- Deutsche Bürger sind wütend und gehen auf die Straße.
- Sie halten von den Medien überhaupt nichts, glauben denen allen kein einziges Wort - außer vielleicht „Russia Today“.
- Sie sind der Meinung, die bisher schweigende Mehrheit, „das Volk“, zu sein und von den Politikern da oben nicht ernst genommen zu werden.
- Sie sind sich ganz sicher, komplett verarscht und angelogen zu werden. Die da oben, wissen sie, machen doch eh, was sie wollen.
- Sie wissen, dass es Fremde sind, die ihre Interessen und das Land verraten.
- Sie verbreiten Verschwörungstheorien oder grenzen sich von Verschwörungsideologen nicht ab.
Na, von wem ist hier die Rede? Vom Pegida-Mob oder vom Mahnwachen/Friedenswinter-Mob? Von beiden! So groß ist der Unterschied nicht. Der Friedenswinter ist Pegida für Linke und Pegida die Mahnwachenbewegung für Rechte.
Die Fremden, von denen man der Meinung ist als Deutsche fremdbestimmt, ausgenommen und marginalisiert zu werden, sind wahlweise die Ausländer (Moslems/Islam/Asylanten bei Pegida und Co.) oder das internationale Kapital und die USA (US-Banken/FED/Brüssel/Nato/Israel/Juden bei den Mahnwächtlern). Sie, das deutsche Volk, jedenfalls sind die Guten. Beide leben von Ressentiments und Xenophobie. Und von Angst. Beide haben - und schüren - Angst vor Krieg. Die einen vor einem „Glaubens- und Stellvertreterkriege auf deutschem Boden”, die anderen vor einem Krieg mit Russland.
Die Schnittmengen sind groß: Jürgen Elsässer, der einer der Initiatoren der Mahnwachen war und sich als „Friedensaktivist“ bezeichnet, sympathisiert offen mit Pegida. Sein Magazin „Compact“ trommelt für beide Bewegungen, eine „Compact“-Mitarbeiterin trat als Rednerin bei einer Demo von Dügida auf. Zu dieser Demo mobilisierten auch die sogenannten Reichsbürger, die auch bei der „neuen Friedensbewegung“ ständig aufmarschieren. Bei beiden Bewegungen tauchten NPD-Kader auf. Die AfD – oder zumindest Teile der AfD - sympathisierte zunächst mit den Montagsmahnwachen, jetzt mit Pegida. Während beim Friedenswinter Putins Propagandaabteilung persönlich mitmischt („Russia Today“-Reporterin moderierte die Kundgebung), stolziert die Pegida-nahe AfD in die russische Botschaft zwecks “strategischer Beratung”.
Da können sich die „Friedenswinter“-Leute noch so sehr von Pegida und Co. öffentlich abgrenzen: Der Schritt von der einen zur anderen Bewegung ist nur ein kleiner, das ist offensichtlich. Beides sind rechtspopulistische Bewegungen, auch wenn bei der einen Prominenz der Linkspartei mitmarschiert. Hier offenbart sich nur, nun für alle sichtbar, der rechte Gehalt gerade der sich (fälschlicherweise) am linksten Wähnenden in der Linkspartei.
Es ist also eben nicht so, dass sich hier Links- und Rechtsextremisten annähern und man nur die Extremismustheorie auspacken muss und die ach so gute Mitte der Gesellschaft verteidigen. Sondern wir haben es mit einer originär völkischen Bewegung zu tun, die derzeit noch zwei Flügel hat. Und „völkisch“ das ist man in nicht wenigen linken Kreisen zwar auch immer schon gewesen, aber „völkisch“ ist nun einmal nicht links. Es ist das Gegenteil davon. Beide Bewegungen sind gleichzeitig so nebulös und weitläufig in ihren Forderungen und grenzen sich jeweils gegen Extremismus ab, so dass man hier genausogut die Mitte der Gesellschaft am Werk sehen kann.
Eine linke Antwort auf diese Bewegung kann nur antivölkisch sein, also “antideutsch”. Vielleicht ist es Zeit, diesen längst zur leeren Formel verkommenen Begriff wieder mit Inhalt zu füllen und offensiv in Gebrauch zu nehmen. Gegen Pegida und Friedenswinter gleichermaßen.
Zuerst erschienen in der Jungle World