Aber darum geht es ja gar nicht. Es geht um Flugzeugteile, die einfach abfallen, obwohl sie nicht abfallen dürften. Das hat weniger mit Piloten zu tun, obwohl es toll ist, dass sie trotzdem ihren Vogel heil runterbringen, sondern mit der Wartung der Flugzeuge. Anscheinend wird an dieser Stelle gespart oder der Zeitdruck ist zu hoch.
Ich weiß aus sicherer Quelle, dass nicht Sullenberg die Maschine gewassert hat, sondern der Copilot. Aber offenbar gibt es da eine Art Ehrenkodex im Cockpit, wonach der dienstältere Pilot den Ruhm einheimsen darf. Was ich bei der Gelegenheit auch erfahren habe: Wassern kann man nicht üben, da dass die Simulatoren nicht hergeben. Von daher grenzt jede geglückte Wasserung an sich schon an ein Wunder, wobei es vermutlich auf dem Hudson, wegen des Fehlens größerer Wellenberge und -täler, etwas leichter sein dürfte als auf hoher See. Zum Thema: Im Grunde tauchen diese Fragestellungen auf, seitdem der Mensch Werkzeuge benutzt. Jede Technologie schafft Gefahren, die es vorher nicht gab. Als der Mensch von Rohkost zu Gekochtem bei der Nahrung wechselte, hatte das deutliche evolutionäre Vorteile, wenn auch die ein oder andere Hütte (bis heute) abbrennt, wenn der Reis auf dem Herd vergessen wurde oder die Fettpfanne explodiert. Alles, was der Mensch erschafft, ist fehlbar wie der Mensch selbst. Der BGH sagt, ein Fehler bei 10.000 Zeilen Programmcode sei kein Mangel der Software im Rechtssinne. Für Ingenieure und Perfektionisten wird das immer ein Rätsel sein. Für uns Normalmenschliche ist das tröstlich. Denn wenn wir unsere Geräte schon nicht perfekt machen können, weil wir es selbst nicht sind, müssen wir an uns auch nicht die höchsten Maßstäbe anlegen. Das entlastet.
Saskia Esken “„Ehrlich gesagt, halte ich grundsätzlich nicht viel vom Sitzenbleiben, weil Teilleistungsschwächen oder eine schwierige Phase, die man gerade persönlich durchmacht, oder was auch immer dahinter steckt, ja nicht dadurch behoben werden, dass man einfach ein Schuljahr wiederholt.“” Vielleicht sollte man den Piloten lieber doch weglassen und die Arbeit den Computer machen lassen. Bloß was passiert, wenn ein solcher ‘Schulabschluss’ künftig zum Bau und der Programmierung des Computers als ausreichend angesehen werden muss?
Ich gebe zu, dass ich nichts dagegen habe, wenn Computer dem Piloten meines Fluges soviel Arbeit wie möglich abnehmen. Mit wachsender Komplexität der Technik stößt der Mensch nun mal an die Grenze seiner Leistungsfähigkeit. Das sind dann die Unfälle, für die als Ursache “menschliches Versagen” genannt wird. Der Mensch ist nicht jeden Tag in der gleichen Form, der Computer aber schon. An der wachsenden Sicherheit im Luftverkehr hat der Computer sicher einen grossen Anteil. Und für die Notwasserung auf dem Hudson sitzt ja der Flugkapitän auf seinem Platz.
Toller Bericht der die komplexen und komplizierten technischen Zusammenhänge hervorragend und auch für Laien sehr gut verständlich auf den Punkt bringt! Das ganze frei von Ideologie und der Sache verpflichtet. Vielen Dank dafür, Herr Hofmann-Reinecke!
Sehr schön und anschaulich beschrieben, Herr Hofmann-Reinecke! Regelmäßige sachliche Berichte zu größeren Flugunfällen und einiges mehr gibt es übrigens im Blog “flugundzeit.blog”, geschrieben von einer aktiven Pilotin. Sie sprechen auch zwei wesentliche Faktoren an, die außerhalb der Fliegerei weitaus weniger wichtig genommen werden: regelmäßiges Training und unzuverlässige Sensoren. Bei den Sensoren nimmt man in der Fliegerei oft einfach mehrere, aber selbst das ist keine Garantie: wenn zwei unterschiedlich anzeigen, welcher ist richtig? Selbst bei drei Sensoren kann es sein, daß gerade der eine abweichende der richtige ist, das ist dann aber schon besonders außergewöhnlich. Die Sorgfalt hier vermisse ich z.B. im Bereich des autonomen Fahrens: bei den Sensoren ist eigentlich fast nichts redundant und Fahrertrainng ist nicht vorgesehen! Dazu kommt dann noch, daß auf der Straße keinen Lotsen gibt und man meist sehr viel schneller reagieren muß. In den drei Minuten, die bei AF 447 das Flugzeug ungesteuert gefallen ist, aber beliebig viel Platz um sich herum hatte, ein Rettungsmanöver zu fliegen, ist man schon bei Tempo 50 bereits 2,5 km weit gefahren!
Nach dem Zusammenstoß zwischen Gänsen und Airbus wurden noch in 2009 1235 Vögel und 1739 Eier vernichtet. Weitere 70000 Vögel sind in der Folge bis 2017 geschlachtet worden. Sullenberger war sicherheitsbewusst und deshalb vorbereitet. Nach Ansicht kompetenter Kommentatoren war die Airbus Katastrophe vermeidbar: Einfach geradeaus weiterfliegen und das Problem hätte sich nach einer Minute in Luft aufgelöst. Die unbedarfte und hektische Reaktion der des Fliegens ziemlich unkundigen Piloten hatte den zwangsläufigen Absturz zur Folge. Die 737 Max Abstürze waren ebenfalls vermeidbar. Ein Pilot hatte das am Vortag des ersten Absturzes bewiesen: Die Crew war rat- und ahnungslos, ein zufälliger Mitflieger im Cockpit der Lion Air Maschine gab den entscheidenden Tipp: Kippschalter umlegen und weiterfliegen. Das Problem ist die mangelhafte Ausbildung der Piloten. Wenn sie plötzlich selber fliegen müssen, weil der Autopilot überfordert ist, sind sie ratlos, weil sie den Vorgang nicht ausreichend geübt haben. Die Reaktion des Piloten muss nicht unbedingt 100% korrekt sein. Ein Erfahrener formulierte es: That looks almost right. Was im Detail zu tun ist hängt von Flugzeugtyp und der Situation ab. Die Besatzung sollte sich prophylaktisch damit vertraut machen. Wer im Krisenfall erst zu suchen anfängt reagiert zu spät oder falsch.
Als Segelflieger, der schon als Bub mit 15 damit angefangen hat war ich immer der Meinung, dass die Airliner-Piloten, das zuerst lernen sollten - ist besser als jeder Simulator. Das ist ein 4-Wochen Kurs an einem kleinen Flugplatz, Sprechfunk kann er auch schon mal üben. Der Simulator kann eben nicht vermitteln, wie es sich anfühlt, wenn du einen Steilkreis fliegst, wenn das Ding über eine Fläche weggeht, und wie du das ganz leicht wieder abstellen kannst - und was du auf keinen Fall falsch machen darfst, usw. Kurz: Es fehlt am Gefühl im Arsch. Als ich meine Sprechfunklizenz machte, Ende der 60er Jahre, am Tower des Flughafens Stuttgart, da kamen wir in Kontakt mit den Lotsen natürlich, aber auch mit ein paar Piloten. Einer besuchte uns mal am Flugplatz, erzählte stolz, er habe den Segelflugfliegerschein gemacht. Er meinte: Ganz herrlich, kein Krach da oben, nur die Strömung, kannst nach Gehör fliegen, ein Traum. Nur das Landen, meinte er, das ist schon eine fickrige Sache, sei er so nicht gewöhnt gewesen. Wir machen das bei jeder Landung, eine Ziellandung, nach Augenmaß, Aufsetzen ein Meter nach dem Landekreuz - und sanft, wir nannten das “Eierlandung”, weil nicht mal rohe Eier auf der Landebahn zerbrochen wären, so sanft. (Gut, Fliegerlatein, vorher gekocht waren sie dann schon). Die Passagiere von Sully Sullenberger hatten das Glück, eine solche Eierlandung überleben zu dürfen. Ich musste zum Glück nie notwassern (auch nicht rausspringen mit Fallschirmchen), aber klar war: Du sinkst eben sehr schnell ein. Sullenberger hatte Glück, das Hudson-Wasser war spiegelglatt; bei Wellengang hätte er keine Chance gehabt (Vorschrift: “Auf den Wellenbergen landen”, auf geht’s). Trotzdem eine Bravourleistung, denn wenn ihm die unten hängenden Triebwerke die Tragflächen nach hinten abgerupft hätten, weil sie bei zu hoher Geschwindigkeit zu rasch einsinken können, dann ... . Da müsste eine Sollbruchstelle für die Triebwerke her, absprengen, die Dinger. An Boeing und Konsorten.
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