Am Wochenende ging es los. In Bonn. Da wurde eine Ausstellung eröffnet, die in ihrem Anspruch nicht gerade bescheiden ist: „Das Frauenmuseum macht sich mit der neuen Ausstellung ‚Moneta - Frauen & Geld in Geschichte und Gegenwart’ zur Fürsprecherin eines gesellschaftlich notwendigen Bewusstseinswandels, Geld zu enttabuisieren. Angesichts alarmierender neuer Zahlen, wonach die Differenz der Einkommen von Frauen und Männern in Deutschland auf 23% gestiegen ist ...“
Schon gut. Verstanden. Es ist in der Tat alarmierend. Aber das erwarten wir ja auch von moderner Kunst; sie soll aufrütteln, provozieren und einen Bewusstseinswandel einleiten. Aber ist es nicht falscher Alarm? Allerdings! Und das alarmiert wiederum mich.
Denn wie wusste noch die einst dafür zuständige Ministerin: „Frauen verdienen ja nicht weniger: bei gleicher Tätigkeit, gleicher Qualifikation und gleicher Berufserfahrung wird es sehr schwer nachzuweisen sein, dass es tatsächlich in nennenswertem Umfang - von Einzelfällen abgesehen - eine ungleiche Bezahlung gibt. Ansonsten ist Lohndiskriminierung auch heute schon bei uns verboten. Und jede Frau hat die besten Chancen, eine Klage zu gewinnen, wenn es eine ungleiche Bezahlung bei sonst gleichen Voraussetzungen gibt.“ So Renate Schmidt in einem ‚tagesschau’-Chat im Jahre 2003.
Da war die Welt noch in Ordnung. Doch dann wurde Deutschland unvermutet von einem furchtbaren Unrecht heimgesucht, auch Claudia Roth sprach nun aufgeregt von einer „Schande“; plötzlich klaffte eine Lohnlücke von 23% zwischen Männern und Frauen und zerriss unser Land, als hätte sich nach einem schweren Erdbeben eine tiefe Kluft aufgetan.
Die Nachfolgerin Ursula von der Leyen ließ denn auch auf der Internetseite ihres Ministeriums verkünden, dass Frauen immer noch „nur 77 Prozent des männlichen Einkommens verdienen, wohl bemerkt für gleiche Arbeit“. Als diese Bemerkung von aufmerksamen Lesern – wie von ihr gewünscht – „wohl bemerkt“ und als falsch kritisiert wurde, hieß es von Seiten des Ministeriums, der Satz der Ministerin sei „in dieser Form nicht richtig und missverständlich, auch wenn er sich in den Medien oft so oder ähnlich findet.“ Und so wurde er nach über einem Jahr, als er seinen Zweck erfüllt hatte, wieder von der Seite genommen.
Ja, was denn nun? Wenn ich ein Indianer wäre, könnte ich aufstöhnen: „Uff, die weiße Frau spricht mit gespaltener Zunge!“ Wenn ich Kabarettist wäre, könnte ich die Ministerin schnippisch „Ursula von der Lügen“ nennen und damit vielleicht ein paar Lacher einfangen. Doch es ist mehr als ein kleiner Versprecher; es ist eine große Kampagne, ein staatlich organisierter Statistikbetrug. Gleichzeitig brachte das Ministerium eine Studie heraus, die dazu passte wie die Scheckkarte in die Klarsichthülle. Da war von einer diskriminierenden Lohnlücke von 23% die Rede. 23 + 77 = 100. Richtig. Das stimmt in sich - und ist als Ganzes falsch. Voll und ganz.
Das Allgemeine existiert nicht als das Allgemeine, wie Hegel sagte, und ein konkretes Beispiel, das den Unterschied im Einzelfall belegt, gibt es auch nicht. Falls zufällig doch jemand so einen Fall kennt, kann er 5000,—Euro gewinnen, wenn er sich an die IGAF wendet, an die „Wette zur Lohnungleichheits-Lüge“. Also dann! Ran an die Moneten!
Die Anbieter der Wette werden darauf sitzen bleiben. Doch sie haben eine empfindliche Stelle getroffen. Es wird die Frau von heute, die sich auf Schnäppchenjagd begibt, kribbelig machen: Sie könnte nun Geld kriegen für das, was sie sowieso glaubt – wenn es nur stimmen würde. Es stimmt aber nicht. Das ist nicht nur ärgerlich für sie. Es ist ärgerlich für alle, die sich fragen, wie weit es mit uns gekommen ist.
Mit der Behauptung der Lohndiskriminierung hat die Verlogenheit der Frauenpolitik ein neues Stadium erreicht wie bei einem Spiel, wenn wir auf einer fortgeschrittenen Ebene, auf der sich alles viel schneller bewegt, angekommen sind. Um dahin zu kommen, musste man sackweise Redlichkeit über Bord werfen, um noch höher mit dem Ballon aufzusteigen in die Wolken der Misandrie und Opferverliebtheit, wo man die Leistung der Männer in Unrecht umdeutet: Was haben sie nur den Frauen angetan?! Sie behalten die besten Jobs für sich und betrügen die Frauen um den Lohn, den sie verdient hätten. So etwa sind die Hintergrundfarben dieser Spiel-Ebene.
Da wird viel verlangt von den Mitspielern. Um da immer noch mit den Schäfchen mitzuheulen, muss man sich verbiegen, bis es knackt; man muss sich im Umgang mit Statistiken dümmer stellen, als man in Wirklichkeit ist, und darf sich nicht scheuen, den ökonomischen Analphabeten zu mimen. Denn welcher Arbeitgeber würde nicht sofort die Gelegenheit nutzen, 23% Lohnkosten zu sparen, indem er nur noch Frauen einstellt? Gute Frage.
Egal. Die 23% werden munter weiterverbreitet, was ja heute leicht zu machen ist: copy and paste. Früher gab es manchmal bei einer Gartenschau einen Überraschungspreis für den tausendsten Besucher. Da hat sich sicher so mancher Journalist gedacht, dass es vielleicht auch einen Preis für den tausendsten Wiederkäuer der Lohnlücken-Lüge gibt. Aber Pustekuchen.
Was soll man nur machen? Es stimmt einfach nicht – wie man hier sehen kann, und hier, und hier, und hier, und hier, und hier, und, und, und. Aber ich erkläre es gerne noch mal. Ganz langsam. Vorher vielleicht noch ein spaßiges Filmchen? Mit dem Kinospot ‚Schluss mit dem Unsinn’ hat das ‚Bayrische Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen’ ein filmreifes Eigentor geschossen, da kann man schon ins Grübeln geraten und sich fragen, was das mit dem Unsinn gemeint ist. Ich weiß es. Aber bitte: Bild dir deine Meinung.
Die Mogelei fängt damit an, dass man sich nicht auf Gleiches beschränkt – also auf das, was man wirklich miteinander vergleichen kann. Vielmehr wird da verschämt von „gleicher oder gleichwertiger Arbeit“ gesprochen. Na? Haben Sie es „wohl bemerkt“? Damit sind wir schon außerhalb einer seriösen Gegenüberstellung. Man kann sich das so vorstellen: Wir haben es mit zwei Mengen von Äpfeln zu tun, nun werden noch Birnen dazu gemischt. Ist ja auch Obst.
Und was kommt bei dem Obstsalat raus? Die beklagten Benachteiligungen von Frauen sind keine Diskriminierungen durch das Geschlecht – mehr noch: Sie sind überhaupt keine Benachteiligungen, sondern gerechter Lohn; wer nicht so viel arbeitet, kriegt auch nicht so viel Geld. Die 23% sind bloß noch nicht um solche „objektiven Faktoren“ bereinigt. Wenn man die herausrechnet, bleiben noch 8% übrig.
Diese Zahl steht irgendwo auf einer der insgesamt 91 Seiten der durchgehend unlesbaren Studie, nicht jedoch in der Zusammenfassung. Das ist der Trick: An der Stelle, die von allen zitiert wird, steht nicht das, was das eigentliche Ergebnis ist. Das ist aber nicht so schlimm, weil die 8% auch wertlos sind. Diese Zahl als Beleg für eine Diskriminierung anzusehen, ist so als würde man sagen: Da wir keinen anderen Schuldigen nachweisen können, erklären wir kurzerhand den Geschlechtsunterschied zum Schuldigen. Das war ja auch von Anfang an unsere Absicht.
So richtig bereinigt sind die 8% auch nicht, man hat nur an dieser Stelle mit der Vorwäsche aufgehört, weil „nähere Angaben nicht vorlagen“ und weil man bestimmte Bereiche - wie etwa die Bundeswehr - bewusst ausschließen wollte. Man käme sonst an eine Grenze, ab der es statistisch nicht mehr relevant ist und das Ergebnis bis zur Unkenntlichkeit verwaschen wäre. Also nichts da. Es gibt keine Lohnlücke. Es bleibt bei dem, was der für Arbeit und Gleichstellung zuständige EU-Kommissar Vladimir Spidla festgehalten hat: „Direkte Lohndiskriminierung, also ungleicher Lohn für gleiche Arbeit ist in der EU fast ganz verschwunden“. Wieso sollte es auch anders sein!?
Warum dann der Alarm? Darum: Das Thema ist inzwischen zu einer tragenden Säule für die Legitimation der Frauenpolitik geworden, die sich fragen muss, ob es noch irgendwelche Mauerblümchen gibt, an denen der feministische Triumphzug 50 Jahre lang achtlos vorbeigezogen ist. Was bleibt denn noch, um Fördermaßnahmen für Frauen weiterhin als dringend notwendig auszuweisen? So ist es zur Gretchenfrage geworden: Wie hältst du’s mit der Lohnungleichheit? Und da scheiden sich die korrupten und die nicht korrupten Geister.
Am Equal Pay Day (aber nur an diesem Tag) werden Frauen (Transvestiten oder Männer mit Perücke und großer Oberweite gelten nicht), wenn sie diese schicken roten Taschen tragen, in ausgewählten Läden zum Ausgleich für ihre Benachteiligungen saftige Rabatte eingeräumt. Wer will es da noch wagen, als bösartiger Schnäppchen-Schänder seine Stimme zu erheben? Leugner der Lohnlücke werden neuerdings nicht nur als konservativ angesehen, sondern als Elemente, die bedenklich nah am rechten Rand stehen und den sozialen Frieden gefährden.
Dennoch. Das Lügengebäude wankt. Also brauchte man ein paar Künstlerinnen, die der Desinformation Glanz verleihen und kunstartige Kunst produzieren, die auf dem Sand gebaut ist, der den schwachen Frauen, die sich so gerne benachteiligt fühlen, in die Augen gestreut werden soll. Gefragt war Frauenkunst, die ihre Voraussetzungen nicht reflektiert, künstlerische Freiheit gering schätzt und sich artig mit der alarmierenden Zahl 23 beschäftigt getreu der Vorgabe: Malen nach Zahlen: „60 Künstlerinnen haben sich an der Schau beteiligt und setzen das Thema Frauen und Geld in unterschiedlichster Weise um: Sie drucken selbst Geld, sie konstruieren ein neues Geldsystem oder sie widmen sich Unternehmerinnen wie Coco Chanel.“
Ob die Werke zu kaufen sind, weiß ich nicht. Dass die Künstlerinnen käuflich sind, glaube ich schon. Das ‚Extra-Blatt’ gibt einen Hinweis auf ihr besonderes Geschick im Umgang mit Geld: „Die Ausstellung wird unter anderem vom Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter des Landes NRW und vom Amt für Gleichstellung der Stadt Bonn gefördert. Weitere Förderer sind die Deutsche Telekom AG, die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit GmbH und die Kreditanstalt für Wiederaufbau neben vielen frauenfördernden Stiftungen.“
Womöglich ist es eine Investition mit Nachhaltigkeit. Wenn sich herumspricht, dass es sich um falschen Alarm handelt und wenn das Wolkengebilde von der Lohnlücke weitergezogen ist, dann, ja dann ... auch nicht schlimm: Dann wird die Show eben als Wanderausstellung ‚Propagandakunst in Deutschland nach 45’ recycled mit dem Unterthema ‚Falschgeld und Falschmeldung’. Die Moneta- Ausstellung ‚Frauen & Geld’, so wie sie jetzt eröffnet wurde, kann in Bonn noch bis zum 3. April 2011 (nicht etwa nur bis zum 1.) besucht werden, und zwar im Frauenmuseum, Im Krausfeld 10, in 53111 Bonn, Di.-Sa. von 14.oo bis 18.oo Uhr; So. von 11.oo bis 18.oo Uhr. Eintritt 4,50 Euro, ermäßigt 3,—Euro.