Oliver Marc Hartwich, Gastautor / 04.02.2010 / 06:00 / 0 / Seite ausdrucken

Heil, mein Chefökonom

Die Verehrer John Maynard Keynes’, jenes Ökonomen also, der einst die Nachfragesteuerung erfand, lassen sich für gewöhnlich nicht gerne an die Schattenseiten ihres Helden erinnern. Insbesondere Keynes’ Vorwort zur deutschen Ausgabe seiner “Allgemeinen Theorie” von 1936 ist ihnen bis heute peinlich.

Es war für Keynes seinerzeit keine geringe Leistung, eine Übersetzung seines Magnum Opus unmittelbar nach der englischen Originalveröffentlichung auch in Deutschland erscheinen zu lassen. Zumal Keynes der Meinung war, dass sich gerade Nazi-Deutschland für die Umsetzung seiner Ideen bestens eignete.

So schrieb er denn auch in jenem berüchtigten Vorwort, dass seine Vorstellungen “viel leichter den Verhältnissen eines totalen Staates angepasst werden” könnten als dies unter den Umständen des freien Wettwerbs möglich sei. Damit hatte Keynes dem Faschismus praktisch seinen Segen erteilt. In der Tat lässt sich eine zentrale Steuerung der Wirtschaft, wie er sie beabsichtigte, problemlos mit einer totalitären Politik bewerkstelligen.

Jedenfalls fühlte ich mich gestern an diese wenig bekannte Fußnote der ökonomischen Ideengeschichte erinnert, als ich an einer Analystenkonferenz in Sydney teilnahm. Eingeladen hatte eine japanische Investmentbank, die ihren Chefökonomen, einen überzeugten Keynesianer, als Hauptredner aufbot.

Inhaltlich hatte die Rede des besagten Chefökonomen wenig Überraschendes zu bieten, denn die Empfehlungen von Keynesianern sind eigentlich immer dieselben. Ob es regnet, schneit oder die Sonne scheint; ob die Wirtschaft wächst, schrumpft oder stagniert: es sollten eigentlich immer die staatlichen Ausgaben gesteigert werden, um die Wirtschaft anzukurbeln, zu unterstützen oder zumindest das Wachstum nicht zu gefährden. So einfach kann Wirtschaftspolitik sein.

Nur zum Ende seiner Ausführungen wurde es interessant, als der Chefökonom die politischen Chancen dieser turbokeynesianischen Ausgabenpolitik einzuschätzen versuchte. Kein anderes Land sei zu einer derart sinnvollen Politik so gut in der Lage wie China, informierte er seine Zuhörer.

Und warum? Weil es in China nämlich keine Opposition gibt, die etwas dagegen ausrichten könnte. Und unabhängige Journalisten natürlich gleich auch nicht. “Wenn einer etwas dagegen sagt, dann sperrt man ihn einfach ins Gefängnis”, klärte er sein verwundertes Publikum auf - und freute sich im Übrigen darüber, dass eine chinesische Übersetzung seines jüngsten Buches in just jenem Staatsverlag erschienen war, der einst auch die Mao-Bibel im Programm hatte.

China, so fuhr der Chefökonom dann auch fort, sei aber nicht das erste Land, das den Beweis erbringe, wie gut gerade totalitäre Staaten ihre Wirtschaft managen könnten. Hitler-Deutschland sei darin mindestens ebenso erfolgreich gewesen. In den 1930er Jahren hätte es demonstriert, wie eine konsequent keynesianische Politik die Wirtschaft ankurbeln und die Arbeitslosigkeit reduzieren könne. “Und deswegen dachten ja damals auch alle, dass Hitler Gott ist”, erklärte der Ökonom seinen mittlerweile fast in Schockstarre gefallenen Zuhörern.

Immerhin gab der keynesianische Totalitarismusexperte kurz darauf zu, dass Hitler sein wirtschaftspolitischer Erfolg irgendwie zu Kopf gestiegen und er wohl daraufhin zu weit gegangen sei. Was natürlich auch wieder stimmt, mochte man entgegen, denn die Autobahnen hätte Hitler wahrscheinlich wirklich nicht bauen müssen. Die Gaskammern allein waren ja schon ein luftdichtes Konjunkturpaket. Und der Zweite Weltkrieg eine einzige Arbeitsbeschaffungsmaßnahme mit weltweitem Multiplikatoreffekt.

Nur am Rande bemerkt sei, dass unabhängig vom Zynismus dieser vulgär-keynesianischen Analyse die Einschätzung der Nazi-Wirtschaftspolitik schlichtweg falsch ist. Dass Hitler eine keynesianische Nachfragesteuerung betrieben hat, darf nach den Analysen des Berliner Wirtschaftshistorikers Albrecht Ritschl heute als widerlegt gelten.

Im Gegenteil lässt sich die wirtschaftliche Erholung Deutschlands Mitte der 1930er Jahre laut Ritschl eher auf die angebotsorientierte Deflationspolitik von Reichskanzler Brüning zurückführen, auch wenn dieser keynesianisch angehauchten Ökonomen bis heute als Buhmann gilt, die ihn indirekt für den Aufstieg Hitlers verantwortlich machen.

Aus gutem Grund war den meisten Keynesianern bis heute das deutsche Vorwort zur “Allgemeinen Theorie”, das Keynes im September 1936 verfasst hatte, peinlich. Denn im Gegensatz zu Keynes, der sicherlich kein Nazi war, wussten sie schließlich, was danach geschah.

Aber als Chefökonom einer japanischen Investmentbank wird man offenbar auch dafür bezahlt, sich sein Gespür für Peinlichkeiten und Geschmacklosigkeiten abzugewöhnen.

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