Alles soweit richtig, dennoch zwei Anmerkungen: “Vernünftige Sensoren bekommt man nicht hin”. Nun, ja, es fallen neben Sensoren auch gelegentlich andere Baugruppen aus. Ob die Sensoren in der Statistik vorne stehen, sollte man recherchieren. Die AF447 hatte Sensoren, die zum Vereisen neigten. Deren Austausch war schon geplant. Andere Maschinen des gleichen Typs hatten von Anfang an Sensoren eines anderen Herstellers, die nicht vereisten. Das Problem der 737 Max lag in einer verhängnisvoll fehlerhaften Software, die in den uralten und langsamen Computer der Flugsteuerung implementiert worden war. Deshalb hat der Ausfall nur eines Sensors zu den Unfällen geführt. “Sully hatte die Geistesgegenwart, sofort die „APU“, das kleine Hilfstriebwerk im Heck der Maschine zu starten, um Elektrizität und Hydraulik für die Steuerung zu haben. Als Segelflugpilot wusste er, dass man auch ohne Motoren fliegen kann”. Das Starten der APU ist keiner besonderen Geistesgegenwart des Piloten zu verdanken, sondern das vorgeschriebene Prozedere für diesen Fall. Dass ein Flugzeug auch ohne Antrieb fliegt, weiß jeder Pilot und er muss es auch beherrschen. Jets sind sogar sehr gute Segler. Die wichtigste Entscheidung von Sully war, wo man landen würde: La Guardia, wo man herkam, hätte man nicht mehr erreicht. Teterboro hätte klappen können, war aber sehr knapp, scheitern hätte eine Katastrophe bedeutet. So blieb der Hudson.
Der “Computer” im Flugzeug ist in Wirklichkeit ein Rechenzentrum, das aus vielen redundant arbeitenden Computern besteht, die sich gegenseitig überwachen. Ähnlich ist es bei den Gebern. Jeder Jumbojet hat drei Pitotrohre zur Messung der Strömungsgeschwindigkeit. Leider täuscht die Redundanz Sicherheit vor, die in Wirklichkeit viel kleiner ist als das Produkt der einzelnen Ausfallwahrscheinlichkeiten. Unter ungünstigen Witterungsbedingenen vereisen alle drei Pitotrohre gleichzeitig und die Warnung für Strömungsabriss wird ausgegeben. Meiner Meinung nach haben Flugzeuge nicht zu viel Technik, sondern zu wenig. Eine intelligente Software, die aus der Bodengeschwindigkeit durch GPS und der errechneten Windgwschwindigkeit die Strömungsgeschwindigkeit bei Ausfall der Pitotrohre berechnet, könnte die Sicherheit deutlich verbessern.
Auch hier ein Hinweis auf ein interessantes Buch: Airframe von Michael Crichton, zwar schon von 1996, aber spannend und passend zum Thema. Probleme in der Luftfahrt (nicht nur dort) sind der Kostendruck und die Umweltauflagen (Lärmbelästigung und Abgase). Diese lassen sich oft nur noch durch massiven Einsatz von Elektronik und Software erfüllen. Stealth-Aircrafts sind überhaupt nur noch mit Computer-Hilfe stabil zu handhaben. Es fehlt den Piloten nicht nur an Übung sondern auch an den Möglichkeiten, mithilfe der herkömmlichen Steuermechanismen eine stabile Fluglage zu erreichen und zu halten. Es sind einfach zu viele Stellgrößen. Die Sensorik ist nicht das einzige schwache Glied, auch die angeblich gigantischen Fortschritte der “Computerei” sind eher Augenwischerei. Ja, die Prozessoren sind heute um ein vielfaches schneller als in den 70ern, damals 4-8MHz, heute 4-8 GHz (Faktor grob 1000) plus Multicore, Speicher ist um den Faktor 1.000.000 größer geworden. Trotzdem kann man noch eine Menge Fehler in der Software machen, Kein neues System wird mehr von Grund auf “neu” entwickelt. Es setzt auf vorhandenen Werkzeugen und Bibliotheken auf. Selbst wenn alle einzelnen Bestandteile jeweils zu 99% fehlerfrei sind, so ist bei 50 kombinierten Bestandteilen die Wahrscheinlichkeit der Fehlerfreiheit nur noch ca. 60%. Wer möchte sich unter dieser Perspektive noch in ein autonomes Strassenfahrzeug setzen, wenn diese Systeme schon in der Luftfahrt versagen?
Hier über Mecklenburg drehen regelmässig Airbus-Flieger ihre Kreise. Da aus Hamburg kommend und auch dahin zurückkehrend gehe ich davon aus dass es Erprobungsflüge neuer Maschinen sind. (Die Pilotenausbildung macht i.d.R. einen Touch-and-go in Laage). Ich habe hier dann auch schon beobachtet dass die Flieger relativ tief geflogen sind (so 2.000 ft) und dann über der Ostsee stark erst an Geschwindigkeit und dann schlagartig ab Höhe verloren und anschliessend wieder beschleunigten und stiegen. (Flightradar ist ein tolles Spielzeug). Ich habe mir das nur damit erklären können dass im Probeflug ermittelt wurde wann ein Strömungsabriss eintritt. Diese Prozedur beherrschen aber wohl, Ihrem Artikel folgend, nur noch die Testpiloten.
Aber darum geht es ja gar nicht. Es geht um Flugzeugteile, die einfach abfallen, obwohl sie nicht abfallen dürften. Das hat weniger mit Piloten zu tun, obwohl es toll ist, dass sie trotzdem ihren Vogel heil runterbringen, sondern mit der Wartung der Flugzeuge. Anscheinend wird an dieser Stelle gespart oder der Zeitdruck ist zu hoch.
Ich weiß aus sicherer Quelle, dass nicht Sullenberg die Maschine gewassert hat, sondern der Copilot. Aber offenbar gibt es da eine Art Ehrenkodex im Cockpit, wonach der dienstältere Pilot den Ruhm einheimsen darf. Was ich bei der Gelegenheit auch erfahren habe: Wassern kann man nicht üben, da dass die Simulatoren nicht hergeben. Von daher grenzt jede geglückte Wasserung an sich schon an ein Wunder, wobei es vermutlich auf dem Hudson, wegen des Fehlens größerer Wellenberge und -täler, etwas leichter sein dürfte als auf hoher See. Zum Thema: Im Grunde tauchen diese Fragestellungen auf, seitdem der Mensch Werkzeuge benutzt. Jede Technologie schafft Gefahren, die es vorher nicht gab. Als der Mensch von Rohkost zu Gekochtem bei der Nahrung wechselte, hatte das deutliche evolutionäre Vorteile, wenn auch die ein oder andere Hütte (bis heute) abbrennt, wenn der Reis auf dem Herd vergessen wurde oder die Fettpfanne explodiert. Alles, was der Mensch erschafft, ist fehlbar wie der Mensch selbst. Der BGH sagt, ein Fehler bei 10.000 Zeilen Programmcode sei kein Mangel der Software im Rechtssinne. Für Ingenieure und Perfektionisten wird das immer ein Rätsel sein. Für uns Normalmenschliche ist das tröstlich. Denn wenn wir unsere Geräte schon nicht perfekt machen können, weil wir es selbst nicht sind, müssen wir an uns auch nicht die höchsten Maßstäbe anlegen. Das entlastet.
Saskia Esken “„Ehrlich gesagt, halte ich grundsätzlich nicht viel vom Sitzenbleiben, weil Teilleistungsschwächen oder eine schwierige Phase, die man gerade persönlich durchmacht, oder was auch immer dahinter steckt, ja nicht dadurch behoben werden, dass man einfach ein Schuljahr wiederholt.“” Vielleicht sollte man den Piloten lieber doch weglassen und die Arbeit den Computer machen lassen. Bloß was passiert, wenn ein solcher ‘Schulabschluss’ künftig zum Bau und der Programmierung des Computers als ausreichend angesehen werden muss?
Ich gebe zu, dass ich nichts dagegen habe, wenn Computer dem Piloten meines Fluges soviel Arbeit wie möglich abnehmen. Mit wachsender Komplexität der Technik stößt der Mensch nun mal an die Grenze seiner Leistungsfähigkeit. Das sind dann die Unfälle, für die als Ursache “menschliches Versagen” genannt wird. Der Mensch ist nicht jeden Tag in der gleichen Form, der Computer aber schon. An der wachsenden Sicherheit im Luftverkehr hat der Computer sicher einen grossen Anteil. Und für die Notwasserung auf dem Hudson sitzt ja der Flugkapitän auf seinem Platz.
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