Ivo Bozic / 15.12.2014 / 18:34 / 27 / Seite ausdrucken

Pegida für Linke

- Deutsche Bürger sind wütend und gehen auf die Straße.
- Sie halten von den Medien überhaupt nichts, glauben denen allen kein einziges Wort - außer vielleicht „Russia Today“.
- Sie sind der Meinung, die bisher schweigende Mehrheit, „das Volk“, zu sein und von den Politikern da oben nicht ernst genommen zu werden.
- Sie sind sich ganz sicher, komplett verarscht und angelogen zu werden. Die da oben, wissen sie, machen doch eh, was sie wollen.
- Sie wissen, dass es Fremde sind, die ihre Interessen und das Land verraten.
- Sie verbreiten Verschwörungstheorien oder grenzen sich von Verschwörungsideologen nicht ab.

Na, von wem ist hier die Rede? Vom Pegida-Mob oder vom Mahnwachen/Friedenswinter-Mob? Von beiden! So groß ist der Unterschied nicht. Der Friedenswinter ist Pegida für Linke und Pegida die Mahnwachenbewegung für Rechte.

Die Fremden, von denen man der Meinung ist als Deutsche fremdbestimmt, ausgenommen und marginalisiert zu werden, sind wahlweise die Ausländer (Moslems/Islam/Asylanten bei Pegida und Co.) oder das internationale Kapital und die USA (US-Banken/FED/Brüssel/Nato/Israel/Juden bei den Mahnwächtlern). Sie, das deutsche Volk, jedenfalls sind die Guten. Beide leben von Ressentiments und Xenophobie. Und von Angst. Beide haben - und schüren - Angst vor Krieg. Die einen vor einem „Glaubens- und Stellvertreterkriege auf deutschem Boden”, die anderen vor einem Krieg mit Russland.

Die Schnittmengen sind groß: Jürgen Elsässer, der einer der Initiatoren der Mahnwachen war und sich als „Friedensaktivist“ bezeichnet, sympathisiert offen mit Pegida. Sein Magazin „Compact“ trommelt für beide Bewegungen, eine „Compact“-Mitarbeiterin trat als Rednerin bei einer Demo von Dügida auf. Zu dieser Demo mobilisierten auch die sogenannten Reichsbürger, die auch bei der „neuen Friedensbewegung“ ständig aufmarschieren. Bei beiden Bewegungen tauchten NPD-Kader auf. Die AfD – oder zumindest Teile der AfD - sympathisierte zunächst mit den Montagsmahnwachen, jetzt mit Pegida. Während beim Friedenswinter Putins Propagandaabteilung persönlich mitmischt („Russia Today“-Reporterin moderierte die Kundgebung), stolziert die Pegida-nahe AfD in die russische Botschaft zwecks “strategischer Beratung”.

Da können sich die „Friedenswinter“-Leute noch so sehr von Pegida und Co. öffentlich abgrenzen: Der Schritt von der einen zur anderen Bewegung ist nur ein kleiner, das ist offensichtlich. Beides sind rechtspopulistische Bewegungen, auch wenn bei der einen Prominenz der Linkspartei mitmarschiert. Hier offenbart sich nur, nun für alle sichtbar, der rechte Gehalt gerade der sich (fälschlicherweise) am linksten Wähnenden in der Linkspartei.

Es ist also eben nicht so, dass sich hier Links- und Rechtsextremisten annähern und man nur die Extremismustheorie auspacken muss und die ach so gute Mitte der Gesellschaft verteidigen. Sondern wir haben es mit einer originär völkischen Bewegung zu tun, die derzeit noch zwei Flügel hat. Und „völkisch“ das ist man in nicht wenigen linken Kreisen zwar auch immer schon gewesen, aber „völkisch“ ist nun einmal nicht links. Es ist das Gegenteil davon. Beide Bewegungen sind gleichzeitig so nebulös und weitläufig in ihren Forderungen und grenzen sich jeweils gegen Extremismus ab, so dass man hier genausogut die Mitte der Gesellschaft am Werk sehen kann.

Eine linke Antwort auf diese Bewegung kann nur antivölkisch sein, also “antideutsch”. Vielleicht ist es Zeit, diesen längst zur leeren Formel verkommenen Begriff wieder mit Inhalt zu füllen und offensiv in Gebrauch zu nehmen. Gegen Pegida und Friedenswinter gleichermaßen.

Zuerst erschienen in der Jungle World

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Leserpost

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Axel Knappmeyer / 18.12.2014

Links = antivölkisch? Ist das nun die offizielle Definition dieses Begriffs? Also der Verein freier Menschen vs. Nationalstaaten im allg. oder westliche Staaten, die sich rechtsstaatlicher Organe bedienen, um das abstrakte Recht wirken zu lassen, so dass das Individuum sich gegen den Zugriff des Kollektivs zur Wehr setzen und sich emanzipieren kann - ggü. den totalitären Staaten, die weder Gewaltenteilung noch den Willen besitzen, ansatzweise so etwas wie eine offene (Einwanderungs)Gesellschaft zulassen zu wollen? Also kann man links sein und für ein Staatsgebilde - trotz der fundamentalen Kritik am Staat als solches seitens der Linken - insb. der Antideutschen, die ja ein Sammelsurium von Antinationalisten, Ex-KBlern, zeitgenössischen Westkommunisten et al. sind? Ergo: wartet also der moderne (westliche: da hat W. Pohrt recht: es wird am meisten dort vom K. geredet, wo er am wenigsten wirkt) Kommunist nur auf die Abschaffung des Kapitalismus “auf seiner höchsten Stufe”, wie es sein (ehemaliges?) Avantgardeblättchen Bahamas und dessen D-prominenter Chefagitator J. Wertmüller formulierte? Ich erachte das Ganze als viel Lärm um nichts. Pegida und andere werden sich im Sommer in Luft aufgelöst haben. Die subtanzielle Fremdenfeindlichkeit in dieser Gesellschaft wird das alles kompensieren. Ob nun links oder rechts: Der Deutsche will keine Einwanderungsgesellschaft haben - wie auch? Wenn in jeder Sonntagsrede die guten alten Traditionen beschworen werden, die der Europäer, die alten, die es nun mal schlechter haben als Amerika, das keine Basalte hat, keine alten… Solange weder CDU noch SPD sich für ein Einwanderungsgesellschaft politisch stark machen, also die Parteien der sog. Mitte, wird das nie was werden.

Christoph Schrief / 17.12.2014

Danke für den Artikel. Ganz im Sinne von: „Ihre Autorinnen und Autoren lieben die Freiheit und schätzen die Werte der Aufklärung.” Ich bin großer Fan von „achgut”, wundere mich allerdings über die Kommentatoren. Haben die vielleicht etwas falsch verstanden und sind hier vielleicht am falschen Platz?

Thomas Scholz / 16.12.2014

Das Linke Ideologen und Rechte Ideologen zusammenpassen dafür gibt es ja Beispiele, Horst Mahler fällt mir dazu ein. Auch die Agitationthemen sind ja fast Deckungsgleich, Antikapitalismus, Antiamerikanismus, Antisemistismus ( Antizionismus) und die große Liebe zu Rußland. Das sind ja alles bekannte Dinge. Was einen so wütend macht sind diverse Äußerungen von Politikern, die reflexartig die Nazikeule schwingen und jeden diffamieren der eine andere Meinung hat! Mit erhobenen Zeigefinger wird das zu erziehende Volk gemaßregelt! Antifaschistische Moralapostel! Vielleicht sind ja gerade diese Damen und Herren Politiker, die in jeder Talkshow, vor jedem Mikrofon dieses Gesülze von sich geben, der Grund dafür das immer mehr Bürger auf die Strasse gehen. Der AntifaschistischeSCHUTZwall, SCHUTZhaft…ja diese Oberlehrer der Nation wollen uns so lange SCHÜTZEN bis auch dem letzten Bundesbürger der Freiheitswille ausgetrieben wurde!

Martin Wehlan / 16.12.2014

Was ist aus der “Achse des Guten” nur geworden ? Haben Sie inzwischen Angst vor den Geistern, die Sie gerufen haben und nun nicht mehr loswerden ? Wie gern habe ich “Hurra wir kapitulieren” gelesen und Broders Deutschland- und Europa-Safari gesehen. Wir angenehm die Artikel über Sarrazin. Auch die AfD wurde anfangs wohlwollend begleitet. Ohne diese angenehmen Dinge gäbe es PEGIDA doch gar nicht. Es wurde etwas angesprochen, das die offizielle Politik tabuisiert hatte. Irgendwann kam der Bruch. Es fing an mit einem Artikel über die Proleten in der AfD von Herrn Moll, wobei der AfD völkisches Denken unterstellt wurde. In etwa dieselbe Richtung geht der Artikel von Herrn Bozic. Wenn sich nun die “Achse” gegen PEGIDA und auch gegen die AfD wendet, dann gibt sie indirekt der tabuisierenden Politik und den PC-Medien recht. Denn man sieht ja, was dabei herauskommt, wenn man Themen anspricht, die nicht politisch korrekt sind: Sofort werden die völkischen Gedanken exhumiert. Die Mainstream-Medien haben also doch alles richtig gemacht, wenn sie bestimmte Themen tabuisieren - oder was ?

Dr. Nathan Warszawski / 16.12.2014

Liest man die Leserkommentare, dann muss der Artikel ausgezeichnet sein!

Martin Schott / 16.12.2014

Sehr guter Beitrag, Herr Bozic. Fasst zusammen, weshalb ich der Pegida - nämlich aufgrund ihrer Vordenker und Unterstützern wie Herrn Elsässer - nicht wirklich über den Weg traue. Wenn ich das so darstelle wie Sie, werden meine Kommentare bei den Qualitätsmedien seltsamerweise ständig gelöscht.

Thomas Bonin / 16.12.2014

“Schuster, bleib bei deinem Leisten.” Diese Thematik ist (im Übrigen nicht nur für Herrn Bozic) offenbar zu komplex (geworden), als dass sie sich mal eben fix per vergleichendem Strickmuster erklären und bewerten ließe. Herausgekommen ist ein unausgegorenes Elaborat, welches doch eher an die Schreibkünste redaktionell auf Linie getrimmter SPON-Volontäre erinnert. Selbst gelegentliche Leser von Jungle World haben Besseres verdient!

Engelbert Gartner / 16.12.2014

Ich hoffe, dass Sie mit diesem Beitrag nur provozieren wollen. E. Gartner

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