Ellen Daniel / 23.12.2014 / 11:00 / 5 / Seite ausdrucken

Essen mit Ellen (Nr. 39) Bockwurst

Weihnachten. Goldener Lichterschein erhellt die Fenster. Heiligabend. Mit geröteten Wangen warten die Kinder aufs Christkind. In der Stube duftet die Nordmanntanne, draußen weht Glockengeläut durch die Straßen. Da wird auch den Hartleibigsten feierlich ums Herz. Wer jetzt kein Zuhause hat….  Es läutet das silberne Glöckchen zur Bescherung. Darauf Sekt oder Champagner. Dann ein zärtliches Knacken: Mutter hat die Gläser mit den Meica-Bockwürstchen geöffnet. Gloria in excelsis Deo!

Vielleicht finden Sie den Fehler in der geschilderten Szene. Oder gehören Sie etwa auch zu den 35 Prozent Deutschen, die laut Umfrage von „Essen und Trinken“ am Heiligen Abend Bockwurst mit Kartoffelsalat oder irgendetwas anderes Profanes und Kaltes essen, um „die Hausfrau“ (großer Gott!) zu entlasten? Weil es schon in Ihrer trostlosen Herkunftsfamilie so Brauch war? Oder weil Ihnen Ihr genussfeindliches Über-Ich sagt, dass zu viel Gutes nicht gut sei? Meist werden andere Gründe vorgeschoben. Das übersichtliche Mahl solle an die Armut Josefs und Marias erinnern, sagt man mir. Ich halte das für eine Schutzbehauptung.

Auf die Gefahr hin, heute 35 Prozent meiner Leser zu vergraulen: Bockwurst mit Kartoffelsalat serviert man auf einer Kinderparty oder wenn man die Handwerker im Haus hat oder wenn man umzieht. Zu unserem höchsten Familien-Feiertag -und als solcher darf Heiligabend mit der Bescherung und dem Absingen von Weihnachtsliedern gelten- ist die Bockwurst eine peinliche protestantische Marotte. Eine, für die uns der Rest der Welt auslacht. Als ich einmal den französischen Koch Alain Ducasse in einem Interview fragte, was er von dieser Tradition hält, stutzte er. Offenbar war ihm dergleichen noch nicht zu Ohren gekommen. Schadenfreude und Mitleid mit dem rechtsrheinischen Nachbarn rangen um die Vorherrschaft in seinem Gesicht. Die Höflichkeit obsiegte: „Warum nicht“, sagte er, „wenn es ein richtig guter Kartoffelsalat ist?“

Nun hat die französische Hausfrau das ganze Jahr über den Wunsch, sich küchenmäßig zu entlasten, denn sie ist meistens gar keine Hausfrau. So huscht sie zum Traiteur, wo sie sich mit Pasteten, Käse, Salaten und fertigen kleinen Speisen zum Aufwärmen versorgt, um trotz des umfangreichen Abendessens, das die Familie erwartet, mehr Zeit für ihren Liebhaber zu haben. So will es die Legende. Zu Weihnachten würde solch ein Gebaren aber als unchristlich gelten. Und wenn schon kalt, dann gibt es Foie gras mit Zwiebelmarmelade, Austern, Hummersalat, Roastbeef und Käse.

Ich muss es noch einmal sagen: Meine Verachtung für Bockwurst und Kartoffelsalat zu Heiligabend ist so tief wie der Baikalsee und so turmhoch wie der Burj Khalifa in Dubai. Da gibt es nichts zu vermitteln und nichts zu beschönigen. Menschen, die so etwas machen, legen sich auch beim Sex ein Handtuch unter und schützen ihre Polstermöbel mit hässlichen Überziehern. Wenn Sie das eine, aber nicht das andere tun, ist es höchste Zeit, der Bockwurst Adieu zu sagen. Es gibt kein wahres Leben im falschen. Glauben Sie mir. Frohe Weihnachten!

Roastbeef mit Rosmarinkartoffeln…

… haben den Vorteil, dass man sich anderen Dingen widmen kann, während alles im Backofen gart.

Jedem gelingt ein Roastbeef, wenn man sich an drei Dinge hält: 1. Das Fleisch muss gut abgehangen sein. 2. Es muss Zimmertemperatur haben, bevor man es in den Backofen schiebt. Dazu muss man es zwei Stunden vor Zubereitung aus dem Kühlschrank holen. 3. Das gegarte Roastbeef muss 10 bis 20 Minuten in Alufolie verpackt ruhen, bevor man es aufschneidet.

Backofen auf 120 Grad heizen. Für 6 Personen 1,5 kg Roastbeef mit wenig Olivenöl in einer Pfanne von allen Seiten scharf anbraten. Dann das Fleisch mit einer Marinade aus 70 ml Olivenöl, 2 Tl Senfkörnern, 1 Tl schwarzen Pfefferkörnern 1,5 Tl grobem Meersalz und 2 Tl Thymianblättchen bepinseln. Für die Marinade hat man alle Gewürze in einem Mörser zerstoßen und mit dem Öl vermischt. Fleisch auf einen Rost setzen, darunter ein Backblech schieben. Die Garzeit beträgt zwischen 80 (medium rare) und 100 (medium) Minuten.

10 Minuten vor Ende der Garzeit kleine festkochende Kartoffeln (z.B. la Ratte) waschen, in Hälften schneiden und mit der angeschnittenen Seite nach oben auf ein Blech mit Backpapier legen. Mit Olivenöl bepinseln, grobem Salz bestreuen und mit Rosmarinnadeln belegen, die man zuvor mit einem Nudelholz traktiert hat, um ihnen mehr ätherische Öle zu entlocken. Die Kartoffeln zum Roastbeef in den Ofen schieben. Mit dem Grill knusprig garen, während das Fleisch noch eine Weile in seiner Alufolie ruht.

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Leserpost

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Ellen Daniel / 24.12.2014

Lieber Herr Petersen, ich habe mir Ihre Kritik sehr zu Herzen genommen, denn Sie haben natürlich Recht mit Ihrer Verteidigung der Bockwurst. Ich mag sie am liebsten mit Löwensenf und Schwarzbrot. Mein Pamphlet galt der miesepetrigen Verknüpfung von Feiertag und Imbisessen. Eine Praxis, in der ich Genussfeindlichkeit und Lebensverkniffenheit erblicke, was ich zutiefst anprangere. Das hätte ich aber gefälligst auch schreiben sollen. Der Bockwurst in ihrem rundrum stimmigen Sosein ist das nicht anzulasten. Herrliche Feiertagsgenüsse wünscht Ihnen Ihre Ellen Daniel

Thomas Petersen / 23.12.2014

Liebe Frau Daniel, wie Sie wissen, bin ich ein Fan Ihrer Texte. Und wie Sie nicht wissen können, bin ich ein ebenso großer Fan von Roastbeef. Außerdem, habe ich, glaube ich, zu Weihnachten noch nie Bockwurst gegessen. Aber dennoch muss ich leider sagen, dass Sie beim Thema Bockwurst Unrecht haben. Sowas von UNRECHT, dass es kaum in Worte zu fassen ist. Wahrscheinlich haben Sie noch nie eine wirklich gute Bockwurst gegessen. Gehen Sie einmal zu dem Münchner Metzger Ihres Vertrauens und lassen Sie sich eine frische Bockwurst verkaufen. Lassen Sie den Kartoffelsalat weg, den braucht eh keiner, nehmen Sie dafür frisches Weißbrot oder noch besser: Schneiden Sie sie in eine Erbsensuppe - ach, mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Was habe ich schon schlechtes, zu hastig gekochtes, unbeholfen verkünsteltes, überkandideltes, quatschig pseudo-vornehmens Essen gegessen. Was hätte ich stattdessen für eine gute Bockwurst gegeben! Vielleicht sollte man überhaupt die Bockwurst nicht als Essen für den Heiligabend, sondern als Weihnachtsessen für den ersten Weihnachtstag propagieren als Ersatz für den Gänsebraten, der für unendlichen Stress und Gestank sorgt und in acht von zehn Fällen misslingt. Herzliche Grüße und fröhliche Weihnachten Ihr Thomas Petersen

Jürgen Meier / 23.12.2014

Verehrte Frau Daniel, Ihr Rezept für Heiligabend ist ganz ausgezeichnet bis auf die Kartoffelsorte. Ich habe diese Kartoffel “La Ratte ” einmal gegessen, eine Wiederholung werde ich mir nicht antun. Kochen Sie Rosmarinkartoffeln mit kleinen ,festkochenden und gelbfleischigen Kartoffeln und Sie werden ” La Ratte ” nicht vermissen.

Thomas Gandow / 23.12.2014

Liebe Frau Daniel, bitte nicht so streng sein, denn: Wiener mit Kartoffelsalat, das ist am Fastentag Heiligabend vor Weihnachten schon besser als bloß Fisch; so haben die Berliner sich das schöner gemacht. Und eigentlich ist das nur ein verschämter Ohnmachtshappen vor dem Kirchgang und der dann folgenden Bescherung. Danach ist alles erlaubt. Ganz wie Sie wünschen und vorschlagen. Mit fröhlichen Weihnachtsgrüßen Thomas Gandow

Hans-Peter Hammer / 23.12.2014

Ist denn auch in Frankreich, England, den Niederlanden, Belgien, Italien, Spanien etc. der 24.12., also Heiligabend,  DER Weihnachtstag, wo die Bescherung stattfindet, die Familie sich versammelt? Oder ist es in obigen Ländern eher der 25.? Nach Luther ist der “Geschenktag” eigentlich der 25. (so zumindest in einer Sendung von und mit Prof. Harald Lesch [Leschs Kosmos] zum Thema Weihnachten)! Danach hat Luther den ursprünglichen Geschenktag” 6. 12. zur Verehrung des Heiligen Nikolaus auf den 25.12. (Christi Geburtstag) verlegt, um der Heiligenverehrung einen Riegel vorzuschieben; das Volk nahm seinen Heilgen aber einfach mit; daher der Weihnachtsmann = Nikolaus! Wenn ich mich recht entsinne, ist Heiligabend (24.) in den obigen Ländern ein ganz normaler Arbeitstag, so wie er es bei uns ja zumindest zur Hälfte auch ist! Und was soll, bitte schön, daran schlecht sein, sich zu diesem Anlaß an die Armut Anderer zu erinnern, oder aber die “Hausfrau” - die ja heute häufig auch normal arbeitet - zu entlasten, oder welche Gründe sonst dahinterstecken mögen? Bockwurst und Kartoffelsalat am Heiligabend liegt mir auch nicht besonders, aber warum nicht die Leute einfach das machen lassen, was sie für richtig halten? Für viele kommt es an den Weihnachtstagen eh küppeldick: Am 1. bei der Familie der einen Eltern, am 2. bei der Familie der anderen Eltern, und jedesmal ein Festmahl! (Hoffentlich gelungen!) Mag uns die Welt auslachen! Das ist uns ansonsten (Energiewende, keine Geschwindigkeitsbeschränkung auf Autobahnen, Angela, Klimawandel, etc.) doch auch wurscht! :) Den Amis ist es übrigens auch wurscht daß wir über ihre kitschbunten Lämpchen am Weihnachtsbaum - zumindest - lächeln! Andere Länder, andere Sitten! Na und?  

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