Filipp Piatov / 05.02.2014 / 17:18 / 2 / Seite ausdrucken

Liebe Ukrainer,

Liebe Ukrainer,

angesichts der angespannten Situation in Ihrem Land sehe ich mich dazu
verpflichtet, Ihnen zu schreiben und im Namen meiner Nation die
vollumfängliche Solidarität auszusprechen.

Seit Wochen kann ich beim Zeitungskauf nicht anders, als vor Kühnheit zu
erzittern, wenn ich Bilder von Ihnen sehe, wie Sie bei Eiseskälte für
Ihre Überzeugungen kämpfen. Welch mutiges Volk!, denke ich immer. Für
den Fall, dass die Situation eskalieren sollte, haben Sie sich
hoffentlich vorbereitet. Wir nämlich haben es und werden Sie nicht
enttäuschen.

Kommt es zu einem Bürgerkrieg, wird Deutschland und seine Bevölkerung
ihre wichtige Rolle in Europa und der Welt nicht vergessen und sich
geschlossen hinter das ukrainische Volk stellen, das heldenhaft für die
Annäherung an uns kämpft.

Vor meinem geistigen Auge sehe ich schon jetzt Dutzende, wenn nicht gar
Hunderte von blau-gelben Flaggen, die Nutzer sämtlicher sozialer
Netzwerke mahnend als Profilbilder verwenden werden, um ihre
uneingeschränkte Solidarität mit Ihnen auszudrücken, den passenden
Hashtag suchen wir noch.  Es wird Petitionen geben, die zwar nicht ganz
so viel beachtet sein werden, wie kürzlich die gegen Herrn Lanz, aber
dennoch wird man - in interessierten Kreisen - gewiss von ihr hören.

Mehr noch, im nächsten “ZDF Jahresrückblick” wird Ihr Krieg
entscheidende Minuten bekommen. Wobei, wenn man sich gewisse Parallelen
anschaut, können es auch die nächsten Jahresrückblicke werden. Natürlich
wird unsere Unterstützung nicht rein medialer Natur sein. Wie schon bei
der schrecklichen Katastrophe, die dem gepeinigten syrischen Volk
widerfährt, wird Deutschland auch jetzt für seine Werte einstehen.

Großzügig, wie wir sind, werden wir flüchtige und vertriebene Menschen
gerne in unserem schönen Land willkommen heißen. Natürlich nur, wenn sie
bereits Verwandte hier haben und diese auch genug verdienen, um sie
durchzubringen. Sozialtourismus kommt nämlich nicht in die Tüte, da
kennen wir keinen Spaß.

Falls Sie also Familie in Deutschland haben und ein erhebliches Vermögen,
werden wir alles erdenkliche tun, um Sie zu retten.

Falls Sie diesen Kriterien nicht entprechen, bitten wir vielmals
um Verständnis. Immerhin können wir es uns nicht erlauben, nach Rumänen
und Bulgaren nun auch Ukrainer durchzufüttern. Krieg ist schlimm, aber
Anstand muss sein.

Sehen Sie es doch so, für Ihre Oppositionsführer gilt dasselbe. Herr
Klitschko ist natürlich jederzeit willkommen, aber sonst? Wir haben
außenpolitische Interessen zu wahren, die wir nicht einfach über den
Haufen werfen können, Werte hin oder her. London ist gut fürs Exil, seit
den Vierzigern schon, die nehmen wirklich jeden, die Briten.

Für uns jedoch ist Russland ein wichtiger Partner, dem man die Hand
reichen muss, immer und immer wieder. Unsere Regierung arbeitet
spätestens seit 1998 intensivst daran, den großen Freund im Osten nicht
zu verärgern - dafür darf ein ehemaliger Kanzler immerhin bei Gazprom
mitreden. Außerdem haben wir genug Rückrat bewiesen, Bundespräsident und
Kanzlerin boykottieren die Olympischen Spiele und unsere Olympioniken
tragen ein Kostüm, das mit etwas Fantasie an die Regenbogenflagge
erinnert. Hoffentlich wissen Sie das zu schätzen.

Selbstverständlich haben auch wir eine rote Linie. Kommt Herr
Janukowitsch etwa auf die Idee, Giftgas gegen Sie zu verwenden, bekommt
er die gesamte Härt des Westens zu spüren. Wir werden für Gasmasken
und Medizin sammeln und mit etwas Glück schaffen
Sie es sogar in eine Benefiz-Show im Fernsehen, wo unsere B-Prominenz
Anrufe gütiger Bürger annehmen wird, die bereit sind, den
Weihnachstsfünfziger an Sie, anstatt nach Afrika zu spenden.

Aber passen Sie nur auf, dass Sie ihre Sache nicht von irgendwelchen
Extremisten kapern lassen. Auch, wenn der Westen sich mit der Hilfe Zeit
nimmt, heißt das nicht, dass man sich von ihm abwenden muss. Wie in
Syrien! Kaum wollten wir gegen Assads Schergen losschlagen, fanden wir
heraus, dass die Al Quaida schon vor Ort war. Nicht mit uns, liebe
Freunde, nicht mit uns.

Kämpft, liebe Ukrainer, seid stark und mutig, bleibt Euch treu.

Aber vor allem: bleibt uns treu.

Herzliche Grüße,
Euer Deutschland

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Leserpost

netiquette:

Peter Panowski / 05.02.2014

Das wäre doch eine schöne “Ich bin Deutschland”-Kampagne.

Florian Hillen / 05.02.2014

50% der Ukraine fühlen sich aber eher zu Russland hingezogen. Haben sie eine Idee vom Osten, Herr Piatov? Sie beziehen ihre Ansichten aus den Medien. Und die sind alle pro EU.

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