Wahied Wahdat-Hagh / 09.06.2012 / 20:37 / 0 / Seite ausdrucken

Iran setzt auf China und Russland

Iran will der europäischen Sanktionspolitik trotzen und trifft Gegenmaßnahmen. Ein stärkeres Engagement in der OPEC und der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit soll die Abhängigkeit von Europa mindern. Iranische Medien berichten, dass der frühere iranische Ölminister Gholamhussein Nowzari sich für das Amt des Generalsekretärs der OPEC (Organization of the Petroleum Exporting Countries) bewerben will. Am 14. Juni soll auf dem Treffen der Ölminister der OPEC-Staaten der neue Generalsekretär gewählt werden. Die zweite Amtszeit von OPEC-Generalsekretär Abdalla Salem al-Badri geht im Dezember 2012 zu Ende. Bisher haben Saudi-Arabien, Irak, Kuwait und Ecuador jeweils ihre eigenen Vorschläge für einen Generalsekretär unterbreitet. Die USA werden am 28. Juni und die Staaten der Europäischen Union am 1. Juli 2012 neue Sanktionen in Kraft treten lassen.

Rückgang der Exporte: Öleinnahmen sichern das Überleben der iranischen Wirtschaft und damit des Regimes. Das Ende der Ölexporte nach Europa würde die iranischen Öleinnahmen um etwa 20 Prozent mindern. Denn nur ein Fünftel des iranischen Öls wird nach Europa exportiert, hauptsächlich nach Italien und Spanien. Der Großteil des iranischen Öls wird nach Indien, China, Japan und Südkorea geliefert, doch gehen auch die Ölexporte in diese Staaten zurück. Vor einem Jahr machten sie noch zwei Drittel der gesamten Exporte aus. Die Importe dieser asiatischen Staaten sind wegen der westlichen Sanktionspolitik um rund ein Fünftel zurückgegangen. In diesem Jahr haben Südkorea und Indien zehn Prozent weniger und Japan und China haben gar rund 20 Prozent weniger Öl als im Vorjahr importiert. Südkorea überlegt, gänzlich aus dem Iran-Geschäft auszusteigen.

Iran unterläuft Sanktionen: Der Iran versucht immer wieder, die bereits verhängten Sanktionen zu unterlaufen. Beispielsweise werden Öltanker, die in das Iran-Geschäft verstrickt sind, infolge von EU-Sanktionen von internationalen Versicherungen nicht mehr versichert. Der Iran schlägt nun vor, dass Staaten wie China, Pakistan und Indien in ein bargeldloses Geschäft einsteigen, bei dem Ware gegen Ware getauscht wird, auch wenn der Iran dabei Nachteile hinnehmen müsste. Indien bezahlt inzwischen sein aus dem Iran importiertes Öl in der Landeswährung Rupie und in Euro. Im Mai vereinbarten Iran und Indien, ihr Handelsvolumen zu vergrößern. Die Ölexporte des Iran nach Indien sollen von etwa 14 Milliarden Dollar pro Jahr auf mindestens 25 Milliarden Dollar pro Jahr steigen. Der chinesische Staat und Japan wollen nun die Öltanker versichern und Indien verzichtet auf eine Vollversicherung.

Steigende Öleinnahmen: Die iranische Zentralbank berichtet, dass der Iran in den ersten elf Monaten des letzten iranischen Jahres (März 2011 bis März 2012) Öleinnahmen in Höhe von 110 Milliarden Dollar hat. Im Jahr zuvor (März 2010 bis März 2012) dagegen waren es nur 75 Milliarden Dollar. Gestiegen sind nicht nur die Öleinnahmen, sondern auch die Importe, die im letzten iranischen Jahr rund 61 Milliarden Dollar und im vorletzten Jahr 73 Milliarden Dollar betrugen. In den letzten sechs Jahren hat der Iran rund 560 Milliarden Dollar am Öl- und Gasgeschäft verdient. Während die Öleinnahmen wegen des steigenden Preises Rekordzahlen erreichten, gehen die iranische Ölproduktion und die Ölexporte leicht, aber stetig zurück.

Dem Monthly Oil Market Report der OPEC vom Mai 2012 zufolge ist die Ölproduktion des Iran im April 2012 zurückgegangen. Dies kann daran liegen, dass infolge der Sanktionspolitik die Investitionen in die iranische Ölindustrie zurückgegangen sind. Tatsächlich haben Konzerne wie Shell und Total sich aus dem Iran-Geschäft zurückziehen müssen. Bis Juli 2012 können aber noch alte Verträge erfüllt werden. Der iranische Ölminister Rostam Ghassemi behauptet, dass der Iran inzwischen Ersatz für die Konzerne Shell und Total gefunden habe.

Seit dem Beginn der Atomverhandlungen in Bagdad ist der Wert der iranischen Währung gegenüber Euro und Dollar stark gefallen. Und auch wenn der Goldpreis auf dem Weltmarkt nicht gestiegen ist, wurde Gold auf dem iranischen Markt teurer. Gold ist nicht profitabel, gilt aber als sichere Anlage, der steigende Preis könnte daher ein Anzeichen dafür sein, dass wohlhabende Iraner nicht mehr davon ausgehen, dass die Atomverhandlungen mit „P 5 plus 1“ (Mitglieder des UN-Sicherheitsrates plus Deutschland) positive Ergebnisse zeitigen werden und sich auf eine weitere Verschärfung der Wirtschaftskrise vorbereiten.

Die Misere der iranischen Wirtschaft: Die Regierung von Präsident Mahmoud Ahmadinejad hat es nicht geschafft, produktive Sektoren der iranischen Wirtschaft aufzubauen. Seine Regierung wechselte die beliebten Dollars des US-amerikanischen Erzfeindes in iranische Rial um, was die Geldmenge in den letzten sieben Jahren um 270 Prozent zunehmen ließ. Das Anwachsen der Geldmenge führte zu einer höheren Inflation. Ferner hat die Regierung Ahmadinejad die staatlichen Subventionen für bestimmte Waren des Grundbedarfs wie Benzin, Strom, Wasser, Weizen, Zucker, Reis, Milch etc. gestrichen. Die Preise solcher Waren stiegen um 20 Prozent und mehr. Besonders die zurückgegangene Milchproduktion stellt ein großes Problem dar. Als Ursache werden hohe Energie- und Transportkosten angegeben.

Gleichzeitig soll aber für gering verdienende Familien dank der Petrodollars ein Existenzminimum gesichert werden. Dafür wurde eine neue staatliche Bürokratie geschaffen, die den tatsächlichen Bedarf der Haushalte, die auf finanzielle Unterstützung angewiesen sind, feststellen soll. Den Iranern geht es trotz der hohen Öleinnahmen der Diktatur wirtschaftlich schlecht. Dies zeigt sich auch darin, dass viele Iraner mit ungedeckten Schecks zahlen, was zu einem ernsthaften Problem geworden ist.

Ohne hohe Ölpreise würde die iranische Wirtschaft wohl zusammenbrechen. Das ist auch der Grund, warum der Iran die OPEC unter Kontrolle bekommen will. Ölsanktionen können den Nerv der iranischen Wirtschaft treffen, auch wenn sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Regime nicht von seinem Atomprogramm abbringen werden.

Iran sucht Verbündete: Aus Angst vor den Folgen der anstehenden europäischen Sanktionen will das iranische Regime nicht nur die OPEC führen. Die aktive Teilnahme der iranischen Regierung als Beobachter an der zwölften Konferenz der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit ist ein weiterer Hinweis darauf, wie der Iran sich langsam aber sicher von Europa lösen will.

Ahmadinejad will die Zusammenarbeit mit China ausbauen: „Beide Staaten befinden sich in einer Einheitsfront der Verteidigung des Friedens und der Gerechtigkeit,“ sagte Ahmadinejad. Er würde gern Öl und Gas über Pakistan und Afghanistan nach China liefern und geht davon aus, dass das iranisch-chinesische Handelsvolumen verdoppelt werden könne, als ob der Iran allein die Energiesicherheit Chinas tatsächlich gewährleisten könne. Der iranische Präsident nutzte die Teilnahme an der Konferenz, um vor chinesischen Studenten zu sprechen. Er hielt sich mit seinen bekannten Hasstiraden nicht zurück und bezeichnete die USA als einen „Wolf“, der gemeinsam mit den „Zionisten“ die Welt bedrohe.

In der Abschlusserklärung der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit wird eine diplomatische Lösung im Atomkonflikt mit dem Iran empfohlen. Gleichzeitig kritisieren die Mitgliedstaaten die NATO-Raketenabwehr, die die „internationale Sicherheit und die global-strategische Stabilität“ gefährde.

Ahmadinejad will auch an der UN-Konferenz Rio plus 20 teilnehmen. Dort sind ebenfalls antisemitische und antidemokratische Hasstiraden zu erwarten. Die Frage, wie der Westen den Iran von seinem militärischen Atomprogramm abhalten wird, ist noch offen. Die Menge an Uran, die derzeit bearbeitet wird, könnte für fünf Atombomben reichen, wenn der Anreicherungsprozess bis zur Herstellung waffenfähigen Materials fortgesetzt wird.

Wahied Wahdat-Hagh, Fellow bei der European Foundation for Democracy (EFD).

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