Wieder einmal steht der Schriftsteller Akif Pirinçci vor dem Kadi. Er soll das Volk verhetzt haben. Wie genau, geht aus der Anklageschrift nicht hervor.
„Das ganze Gericht ist grün-links versifft“, schimpft der Angeklagte schon während des ersten Verhandlungstermins in den Saal. Bei diesem Angeklagten handelt es sich um einen türkischen Migranten mit Vorstrafenregister. Und zugleich um den Schöpfer eines literarischen Subgenres (des deutschsprachigen beziehungsweise. „des modernen Tierkrimis“), dessen Bücher teils unter Mitwirkung von Weltstars verfilmt wurden, wie Boy George als Titelsong-Interpret und Mads Mikkelsen als Hauptdarsteller. Für den Betreffenden hat es keinen Seltenheitswert mehr, sich vor Gericht verantworten zu müssen. Die Rede ist von Akif Pirinçci, einem Schriftsteller und bissigen Gesellschaftskritiker – einige Male wegen Beleidigung verurteilt und bereits mehrfach wegen Volksverhetzung schuldig gesprochen.
Am häufigsten an seinem Wohnsitz Bonn. Richter des Amts- und Landgerichts in der Bundesstadt, in der der 64-jährige Pirinçci seit vier Jahrzehnten lebt, haben ihm schon ein paar Strafen aufgebrummt, und als ausnahmsweise mal ein Teilfreispruch herauskam, wurde der gleich wieder vom Kölner Oberlandesgericht kassiert. Der Schriftsteller, den es als Kind vom Bosporus an den Rhein verschlagen hatte, begann um 2012 mit explizit politischer Kritik und Satire. Bevor er 2014 mit „Deutschland von Sinnen“ einen Beststeller jenseits des Katzenkrimis landete, gewann das Image eines streitbaren „Poeten für das Derbe“ und „Gonzo-Gottseibeiuns“ (Markus Vahlefeld) bereits auf Facebook Konturen – und während seines kontroversen Ausflugs auf Achgut, der nach einem Dreivierteljahr zu einem Ende kam. Wellen schlug damals sein Text „Das Schlachten hat begonnen“ über Gewaltkriminalität mit Migrationshintergrund, den der Autor als prophetisch betrachtet.
Ein weiterer ‚prophetischer‘ Text brachte Pirinçci später eine seiner beiden bisherigen Verurteilungen wegen Volksverhetzung ein, nämlich „Die Freigabe des Fickviehs“ (hier archiviert). Kurz nach der Kölner Silvesternacht 2015/16 empörte er sich über „eine weggetretene Bevölkerung […], welche sich gegen die Okkupation der eigenen Heimat mit widerwärtigen Unkulturen nicht wehrt, ihre Töchter zum Freibier-Fick für Primatenartige feilbietet […]“ und sprach von „Millionen hoch erhobenen Schwanzes aus Mohammedianien“ hierhin Gekommenen.
Er „ist fies, er ist gemein […]. Außerdem schreibt er wie drei Teufel beim Fünfkampf“, attestierte ihm Henryk M. Broder vor zehn Jahren. Genau damit eckt Pirinçci immer wieder rechtlich an. Insbesondere wenn seine Wortwahl mit dem Beleidigungsparaphen kollidiert, der sich am Umgangston der deutschen Oberschicht im Kaiserreich orientiert. Obgleich – wiederum Broder – die Realität „noch schlimmer [ist,] als er sie beschreibt“.
Gecancelter Autor
Nun sitzt nicht die Realität auf der Anklagebank. Dort muss der scharfzüngige Rheinländer Platz nehmen. Am 13. Dezember, am 2. Januar und schließlich am vergangenen Montag verhandelte das Bonner Amtsgericht bisher über eine angebliche Volksverhetzung, die Pirinçci begangen haben soll. Einen Beitrag aus seinem Blog „Der kleine Akif“ (hier archiviert) widmete er im Juni 2022 dem Etikett „rechts“, „mit dem Salonkommunisten in der Regierung und in den Medienhäusern jeden oppositionellen Gedanken abwehren und diffamieren können“. Er beklagt darin auch die Stigmatisierung von Medien wie Achgut, Tichys Einblick und reitschuster.de. Zu den inkriminierten Inhalten, es soll um Ausländer und Flüchtlinge gehen, später mehr.
An Pirinçcis Seite steht sein neuer Verteidiger Mustafa Kaplan. Eine kuriose Konstellation, gehört Kaplan doch den Grünen an. Der Kölner Advokat hat sich einen Namen als Anwalt der Bösen – so der Titel seines Buches von 2022 – gemacht: Er vertrat mehrfach den türkischen Staatspräsidenten Erdoğan – gegen ZDF-Gestalt Jan Böhmermann wie jüngst (erfolglos) gegen Bundestagsvizepräsident Kubicki, der Erdoğan eine „kleine Kanalratte“ geheißen hatte. Auch verteidigte er den wegen Mordes am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU) verurteilen Rechtsextremen Stephan Ernst.
Eine Reaktion auf Lübcke, getätigt im Oktober 2015 auf einer Pediga-Demo in Dresden, war Pirinçci zum Verhängnis geworden. Dass der nordhessische Präfekt Gegnern der deutschen Einwanderungspolitik empfohlen hatte, das Land zu verlassen, quittierte der Schriftsteller mit dem Hinweis, dass man die Kritiker schließlich nicht in KZs stecken könnte, da diese ja nicht mehr betrieben werden. (Vergleiche hierzu aktuell Broder: „Was machen wir mit den [AfD-]Wählern? Sperren wir sie in Lagern ein?“)
Die Aussage wurde Pirinçci im Munde herumgedreht und mündete in einen Fall von Cancel Culture, die man damals noch nicht so nannte – und wie es ihn so noch nicht gegeben hatte. Pirinçcis Belletristikverlag Random House – zu Bertelsmann gehörend – verkaufte seine Bücher nicht mehr, Amazon und die wichtigen Barsortimenter des Buchhandels sortierten ihn aus. Selbst Pegida distanzierte sich, sein Webmaster schmiss hin. Einem Millionenseller-Autoren trockneten von heute auf morgen die Einkünfte aus. Und eine Verurteilung wegen Volksverhetzung aufgrund anderer Passagen der Rede kam gleich noch hinterher. Immerhin ließ sich die Geldbuße in ihrer Höhe reduzieren.
Turbulenzen im Saal
Zurück in den Gerichtsaal des Hier und Jetzt. Mustafa Kaplan und Akif Pirinçci gegenüber sitzt Erdinç Ünükür von der Staatsanwaltschaft Köln. Nur der Richter fällt aus dem Rahmen: Er heißt Christian Schneider. Als Vorsitzender wirkt er nicht durchgehend souverän – und auf die Verteidigung voreingenommen. So liest er Zitate aus der Polizeiakte vor, bei denen nicht immer deutlich wurde, welche von Pirinçci selbst stammen. Gleich am ersten Verhandlungstag stellt Kaplan daher einen Befangenheitsantrag gegen den Richter. Dieser wird später von einem anderen Amtsrichter abschlägig beschieden, so dass Schneider dem Prozess erhalten bleibt.
Beim ersten Termin, von der Lokalzeitung zu Recht als teils „turbulent“ beschrieben, steigt der Verteidiger gleich mit einem Antrag auf Einstellung des Verfahrens wegen unzureichender Anklageschrift ein. In der Tat: Die Staatsanwaltschaft hat ein paar Passagen aus einem Blog-Eintrag Pirinçcis per Copy-and-Paste hineingepackt und mit wenigen eigenen Sätzen versehen. Welche Formulierungen und Aussagen denn genau Volksverhetzung sein sollen, geht es aus dem dürren Schrieb nicht hervor. Muss man sich keine sonderliche Mühe machen, weil man davon ausgehen kann, dass der Berüchtigte sowieso verurteilt wird? Den Antrag auf Verfahrenseinstellung lehnt Richter Schneider beim zweiten Termin mit schmaler Begründung ab.
Auf der Suche nach der Volksverhetzung
Beim dritten Termin lässt sich Pirinçci erstmals zur Sache ein. Er geht die inkriminierten Passagen Satzteil für Satzteil durch. Die allermeisten haben unmittelbar nichts mit Ausländern oder Flüchtlingen zu tun, und wo doch, untermauert der Angeklagte die Aussagen exemplarisch mit Quellenverweisen. Man muss Vermutungen anstellen, welche Formulierungen die Strafverfolgungsbehörde getriggert haben.
Die Berichterstattung des WDR nach der ersten Sitzung – Kamerateams mehrerer Sender waren vertreten – vermag da weiterzuhelfen. „Pirinçci schreibt von Muslimen und ‚Afros‘, die in den Jahren 2015 und 2016 als ‚Schmarotzer‘ nach Deutschland gekommen seien und sich ‚mikrobenartig immer weiter vermehren‘ würden“, heißt es beim öffentlich-rechtlichen Sender – was die Wikipedia brav übernimmt. Die Sache hat nur einen Haken: Das steht so nicht im Originaltext. Die Zitate stammen aus einem ellenlangen Satz, in dem der Autor – je nach Zählung – etwa ein Dutzend Missstände aufreiht, die Deutschland plagen: darunter Inflation, Wohlstandsabbau, Energiepolitik oder die Folgen der (Asyl)Migration.
Im Kontext spricht Pirinçci davon, dass „der deutsche Durchschnittsrentner sich gegenüber dem italienischen wie ein Straßenbettler ausnimmt, das heimatliche Landschaftsbild sich in einen Industriepark und in eine stählerne und betonierte Müllhalde verwandelt, man ihm anstatt seine indigene Kultur jene von irgendwelchen Moslems oder Afros vorsetzt, die Schmarotzer sich in staatlichen Versorgungsanstalten mikrobenartig immer weiter vermehren“. Das Komma trennt den Aufzählungspunkt mit den „Moslems oder Afros“ von dem folgenden mit den sich vermehrenden „Schmarotzern“. Der Afro-Punkt ist leicht verständlich, der mit den „Versorgungsanstalten“ schwieriger zu interpretieren – genau wie man sich beim vorangehenden „Landschaftsbild“ fragen kann, ob der Autor außer massenhaft montierten Windrädern dort noch weitere Probleme sieht.
Unter einer „staatlichen Versorgungsanstalt“ könnte man alle möglichen steuergeldfinanzierten Einrichtungen fraglicher Aufgabenstellung verstehen. Als „paradoxe Mischung aus totalitärem Verbotskult und staatlicher Versorgungsanstalt für Freaks […]“ hatte Pirinçci mal die Partei der Grünen beschrieben. Nach dem ersten Verhandlungstag schiebt er in seinem Blog als Auslegungshilfe nach, dass in diesem Fall „die Asyl- und Flüchtlingsindustrie“ gemeint war, „also […] Deutsche“. Dies wiederholt er beim dritten Termin. Nach Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss man das Gesagte richtig verstehen und darf es bei verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten nicht einfach so zuungunsten des Angeklagten auslegen. Obwohl vorliegend aus der Lektüre – bereits ohne tiefere Exegese – hervortritt, dass die beiden Aufzählungspunkte voneinander verschieden sind, vermischte sie auch der Direktor des Bonner Amtsgerichts, Fabian Krapoth, gegenüber dem WDR-Fernsehen nach dem ersten Verhandlungstermin. Pirinçci soll Migranten „des Schmarotzertums bezichtigt“ haben – obwohl er das im Text nicht geschrieben hat.
Schmarotzer, Wein und Pauschales
Wer den „kleinen Akif“ und seine Sicht der Dinge kennt, weiß, dass der Schmarotzervorwurf sich nicht im Speziellen gegen Personen mit Migrationshintergrund richtet. Von den Beleidigungen, für die er verurteilt wurde, galt die einzige nicht-öffentlich geäußerte einem Mitarbeiter der nordrhein-westfälischen Landesanstalt für Medien NRW. Den nannte Pirinçci in einer E-Mail nicht nur „Männchen“ und „Versager-Freund“, sondern wünschte ihm auch „weiter gutes Versagen auf schmarotzende Steuerzahlerkosten“. Die Landesanstalt hatte den Schriftsteller angewiesen, Texte aus seinem Blog zu entfernen. Die Mail, die ihn das Düsseldorfer Landgericht 1.000 Euro kosten ließ, hatte er kurz nach Mitternacht versandt – ob da die zweite Flasche schon geköpft war?
Denn: Neben turbulenten hielt die erste Verhandlung auch erheiternde Momente bereit. Einer davon: Auf die Standardfrage des Richters, ob beim Angeklagten ein Alkohol- und Drogenproblem vorliege, ließ Pirinçci – nicht zum ersten Mal in einem Prozess – wissen, dass er selbstverständlich abends seinen Wein trinkt und auch raucht.
Aber zurück zur Aussage von Amtsgerichtsdirektor Krapoth gegenüber dem WDR. Dieser lässt sich noch ein weiterer möglicher Ansatzpunkt für eine angebliche Volksverhetzung entnehmen. Nämlich, dass Pirinçci Migranten „ziemlich pauschal“ vorwerfe, „dass sie vermehrt und häufig barbarische Taten begehen – Körperverletzungen bis hin zu Schlachtungen im öffentlichen Raum oder auch Gruppenvergewaltigungen“. In der hierfür hauptsächlich einschlägigen Textpassage stellt der Autor eine solche Kausalität nicht ausdrücklich her. Die Verknüpfung zwischen dem „Hereinholen“ bestimmter Menschen und dieser Kriminalität entsteht im Kopf des mit den Zuständen in (Ländern wie) Deutschland vertrauten Lesers. Deshalb drängt sich dem Amtsgerichtsdirektor auch genau diese Lesart auf.
Apropos Pauschalhinweise zu dieser Thematik: Die Süddeutsche Zeitung hat sich kürzlich eine Rüge des Deutschen Presserats eingehandelt, weil sie in einem Artikel über Messergewalt versäumt hat, korrekt darzustellen, dass „Migranten […] in vergleichsweise höherem Maße an Taten beteiligt seien“. Die Verharmlosung von deren relativer Überrepräsentanz in den Statistiken bewertete der Presserat als Verletzung der journalistischen Pflicht zur Wahrhaftigkeit und Sorgfalt (Achgut berichtete).
Gegen Gender-Professoren und Journalisten
Anfänglich fing sich Pirinçci Verurteilungen wegen Beleidigung verschiedener Gender-Professoren ein. Darunter Prof. Elisabeth Tuider, die bekennend in der akademischen Tradition bedenklicher Pädagogik-Professoren steht. Nicht Tuiders Engagement für die Frühsexualisierung von Kindern hat Konsequenzen gezeitigt, sondern Pirinçcis Haudrauf-Kritik an ihr („Arschfick-Affine“ „sexbesessene Zwangsjackenkandidatin“ mit „säuischen Absichten“) und einem ihrer Unterstützer, Prof. Heinz-Jürgen Voß („geisteskranker Schwuler“). Später kamen noch verschiedene Journalisten dazu, die der Schriftsteller in Artikeln auf seinem Blog verspottet hatte oder angegangen war.
Im Falle (des inzwischen bei Correctiv tätigen) Till Eckert ging es um einen Vorfall auf der Frankfurter Buchmesse 2017, als der Stand des neurechten Antaios-Verlags von einem Antifa-Mob belagert wurde, und die Anwesenden, darunter Pirinçci höchstselbst, durch die Polizei geschützt werden mussten. Eckert stellte sich in einem Artikel („Rechtes Gedankengut darf nicht toleriert werden“) auf die Seite der Angreifer, wofür der Schriftsteller ihn als „Lumpen mit totalitärer Gulag-Gesinnung“ zieh, der unter „Adolf mit absoluter Sicherheit eine Superkarriere als Gashahnaufdreher hingelegt hätte“. Das OLG Köln monierte daraufhin, dass Eckert „in Wortwahl und Ausdruck“ so schön sachlich geschrieben hätte, während Pirinçci ganz anders rüberkam. Da verstellt die Form den Blick auf den Inhalt: Im Gegensatz zum Verurteilten hatte Journalist Eckert Gewalt gegen Andersdenkende gutgeheißen.
Man gewinnt ohnehin den Eindruck, dass manche Richter nichtjuristischen Texten etwas unbeholfen gegenüberstehen. Ein damaliger Richter am Bonner Landgericht hatte Pirinçci gefragt, „warum Sie keine sachliche Diskussion führen können“. „Wie kommt ein deutscher Richter darauf, dass die Funktion eines Künstlers darin besteht […]?“, wunderte sich der Angesprochene. „Der Angeklagte war früher einmal Schriftsteller, der mit der deutschen Sprache umzugehen weiß“, heißt es in einem Urteil vorwurfsvoll. Eben, er setzt sie nur stilistisch so ein, dass der derbe, beißende Charakter zuweilen die Geschmacksgrenze Sensibler überschreitet.
Von einem Ex-Schriftsteller kann ohnehin keine Rede sein, erst 2021 veröffentlichte Pirinçci eine Novelle namens Odette – wobei ihm nach wie vor die üblichen Buchvertriebskanäle versperrt bleiben. Gerne möchte der leidenschaftliche Cineast – einst Filmstudent in Wien – Odette verfilmen. Er hat trotz aller Widrigkeiten Darsteller beisammen, erhält aber mit seinem Namen selbstverständlich keine staatliche Filmförderung und sucht händeringend nach weiteren Financiers, um die noch vorhandene Budgetlücke zu schließen.
Die Attraktivität der Luisa N.
Ob sich dieser Traum erfüllt oder ob es für ihn woanders hin geht? „Natürlich weiß ich, dass es Ihnen in den Fingern juckt, mich in den Knast zu stecken, in der Hoffnung, dass sich [sic!] dort ein Merkel-Gast mir beim letzten Ausatmen behilflich ist“, schrieb Pirinçci bereits 2018. Die Schlinge zieht sich zu: 2021 wurde der Schriftsteller erstmals nicht zur einer Geldstrafe verurteilt, sondern zu vier Monaten Haft – für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Strafantrag gestellt hatte keine Geringere als „Langstrecken-Luisa“ Neubauer, prominenteste deutsche Statthalterin der Klimatenbewegung „Fridays for future“. Ein Neubauer-Foto hatte Pirinçci auf Facebook mit den Worten kommentiert. „Ja, würde ich sofort ficken, auch wenn ich mir danach stundenlang das Klima-Zeug anhören müsste.“
Eine Bemerkung, die, sofern man sie denn unbedingt ernst nehmen wollte, früher kaum ein Fall für die Strafjustiz geworden wäre. Aber wenn sich #MeToo mit dem überkommenen Ehrbegriff des Strafrechts mischt, kommt dabei Knast auf Bewährung raus – zumindest bei einem „Täter“, den man sowieso auf dem Kieker hat. Es sei nur darum gegangen, „die Geschädigte als Sexualobjekt herabzuwürdigen“. Im Rahmen einer zusätzlichen Zivilklage musste Pirinçci 10.000 Euro an Neubauer abdrücken – Schadensersatz und Prozesskosten. Das Zivilgericht rümpfte über Pirinçcis Lobpreisung von Neubauers „bäuerlicher Oberweite“ die Nase, das Strafgericht mutmaßte, dass er die damals „minderjährige Greta Thunberg […] offensichtlich auch gerne ficken würde“. Das vorletzte Wort notabene ohne Anführungszeichen.
Das Vermögen, das sich der Schriftsteller im Gegensatz zur Millionärstochter Neubauer selbst erarbeitet hat, schrumpft beträchtlich. Zum einen fehlen dem Gecancelten seit Jahren die laufenden Bucheinnahmen in zuvor nennenswerter Höhe, zum anderen läppern sich die Gerichts-, Anwaltskosten, Geldstrafen usw. Er hat nach eigener Aussage daran inzwischen hunderttausende Euro verloren (bereits die Geldstrafen gehen in die Zigtausende). Inzwischen lebt er nicht mehr im Eigenheim, sondern zur Miete und stehe vor dem Rauswurf wegen Eigenbedarfs. Mit seinem Namen dürfte es höllisch eng werden auf dem ohnehin angespannten Bonner Wohnungsmarkt. Außerdem werden Wohnungen in großer Zahl an Migranten vergeben, was der Betroffene – auch beim dritten Verhandlungstermin vor Gericht – „Landnahme“ nennt.
Hitzige Gefechte zwischen Robenträgern
Seine Einlassungen in dieser Sitzung beginnt Akif Pirinçci übrigens mit einer für ihn nicht untypischen boshaften Spitze. Weil die Anklageschrift unkonkret zitiert, unterstellt er Staatsanwalt Ünükür, dieser beherrsche aufgrund seines Migrationshintergrunds die Schriftsprache nicht. Dafür verdonnert ihn Richter Schneider zu 500 Euro Ordnungsgeld. Zack – nächster Befangenheitsantrag von Anwalt Kaplan, der den Vorsitzenden zudem für mit der Strafprozessordnung (StPO) „überfordert“ hält und sich nicht viel vom ihm gefallen lässt. Es geht Schlag auf Schlag. Bei der Frage, ob eine Besprechungspause für Verteidiger und Mandat nur zwei Minuten dauern darf, eskaliert die Stimmung wie kurz vor der Wirtshauskeilerei. Die Zeit wird eingehalten. Weil Schneider den Befangenheitsantrag nicht so protokollieren will, wie Kaplan es für geboten hält, insistiert dieser und lässt sich auch nicht beirren, als der Richter ihm das Wort entziehen will. Der forsche Verteidiger setzt sich bei der Formulierung durch. „Sie werden noch die StPO lernen“, verheißt er dem Vorsitzenden keck.
Die Beweisaufnahme in diesem erstinstanzlichen Verfahren wurde am letzten Montag abgeschlossen, Schlussplädoyers und Urteil stehen noch aus. Demnächst mehr aus den Untiefen der Justiz.
Christoph Lövenich ist Novo-Redakteur und wohnt in Bonn.
Korrektur: Wie auch aus der verlinkten Quelle ersichtlich ist, wurde Akif Pirinçci seinerzeit zu vier Monaten und nicht zu vier Jahren Haft auf Bewährung verurteilt, wie es in diesem Text anfangs hieß. Wir entschuldigen uns für das Versehen.