Rainer Bonhorst / 16.02.2014 / 20:33 / 5 / Seite ausdrucken

Ins Klo gegriffen

Das muss ein schwerer Schlag für die guten Leute vom Prenzlauer Berg gewesen sein. Gestern noch glaubten sie sich an der vordersten Front der Gender-Vielfalt. Und über Nacht hinken sie hoffnungslos hinter dem Welttrend her.

Ein öffentliches Klo für Männer, ein öffentliches Klo für Frauen, und eins für „andere“? Das ist alles? Das nennt man Vielfalt in Berlin? Das soll eine Gender-Revolution sein? Verglichen mit dem neuesten Angebot von Facebook kann man die Berliner Toilettenfront nur als rückwärtsgerichtete Gender-Armut bezeichnen.

Über 50 Alternativen zur klassischen Mann-Frau-Auswahl warten auf die amerikanischen Facebook-Nutzer, damit sie „sich authentisch darstellen können“! So zeigen die Amerikaner den vermeintlich coolen Berlinern, was eine Gender-Harke ist.

Über 50 Alternativen zum Mann und zur Frau – das ist natürlich eine Herausforderung. Der eine oder andere hat ja schon in Berlin überlegt, wer denn wohl die „anderen“ sein mögen, die nicht durch die Männer-Tür und nicht durch die Frauen-Tür sondern durch die dritte Tür gehen, um ihr Geschäft zu verrichten. Aber das ließ sich dann doch relativ zügig beantworten: Es scheinen Leute sein, deren Kleidung sich nicht mit ihrem Körperbau im Einklang befindet.

Aber der aufgeschlossene Beobachter spürt sogleich, dass damit nicht die ganze Bandbreite unserer modernen Gendersituation erfasst ist. Das Türchen für die „anderen“ führt über kurz oder lang in eine toilettenphilosophische Sackgasse. Will man auf Dauer diejenigen, die nur ein bisschen anders sind, in das gleiche Häuschen zwingen, das auch die völlig anderen besuchen? Und wo sich dann auch noch die Anderweitigen drängen und sogar diejenigen, die es „einerseits andererseits“ bevorzugen? Man kann sich vorstellen, dass es da zu peinlichen Begegnungen kommen muss.

Da bietet Facebook doch eine ganz andere Bandbreite - von „non binary“ über „two spirit“ bis hin zu „fluid“ und „neither“. Aber schöpfen die Facebooker mit ihrer durchaus eindrucksvollen Palette an Gendervorschlägen wirklich den ganzen Artenreichtum des Geschlechtswesens Mensch aus? Ich glaube nicht. Mir fehlen in der langen Liste zum Beispiel die Lesben, die scharf auf homosexuelle Männer sind und umgekehrt. Beides tragische, weithin missachtete Varianten. Und wo bleiben die Bisexuellen, die im Körper eines Trisexuellen gefangen sind? Wo die transsexuellen Transatlantiker? Die multisexuellen Multimillionäre? Die autosexuellen Autofahrer? Sogar die pansexuellen Panflötenspieler sucht man vergebens.

Gerade in Kalifornien, dem Hauptstandort von Facebook, gibt es mehr Geschlechter zwischen Himmel und Erde, als unsere Schulweisheit sich träumen lässt. Aber die Facebook-Pioniere sind weit davon entfernt, sie alle zu erfassen.

Das ist die Chance der Berliner. Der Vorsprung der Kalifornier ist aufholbar. Und wie man hört, sind die Berliner bereits auf dem besten Weg, die Pole Position in der Gender-Avantgarde zurückzuerobern. Der Plan: Man will die Facebook-Gender-Vielfalt in eine praktische Toilettenvielfalt umzusetzen und damit dem bloß Virtuellen der Kalifornier mit realer deutscher Hardware entgegentreten. Den ersten großen Coup plant man am neuen Berliner Flughafen - mit dem Bau von jeweils 50 bis 60 alternativen Gender-Toiletten-Variationen. Dieses toilettenpolitische Großprojekt dürfte der wahre, bisher schamhaft verschwiegene Grund für die Verzögerungen und Budgetprobleme bei BER sein.

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Leserpost

netiquette:

Maria Leuschner / 17.02.2014

Ein Klo ist dafür entwickelt worden, dass die Körper bereinigt werden können, indem das, was zuviel drin ist, herausgelassen werden kann. Die Körperöffnungen fragen nicht nach der Kloarchitektur. Die Hauptsache ist, dass da ein Abfluss ist. Die Genderhyänen könnten doch mal Claudia Roth zum Erfahrungsaustausch in den Iran entsenden, um in Erfahrung zu bringen, wie dort das Problem gelöst wird. Maria Leuschner

Bernd Gubernator / 17.02.2014

Lieber Herr Bonhorst, ihre geschätzten Kommentare und Beiträge lese ich immer mit einiger Freude und Aufmerksamkeit. Ich gebe sogar zu,dass ich mir für Diskussionen im Freundeskreis sogar mal mal einige Ihrer gemeinen,aber elegant und witzig vorgebrachten Argumente ausgeliehen habe. Zur Diskussion über Berliner “Schiffhäuschen” verstehe ich die Aufgeregtheit mancher intellektuellen Kreise über diesen zwischenmenschlichen enormen Fortschritt nicht so ganz. Ich sehe diese Geschichte eher ganz pragmatisch und wünsche mir noch erheblich mehr speziell augezeichnete “Genderschiffbuden” in ganz Deutschland und Europa. Dies hat den enormen Vorteil (eine gewisse Robustheit beim Benutzen dieser Schiffbuden vorausgesetzt) wenn man sich traut als normaler Hetero diese Büdlein zu betreten findet man in der Regel eine wenig genutzte und deswegen wenig abgenutzte Örtlichkeit zum Erledigen der Geschäfte vor. Und das ist doch nun wirklich angenehm. mkG Bernd Gubernator

Otto Sundt / 16.02.2014

DA kann man bestimmt vergeblich hoffen, dass da eine Rauchertoillete am BER dabei sein wird. Null Akzeptanz für Raucher - nicht mal Toleranz. (Wie ist das eigentlich mit PferdeliebhaberInnen?

Michaela Rock / 16.02.2014

Ich bin ein Transgender und sehe jeden Tag Leute,“deren Kleidung nicht zum Körperbau passt”. Nur Kolleginnen sehe ich keine in einer Metropolregion mit zwei Millionen Einwohnern. In sechs Jahren sind mir ganze zwei “Exemplare” meiner eigenen Minderheit auf der Straße begegnet. Dafür braucht man keine extra Toiletten, die viele von uns als größte aller Diskriminierungen empfinden! Auf Facebook ist es wie auf allen Internetportalen. Von Zeit zu Zeit braucht man mal was Neues. Dann haben auch alle wieder was zu schreiben. Nicht wahr, Herr Bonhorst ?! Kennen Sie einen Transgender/Transexuellen ? Haben Sie in Ihrem gesamten Leben jemals eine Forderung von uns gehört? Schreiben Sie also lieber über “pansexuelle Panflötenspieler”.

Dirk Weidner / 16.02.2014

Lieber Herr Bonhorst, bislang war jeder Ihrer Artikel auf der “Achse” für mich stets ein Genuss, weil Sie mit Ihrem Humor sehr zielgenau den meinen treffen. Diesmal aber geht es sogar einen Schritt weiter!  Denn beim Lesen Ihres vorletzten Absatzes musste ich lachen -  und dann erkennen, dass ich wohl Opfer dessen wurde, was die Freudianer wahrscheinlich eine “Fehlleistung” nennen würden: beim Lesen wurde im ersten Moment für mich aus der “Schulweisheit” die “Sch’W'ulweisheit”. Natürlich hatte ich erst die Sorge, dass ich mich für diese “Fehlleistung” schämen müsse - aber im Kontext des Gender-Wahns ist der Begriff insgesamt wohl doch von erschreckender Harmlosigkeit. Zudem finde ich es im Kontext nunmehr lustig, insofern haben Sie auch meine gern gegebene Erlaubnis, den Gag in Ihrem Text nachträglich einzubauen.  

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