Vera Lengsfeld / 22.05.2019 / 06:25 / Foto: Bundesarchiv / 98 / Seite ausdrucken

Europawahl: Der Weg des Durchpeitschens

In der BZ schrieb Gunnar Schupelius unlängst, in Deutschland trage der Europawahlkampf "hysterische Züge". Statt über die europäischen Probleme zu diskutieren, würden die Wähler unter Druck gesetzt. Die Aufrufe, „richtig“ zu wählen, also keinen EU-kritischen Parteien die Stimme zu geben, sind inzwischen nicht mehr zu überblicken. Was die „richtigen“ Parteien wollen, das verraten sie auf ihren Plakaten und in ihren Äußerungen nicht. Dort findet man Leerformeln wie „Kommt zusammen“ oder „Europa ist die beste Idee, die Europa je hatte“ oder Beschwörungen, den „Populisten und Hetzern bei dieser Wahl die rote Karte“ zu zeigen. 

Hinter diesem Gedöns entdeckt man ein Bild, das der „Nationalen Front“ der DDR erschreckend ähnelt. Die etablierten Parteien haben übereinstimmende Programme, die nur im Details voneinander abweichen. Sie wollen alle die Zentralregierung in Brüssel stärken, offene Grenzen und das Bleiberecht für alle Migranten, auch für alle illegalen Einwanderer. Das kann nur gegen den Willen der Mehrheit der Europäer, einschließlich der Deutschen, geschehen. 

Diese Ziele stehen somit im diametralen Widerspruch zu dem, was Heinrich August Winkler den Leitsatz der Gründungsakte des Westens nennt: Den „consent of the governed“, der unausgesprochenen Übereinkunft der Regierten mit den Regierenden. Kein Geringerer als Thomas Jefferson hat dieses wechselseitige Einverständnis in der Präambel der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776 für grundlegend für eine funktionierende Demokratie erklärt.

Spätestens seit dem Sommer 2015 gibt es – nicht nur aus Winklers Sicht – diese Übereinstimmung der Regierten mit den Regierenden nicht mehr. Oder genauer: Seit der Entscheidung von Kanzlerin Merkel, unkontrollierte Masseneinwanderung nach Deutschland und damit nach Europa zuzulassen, ist die Kluft zwischen Regierenden und Regierten nicht mehr zu übersehen. In einer Demokratie sind Gesetzgeber und Regierungen auf die Zustimmung der Bevölkerung angewiesen. Wenn die Zustimmung verweigert wird, müssen sie entweder ihre Politik ändern, um die Übereinkunft wieder herzustellen, oder sie müssen zu diktatorischen Mitteln greifen, um gegen den Willen der Regierten zu agieren.

Der neue alte Drang, tonangebend zu sein

Der Europawahlkampf zeigt, dass sich die glühenden Europäer, wie sich die Anhänger eines europäischen Zentralstaates gern bezeichnen, den Weg des Durchpeitschens ihrer Politik gewählt haben.

Ungeachtet seiner Geschichte, die Deutschland immer ins Verhängnis gebracht hat, wenn es an seinem Wesen die Welt genesen lassen wollte, drängeln sich die deutschen Eliten wieder danach, tonangebend zu sein und den Anderen vorzuschreiben, wo es lang zu gehen hat. Dabei begnügen sie sich nicht mehr, nur „Vorbild“ sein zu wollen, sondern anderen Ländern soll notfalls mit Gewalt gezeigt werden, wo es lang zu gehen hat. Nun ist aus Deutschland heraus eine österreichische Regierung gestürzt worden.  

Staatsnahen Medien scheint die verhängnisvolle Parallele aber nicht aufzufallen – oder sie wird verdrängt, weil man eben nicht wählerisch mit den Methoden sein kann, um das vermeintlich Gute zu befördern. Wie sagte doch der Chef des berüchtigten „Zentrums für politische Schönheit“? „Gegen Nazis wenden wir nur Nazimethoden an“. Damit hat er auf den Punkt gebracht, warum der nationalsozialistische Ungeist in seiner Truppe so erschreckend vital ist. In denjenigen, die Nazimethoden praktizieren, lebt der Nazigeist weiter. 

Nun Österreich. Das bundesdeutsche Establishment schwelgt in gar nicht so klammheimlicher Freude. Es hat sichtbar kein Problem damit, dass deutsche politische Säuberer sich in die inneren Angelegenheiten eines anderen Landes eingemischt haben – mit Mitteln, die in Deutschland strafbar sind, wie der Ex-BND-Chef August Hannig klar gemacht hat. Er sprach in einem ntv-Interview von Geheimdienstmethoden, die hier zur Anwendung gebracht wurden. Was es bedeutet, dass die Regierung eines Landes nicht mehr von den eigenen Wählern abgewählt, sondern von fremden, gesichtslosen Mächten zu Fall gebracht wird, darüber kann man nicht nachdenken, ohne zu frösteln. 

Als Nächsten wird es Sebastian Kurz treffen

Es mag Leute geben, die sich damit beruhigen wollen, dass es mit Strache keinen Falschen getroffen hat. Das ist richtig, was den Mann betrifft, aber leider Vogel-Strauß-Politik. Als Nächsten wird es Sebastian Kurz treffen. Es kursieren jetzt schon im Internet Bonmots wie: „Jetzt muss Kurz kürzer gemacht werden“. Der österreichische Bundeskanzler steht auf der Abschussliste der Linken, seit seiner Initiative, die sogenannte Balkan-Route zu schließen und damit die unkontrollierte Masseneinwanderung abzubremsen.

Als er vor achtzehn Monaten nach der Wahl seinen Auftrag ernst nahm und zügig eine Regierung entsprechend des Wählerwillens bildete, statt einen ebensolchen unerträglichen Eiertanz aufzuführen, wie er zeitgleich in Deutschland stattfand, der nur dem Erhalt und der Zementierung von möglichst viel Macht diente, wurde der Wunsch, den politischen Jungstar loszuwerden, noch dringender. Gänzlich zur Hassfigur der Linken wurde Kurz, als sich herausstellte, dass seine Regierung populär war und Reformen durchführte, die mit seinem vorherigen Koalitionspartner unmöglich waren. Für viele Europäer war die österreichische Regierung ein Hoffnungsschimmer. Dieses Modell musste offensichtlich aus Sicht der Eurokraten weg, egal wie. 

Allerdings hat Sebastian Kurz zum Erfolg seiner Feinde beigetragen. Statt nach dem schnellen Rücktritt von Strache und seinem Fraktionsvorsitzenden vielleicht noch den Rücktritt des FPÖ-Innenministers zu verlangen, aber an der Koalition festzuhalten, hat er sich jagen lassen. 

Das Hoffnungsmodell Österreich ist zerschlagen

Wenn er mit der Begründung, dass er sich nicht aus Deutschland heraus mit strafbaren Methoden seine Regierung zerlegen lasse, an der Koalition festgehalten hätte, wäre der Machtkampf zu seinen Gunsten ausgegangen. Statt auf Tal Silbermann zu verwiesen, hätte er thematisieren können, dass sich die ruchlose Truppe für politische Säuberungen spätestens seit ihrer Denunziations-Aktion in Chemnitz klar als Anwenderin krimineller Methoden entlarvt hat. Er hätte so seine politische Zukunft retten können, die jetzt in den Sternen steht. 

Mit der FPÖ ist so viel Porzellan zerschlagen, dass eine Wiederauflage der Koalition fast unmöglich ist. Ebenso undenkbar erscheint, dass es eine Koalition mit Links-Grün unter seiner Kanzlerschaft geben könnte. Die werden seinen Kopf als Preis für die Koalition fordern. 

Das Hoffnungsmodell Österreich ist zerschlagen. Wie stark sich das auf die Europa-Wahl auswirkt, wird man abwarten müssen. Eigentlich sollte den Wählern klar geworden sein, auf welch abschüssigem Pfad zum Gesinnungstotalitarismus sich die glühenden Europäer befinden. Was mit Österreich gemacht wurde, ist nur der momentane Tiefpunkt des politischen Verfalls.  

Unbotmäßige Regierungen werden mit dubiosen Methoden abgesetzt. Die Verteidiger staatlicher Souveränität werden gebrandmarkt. Die Entmachtung nationaler Parlamente wird zur Stärkung der Demokratie erklärt. Die etablierten Parteien, deren Aufgabe es ist, den Wählern entscheidungsfähige politische Alternativen vorzulegen, haben sich von dieser Aufgabe verabschiedet.  Sie stellen bloße Worthülsen zur Wahl und betreiben damit eine Entkernung der Demokratie und verbergen ihre Wählerverachtung kaum noch. Sie demonstrieren, dass in Europa nicht mehr der Souverän bestimmt, sondern ein gesichts- und verantwortungsloses Konglomerat aus Politik, Medien, NGOs, die Vereinigungen wie das Zentrum für politische Säuberungen und die Antifa die Drecksarbeit machen lassen. 

Jeder, der am Sonntag zur Wahl geht, sollte sich das klarmachen.

Zur Europawahl sind auf Achgut.com in jüngster Zeit unter anderen auch folgende Beiträge erschienen:

Marcus Ermler: Europawahl: Ich wähle Ditfurth

Gunter Weißgerber: Wählen? Klar! Und wen?

era Lengsfeld: Europawahl: Hingehen, wählen, unbedingt!

Roger Letsch: Europawah:l Meine Stimme für niemand

Norbert Bolz: Europawahl: Die bunte Einfalt der Ratlosen

Florian Willet: Europawahlen: Lassen Sie sich nicht von der Frisur täuschen!

Foto: Bundesarchiv CC BY-SA 3.0 de via Wikimedia

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Herbert Dietl / 22.05.2019

Die Gründungsidee von de Gaulle und Adenauer, l’Europe des patries, Europa der Vaterländer, ist heute von den Verfechtern der Vereinigten Staaten von Europa ist ab den 2000er Jahren stiekum vermieden worden, heute als europafeindlich denunziert. Die EU entwickelt sich zu einer Perversion seiner selbst,mit einem Parlament, das nichts zu entscheiden hat. „Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben.“ – Walter Ulbricht, Anfang Mai 1945. Wer denkt da nicht an den Ausspruch eines Ischias Kranken: “Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter - Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.” Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Heiko Stadler / 22.05.2019

Immer wieder hört man im Zusammenhang mit dem österreichischen Watergateskandal das Wort “Aufklärung”. Nichts davon ist zu sehen! Wer hat sich diese perfide Falle ausgedacht? Wer hat den Raum verwanzt? Wer sind die Auftraggeber?

Oliver Förstl / 22.05.2019

Was bedroht eine Demokratie mehr? Ein unappetitlicher Politiker wie Strache oder die unbekannten Mächte, die eine Regierung zu Fall gebracht haben?

Petra Schwerdtfeger / 22.05.2019

Kurz hat sich nicht jagen lassen - Kurz hat einen Auftrag erfüllt. Nicht mehr und nicht weniger.

Matthias Braun / 22.05.2019

” Wer ein Gesetz gibt, ist selbst daran gebunden.” ( Deutsches Sprichwort ) Für das Poesiealbum von Angela Merkel.

Steffen Lindner / 22.05.2019

Die Mehrheit der Deutschen w i l l die Zerstörung ihres Landes, sonst hätte das Wahlergebnis schon im Oktober 2017 anders ausgesehen-ein ähnliches erwarte ich für die EU-Wahl.

Corinne Henker / 22.05.2019

Die aktuelle EU-Politik erinnert mich stark an “Game of Thrones” - oder umgekehrt. Statt unterschiedliche Interessen zu beachten und Kompromisse zu finden, teilt man die Welt lieber in “Gut” und “Böse”, wobei gerade den “Guten” jedes Mittel recht ist, um ihre Ideologie durchzusetzen. Die “Bösen”, die skrupellos ihre Interessen verfolgen, sind schon übel, aber die “Guten” richten unendlich mehr Schaden an. Auch in GoT wird klar, dass jedes Volk seine Eigenheiten und seine eigene Geschichte hat, die sich nicht auf Order von oben beseitigen lassen. Von Oben angeordnete Zusammenschlüsse haben nur eine begrenzte Lebenszeit. Die derzeitige Österreich-Affäre erinnert mich stark an die “Rote Hochzeit” (Staffel 3). Danach fühlten sich die Lannisters als die großen Sieger, weil sie offenbar all ihre Widersacher ausgeschaltet hatten (wie jetzt das linke Establishment), aber man hatte sich u.a. durch die Wahl der Mittel so unbeliebt gemacht und neue Feinde geschaffen, dass es von da an nur noch abwärts ging. Kleiner Hoffnungsschimmer: Bei GoT siegt am Ende die Vernunft über die Emotionen - aber es kostet unzählige Opfer. Auch hierzulande wird es wohl noch viel schlimmer werden, ehe es besser werden kann.

B. Rilling / 22.05.2019

Wenn ich nach Österreich blicke in diesen Tagen, dann habe ich das unbedingte Bedürfnis, mich bei den liebenswerten Alpenbewohnern zu entschuldigen….dafür, dass der Sturz ihrer durchaus erfolgreichen Regierung wohl auch aus meinem Heimatland zumindest forciert wurde. Und ich finde es ausgesprochen beschämend, wie Presse und große Teile unserer “bunten” Parteienlandschaft geradezu entzückt sind, und jubilieren! Ich bin keine gläubige Christin, aber warum muss ich ständig an den ersten geworfenen Stein oder an den Splitter im Auge des Gegenüber denken? Kanzler Kurz wird hoffentlich aus diesem unfairen Wahlkampf im Herbst als Sieger hervorgehen. Nur mit wem soll er dann regieren? Mit der FPÖ wird nach diesem heftigen Trennungsdrama kaum möglich sein (und ich hoffe für die FPÖ, dass sie keinen Misstrauensantrag gegen ihn stellen wird! Das wirkt nur wie Trotz.) Mit der SPÖ oder den Grünen? Aber genau diese hatten die Wähler doch ganz eindeutig abgewählt! Zu befürchten ist, dass dort der gleiche Mummenschanz aufgeführt wird, wie bei uns im Herbst 2017! So schlussfolgere ich: Wer grundsolide und für den Wähler zum Vorteil regiert, muss um sein Amt und um seinen guten Ruf fürchten! Denn ganz ehrlich, wer hat tatsächlich eine blütenreine Weste? JEDER hat seine eigene Achillesferse, die der politische Gegner nur finden muss. So Politik zu machen widert mich als Wähler an! Und jeder von uns sollte überlegen, was von unserer Gesellschaft zu halten ist, die sich so manipulieren lässt!

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen

Es wurden keine verwandten Themen gefunden.

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com