Das Medienzeitalter gehört zweifellos den Kommentatoren. Und das nicht etwa, weil man von ihnen restlose Aufklärung erwarten würde. Vielmehr rechnet man auch in diesem Fall mit der Qualitätsunterhaltung. Schließlich hat das in Frage kommende Publikum sein Abitur gemacht und zieht damit die Quizsendung der Gerichtsshow vor. Abitur zu machen, bedeutet heutzutage zwar nicht mehr viel, es verpflichtet auch nicht weiter zur Reflexion, aber immer noch zu Reflexionsergebnissen. Postmodern gesprochen, zu einem Gestus, der die Diplomiertheit signalisiert.
Sie, die Kommentatoren, die im Namen von Demokratisierung, Gerechtigkeit, oder auch nur klingender Münze, den Kanon den Charts überantwortet haben, kommen um das eine nicht herum: Auch im Medienzeitalter verfügt die Medaille über zwei Seiten. Der lebende Michael Jackson war an den Boulevard verpfändet, der tote ist den Kulturwissenschaften zur Obduktion freigegeben.
Angesichts des Todes einer Ikone bleibt dem Boulevard nicht viel zu tun. Er, der nur im Lästern gut genug ist, vermag jetzt das Fußvolk, das sowohl die Fans des Idols als auch seine eigene Klientel stellt, nicht einmal zu trösten. Er kann im besten Fall die Trauerfeier ausrichten. Die so zutage getretene Inkompetenz des Boulevards ist die direkte Folge davon, dass dieser von der Abwesenheit der Ikone, das heißt von ihren Krisen, gelebt hat.
Der Tod aber bringt auch das Ende der alles erlaubenden Abwesenheit mit sich. Jackson, den man jetzt in den Nekrologen zum Megakünstler hochjubelt, war als solcher längst nicht mehr gefragt. Anstehende Künstlerauftritte beschäftigten die zur Meute gewordenen, in seinem Schlepptau eingebetteten Kommentatoren weit weniger als die wilden Spekulationen über das Privatleben des Idols.
Das Phänomen Jackson war in der Hand eines Paparazzitums, das zum Instrument der Welterklärung geworden ist. Dabei ist es nur eine Form des Interesses an einer Ikone, das sich lange schon zur Attacke entwickelt hat. Der Fan möchte sein Idol am liebsten zerfleischen, es sich einverleiben. Der Witz aber ist, dass der sakrale Ursprung der Kunst so in ihrer pervertierten Rezeption aufscheint.
Jackson starb wie Elvis, aufgebläht von den Erwartungen an ihn. Pop-Stars scheitern an ihrer Verfügbarkeit. Stehen sie im Abiturrang, versuchen sie ihr Dilemma als Pakt mit dem Teufel zu verkaufen. Sind sie abiturfern einzuordnen, was der häufigere Fall ist, dann bleibt ihnen bloß die zermürbende Vorstellung davon, dass man ins All geschossen werden kann, und sich auch dort schon unter die Quartiermacher die Kommentatoren gemischt haben. Im Grunde ist es einfach: Wer sich ins All schießen lässt, der macht sich verfügbar. Er muss für alle und alles gerade stehen.
Zu den prägenden Geboten unserer Zeit gehört das des Delegierens. Die Star-Performance ist eine stellvertretende. Es geht nicht um Jackson, Jackson gibt es nicht. Es geht um uns, und deshalb brauchen wir den Kommentar.