Gastautor / 04.01.2012 / 23:46 / 0 / Seite ausdrucken

Mit Mitt oder mit Rick

Kevin Zdiara

Gestern also fing der Vorwahlkampf der Republikaner in den USA offiziell an und Deutschland wusste bereits davor, dass der Weltuntergang droht. Ein Blick auf die Überschriften deutscher Tageszeitungen lässt tief blicken. Das Kandidatenfeld der Republikaner wird dort wie folgt beschrieben: „Club der Lügner, Demagogen, Ignoranten“ (Spiegel Online), „Obamas Gegner zwischen Wahn und Mittelmaß“ (WELT online), „Mit Gott in den Krawall“ (FAZ.net), „Wettstreit der Unzulänglichen“ (Süddeutsche). Solch plakative Einfachheit ist man in der Regel nur von der Bild-Zeitung gewohnt, doch wenn es gegen das konservative Amerika geht, dann darf in deutschen Redaktionsstuben auch mal gehobelt werden. Nach einer intensiven Lektüre dieser Artikel wird man am Ende leider feststellen, dass man herzlich wenig über den eigentlichen Wahlkampf, dafür aber umso mehr über unselige antiamerikanische Ressentiments der schreibenden Klasse in Deutschland gelernt hat.

Dabei war es eine durchaus spannende erste Wahlnacht. Erst in den frühen Morgenstunden stand fest, dass Willard ‚Mitt‘ Romney mit gerade einmal acht Stimmen vor Rick Santorum lag und auch Ron Paul mit lediglich vier Prozent hinter den beiden führenden Kandidaten an dritter Stelle kam.

Natürlich bedeuten die Caucuses in Iowa nicht das Ende des Wahljahrs, sie markieren vielmehr den Beginn. Spätestens im September bei der Republican National Convention steht endgültig fest, wer Barack Obama herausfordert. Sehr wahrscheinlich wird das Rennen aber zwischen Romney und Santorum ausgetragen. Bereits heute hat Michele Bachmann das Ende ihrer Kampagnen bekannt gegeben, Rick Perry, der in Iowa mit 10.3% gerade einmal den fünften Platz gemacht hat, wird wohl als nächster aus dem Rennen aussteigen und Newt Gingrich verfehlte mit 13.3% und einem enttäuschenden vierten Platz ebenfalls sein Ziel. Sollten Perry und Gingrich aufgeben, werden sie mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit nicht Romney empfehlen, den Gingrich in der letzten Woche noch als Lügner bezeichnet hat, und mit dem sich Perry hitzige Auseinandersetzungen geliefert hat. Für Perrys Anhänger ist Romney größtenteils sowieso zu liberal, einige von Gingrichs Sympathisanten hingegen könnten für Romney den entscheidenden Unterschied machen.

Es gab in Iowa aber noch den dritten Platz, der an Ron Paul ging. Doch man sollte sich davon nicht beeindrucken lassen. Iowa gilt als Bundesstaat, der traditionell zum außenpolitischen Isolationismus neigt, außerdem zogen die Caucuses in diesem Jahr eine sehr große Zahl von Wählern an, die sich als Independents oder Demokraten bezeichnen. 2008 waren das lediglich 13%, während sich diese Zahl 2011 mit 24% nahezu verdoppelte und von diesem Viertel der Wähler stimmten wiederum 43% für Ron Paul. Paul wird nicht zuletzt aus diesem Grund nicht die Nominierung der Republikaner erhalten, weiterhin wird darüber spekuliert, ob Paul nicht als Kandidat für eine dritte Partei antritt. Ron Paul vertritt die politischen Ränder – links wie rechts –, die es immer und überall gibt, man sollte ihm letztlich nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken. Immer wieder gelang es Politikern vom politischen Rand bei den Caucuses oder Primaries hohe zweistellige Zustimmungswerte zu erhalten, wie beispielsweise den beiden antisemitischen Verschwörungstheoretiker Pat Robertson und Pat Buchanan, ohne jedoch am Ende eine reelle Chance auf die Nominierung zu haben. Außerdem haben die Iowa Caucuses der vergangenen Jahre gezeigt, dass deren Aussagekraft begrenzt ist und dort keineswegs über die Nominierung entschieden wird. Weder John McCain, George H.W. Bush noch Ronald Reagan gewannen in den Caucuses und schafften es am Ende dennoch zum republikanischen Präsidentschaftskandidaten, was natürlich im Umkehrschluss nicht bedeutet, dass der Sieger, also Romney, keine Chancen auf Nominierung hat (George W. Bush und Gerald Ford kann man hier als Beispiele nennen).

Paul sollte einfach als das gesehen werden, was er ist, ein seniler Pausenclown. Romney und Santorum hingegen befinden sich mit ihren Positionen im amerikanischen Mainstream, wobei interessant ist, dass weder Romney noch Santorum für die strikte fiskalpolitische Ausrichtung der Tea Party steht.

Santorum, gläubiger Katholik, versucht sich als der sozialkonservative Kandidat zu positionieren, was ihm Empfehlungen von zwei führenden Persönlichkeiten aus diesem Bereich, von Bob Vander Plaats und Chuck Hurley, eingebracht hat. Doch seine zwölf Jahre im US-Senat machen ihn vor allem auch zu einem Washingtoner Insider, was gegenwärtig in den USA, wo der Kongress die niedrigsten Zustimmungswerte aller Zeiten hat, nicht unbedingt eine Auszeichnung ist.

Seine Kampagne steht unter dem Motto „The Courage to Fight for America“ und sein Programm weist, wie ihm von vielen Kommentatoren vorgeworfen wird, keine besonders innovativen oder prägnanten Vorschläge auf. Sein Fokus liegt auf dem Schutz und der Unterstützung der Familie als wichtigster Institution in der Gesellschaft. Außenpolitisch tritt Santorum für den amerikanischen Exzeptionalismus ein und er hat sich bereits während seiner Zeit als Senator für eine schärfere Sanktionspolitik gegen den Iran eingesetzt, sowie jeglichen Dialog mit dem Mullah-Regime abgelehnt. Ein wenig bezeichnend war es in den letzten Tagen schon, dass kurz vor dem Beginn der Caucuses das Hauptaugenmerk der Journalisten auf Santorums Pullunder-Vielfalt und nicht seine politisches Programm gerichtet war. Zumal, wie im letzten Artikel angedeutet wurde, Santorum durchaus auch problematische Positionen vertritt, die ihn für weite Kreise schlicht nicht wählbar machen.

Romney hingegen kann jahrzehntelange Erfahrung in der Privatwirtschaft vorweisen. Zunächst bei der Beraterfirma Bain&Company, dann als Mitgründer von Bains Capital und schließlich wieder, diesmal als Vorstandsvorsitzender, bei Bain&Company. Es gelang ihm in seiner Zeit als Vorstandsvorsitzender den drohenden finanziellen Zusammenbruch von Bain&Company innerhalb eines Jahres abzuwenden und das Unternehmen wieder auf einen Erfolgskurs zu bringen. Anschließend wurde er für die olympischen Winterspiele in Salt Lake City verpflichtet, die von Skandalen und finanziellen Problemen bedroht waren. Auch hier gelang es ihm das Ruder herumzureißen. Schließlich hat Romney von 2003-2007 als republikanischer Gouverneur im liberalen Massachusetts auch politische Erfahrung sammeln können, wo er mit mehrheitlich (über zwei Drittel) demokratischen Abgeordneten zusammengearbeitet hat. Sollte er die Nominierung erhalten, was ich sehr hoffe, dann kann er auf seiner Führungsqualitäten verweisen und es bestände eventuell die Möglichkeit die ideologische Konfrontation zwischen Demokraten und Republikanern aufzubrechen. Innenpolitisch wird Romney einen verhalten konservativen Kurs einschlagen. Er hat sich seit seiner Zeit als Gouverneur zunehmend nach rechts bewegt, was vor allem Abtreibung und Waffenkontrolle betrifft, ist aber in vielen Punkten durchaus pragmatisch, was ja keineswegs dasselbe wie opportunistisch ist. Was deutsche Kommentatoren und Politiker abschrecken wird, ist, dass er wie Santorum nichts von einer isolationistischen Außenpolitik hält. Bezeichnenderweise hat Romney sein Wahlkampfbuch auch „No Apology“ überschrieben und im Untertitel „The Case for American Greatness“ (in etwa: „Ein Plädoyer für die Großartigkeit Amerikas“). Er hält Obamas Außenpolitik für eine weltweite Entschuldigungstour, der er, Romney, ein Ende bereiten möchte. Die USA sollten nicht nur für ihre Interessen eintreten, sondern sich insbesondere als Anführerin der freien Welt sehen und entsprechend handeln, so Romney.

Nach den Caucuses in Iowa, mit ihren doch oft erratischen Ergebnissen, geht es nächste Woche, genauer am 10. Januar, mit dem Primary in New Hampshire weiter. Diese Wahl gilt als sicherer Sieg für Romney und im Grunde geht es erst danach richtig los. South Carolina am 21. Januar und Florida am 31. Januar werden zum wirklichen Lakmustest für Romney bzw. Santorum und am 6. März steht schließlich der Super Tuesday ins Haus mit insgesamt zehn Entscheidungen an einem Tag. Die letzte und eher unbedeutende Entscheidung fällt am 26. Juni in Utah.

Es bleibt also hochspannend. Nur deutsche Schreiberlinge und Politiker beißen weiterhin in den Tisch, weil Amerikaner einfach nicht so sein und wählen wollen, wie man es sich in Deutschland wünscht.

http://geniusloci.blogsport.de/2012/01/04/mit-mitt-oder-mit-rick/

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