Stell dir vor, es ist Kalter Krieg, und keiner hört hin. Ausgerechnet Wladimir Putin brandmarkt „exzessive Gewaltanwendung“ durch die USA, die Nato und die EU. Putin trägt weder einen Orden wider den tierischen Ernst noch den Friedenspreis des tschetschenischen Buchhandels. Er wütet in vollem Ernst getreu dem alten Motto: Kriegstreiber sind nur die anderen, wir selbst kämpfen für Frieden! Kalter Kaffee oder doch Kalter Krieg per Wiedervorlage?
Sogar aus dem vereinbarten Abbau ihres Mittelstreckenraketen-Arsenals wollen die Russen aussteigen, weil die USA einen Raketenschild in Osteuropa planen – angeblich zum Schutz vor Schurkenstaaten. Nebenbei würde das Abwehrsystem es auch Russland schwerer machen, die USA und Europa zu beschießen. Aber
natürlich würden die Amerikaner den Russen niemals unterstellen, dass sie so etwas überhaupt wollen. Und die Russen planen so etwas selbstverständlich nicht mal im Traum. Deshalb sind sie jetzt auch so verstimmt und wollen ihre Raketen, die sie nie benutzen werden, lieber behalten. Das folgt der Logik des Kalten Kriegs, der nicht heiß wurde, weil beide Blöcke sich jederzeit gegenseitig angreifen konnten.
Statt die Partnerschaft der Riesen auszubauen, wird also wieder verglichen, wer die längste Rakete hat. Ein Detail aber ist neu: 68 Prozent der Deutschen geben Putin in einer Umfrage Recht. Dass Gazprom in die Altkanzler-Finanzierung eingestiegen ist, trägt also erste Früchte. Damit wäre auch beantwortet, was noch schockierender ist als alter Kalter Krieg: Ein neuer Kalter Krieg, bei dem die Mehrheit der Deutschen die Seite gewechselt hat.
“Kulturschock der Woche” im Kölner Stadt-Anzeiger, 17.02.07