Sich zum Katholizismus zu bekennen, gilt in Deutschland als abwegig. Hingegen genießt jeder dem Buddhismus, dem Islamismus, dem Schamanismus oder dem Bolschewismus Zugeordnete volles Verständnis.
Folgt man der öffentlichen Debatte, muss man zu dem Schluss kommen, dass man in unserem Land unter dem Zölibat wie im Mittelalter unter Pest und Cholera leidet. Die katholische Kirche sei reaktionär, heißt es gebetsmühlenartig, und wodurch? Weil es keine Kondomautomaten im Vatikan gibt?
Der sexuelle Missbrauch ist nicht ein „katholisches“ Laster, er ist vielmehr eine „sanfte“ Form des Kannibalismus, gegen den auch die Kirche nicht viel ausrichten kann. Nicht mehr als die Gesellschaft und nicht weniger als die Justiz oder der Protestantismus.
Vom Papst eine Würdigung der Lutherbibel zu erwarten, wie Schorlemmer unlängst in einer Talkrunde zu erkennen gab, käme etwa dem Ruf nach einem Lob von Sartre für die Übersetzung von Descartes ins Elsässische gleich.
Die Protestanten hatten ihre Reform. Jetzt sehen sie wie Gewerkschaftler aus, oder zumindest wie Sozialdemokraten, und was haben sie davon?
Vom Glauben befreit zu sein, heißt nicht, dass man frei ist. Wer keinen Glauben hat, der hat oft genug einen Aberglauben.
Dass die Linkspartei sich gegen eine Rede des Papstes im Bundestag ausgesprochen hat, ist, wenn man die Traditionen dieser Partei in Sachen Meinungsfreiheit kennt, nachvollziehbar. Es wäre die Krönung ihres irdischen Irreseins gewesen, sogar dem Papst das Wort zu verbieten. Dieses Kabinettstück ist nicht einmal dem KGB gelungen.
Die Kirche ist nicht ein Kiosk für den Zeitgeist, sie verkörpert vielmehr das Prinzip der Ewigkeit. Das Grundmissverständnis des Atheisten ist, dass er meint, er befinde sich in Konkurrenz zu dieser Kirche. Den Wettlauf um die Ewigkeit führt er aber gegen sich selbst, und der Beweis dafür ist, dass er sich bei diesem Wettlauf selbst als Leichnam auf dem Rücken trägt.
Die Papstkirche mag in Deutschland machtlos sein, dafür aber ist sie die größte Kirche der Welt. 1,2 Milliarden Menschen gehören ihr an. Sind das alles Missbrauchte, Opfer des Zölibats oder gar Irrende? Könnte es nicht sein, dass diese Menschen ganz andere Erwartungen an die Kirche und eine ganz andere Vorstellung von ihr haben als die Maulhelden in diesem Deutschland?
Und könnte man sich anlässlich einer solchen Visite nicht auch einmal darauf einigen, sich darüber zu freuen, dass das Oberhaupt der bedeutendsten Kirche der Welt im Augenblick ein Deutscher ist? Und dass man dieses auch als Ausdruck der Wertschätzung Deutschlands in der Welt zu betrachten hätte?