativ gepasst und demzufolge den redaktionellen Prozess nicht überstanden. Er wäre nicht an renommierter Stelle veröffentlicht worden.
Das ist Brown nach eigener Aussage in den letzten Jahren mehrfach passiert. Wie ging er jetzt vor, um dieses Canceln zu vermeiden? Zunächst hat er die ganzen anderen Faktoren, die zu Waldbränden führen, einfach ausgeblendet, obwohl ihnen mehr Bedeutung zukommt. Zweitens müsse man, so Brown, in einem solchen Paper praktische Lösungen für ein Problem – hier die Waldbrände – „ignorieren oder wenigstens herunterspielen“, da sich sonst zu wenig Panik schüren ließe. Und drittens verwende man nicht die naheliegenden Messgrößen, sondern welche, mit denen man mehr Aufmerksamkeit erregen kann. Brown ist inzwischen von der universitären Forschung ans ökomodernistische Breakthrough Institut gewechselt, das einst von Achgut-Gastautor Michael Shellenberger mitbegründet wurde. In diesem „Exil“ genieße er mehr Freiheit.
Pflichtlektüre
In einem ihrer Bücher vertritt die Gender-Studies-Professorin Jasbir Puar die These, dass Israel die Leichen toter Palästinenser für Forschung an deren Organen brauche, und auch sonst antisemitischen Unfug. Jenes Buch erscheint auf der Leseliste für ein woke klingendes Seminar ihrer Kollegin Satyel Larson, die als Assistenzprofessorin an der amerikanischen Eliteuniversität Princeton lehrt. Verschiedene Organisationen und Personen, darunter der Präsident des Jüdischen Weltkongresses und ein israelischer Minister, verlangten, dass das Werk von der Lektüreliste genommen wird. Die Uni hat bisher offenbar nicht nachgegeben und nicht in Larsons Lehrfreiheit eingegriffen. Wenn die öffentliche Diskussion die Studenten erreicht und sensibilisiert haben sollte, wäre mehr erreicht.
Eine Torte statt vieler Worte
Gegen Andersdenkende wurde auch wieder in Form von physischer Gewalt vorgegangen. Tagesschau-Sprecher Constantin Schreiber wurde in Jena bei einer Lesung Opfer eines Tortenattentats. Grund: Schreiber hat sich in mehreren Büchern kritisch mit Erscheinungsformen des Islam auseinandergesetzt. Zuvor, so Bild, hätten Störer ihn als „rassistisch und islamfeindlich“ bezeichnet. In einem inzwischen gelöschten Tweet verurteilte eine „undogmatisch radikale Linke Jena“ den ARD-Journalisten als „Autor rassistischer Hasspamphlete“. Jena ist in Thüringen – wie in Sachsen Leipzig – eine Antifa-Hochburg, der Twitter-Account der genannten Gruppe solidarisiert sich unter anderem mit in Ungarn verhafteten deutschen Linksterroristen. Auch wenn eine Torte angenehmer erscheinen mag als der Hundekot, mit dem AfD-Politikerin Beatrix von Storch jüngst beschmiert wurde – es muss nicht bei Backwaren bleiben...
Und so endet der allwöchentliche Überblick des Cancelns, Framens, Empörens, Strafens, Umerziehens, Ausstoßens, Zensierens, Denunzierens, Entlassens, Einschüchterns, Moralisierens, Politisierens, Umwälzens und Kulturkämpfens. Bis nächste Woche!
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