Von Rainer Mohr.
Ich will hier keine Neiddiskussion führen und wünsche jedem „hart arbeitenden“ Arbeitnehmer aufrichtig eine auskömmliche Rente (ist ihnen auch aufgefallen, dass die Protagonisten dieser Heil-Botschaft immer von „hart arbeitend“ reden? Was sagen die Roten hingegen bezüglich der Menschen, die vor der Rente lieber gelegentlich “blau gemacht“ oder ergänzend schwarz gearbeitet hatten? Wird man dann als wirklich fleißiger Einzahler gelb vor Neid? Läuft man grün an, ärgert man sich schwarz?).
Ich gebe zu, mich betrifft die Respekt-Rente nicht. Jedenfalls nicht als Begünstigten. Nicht, dass für mich nie Beiträge gezahlt worden wären. In der Aufstellung der Rentenversicherung, die ich regelmäßig erhalte, wird sorgfältig nachgewiesen, dass der Staat seinerzeit Rentenversicherungbeiträge für mich gezahlt hatte. Seinerzeit, das war, als ich für weniger als eine D-Mark pro Stunde (echt wahr) als Wehrpflichtiger diente. Diese Leistung hat uns Wehrpflichtigen seinerzeit weder den Respekt der zivilen Bevölkerung noch ein respektvolles Verhalten der vorgesetzten Militärs eingetragen, und die auf meinen Sold eingezahlten Beiträge wandern jetzt in den großen Topf der Rentenversicherung, weil ich die Mindestzeiten nicht erreichen werde. Der Einbehalt des kargen Soldes fließt jetzt also an den Staat zurück. Ist halt so.
Andererseits betrifft mich die Respekt-Rente jedoch schon. Aus der Sicht der Subventionierer. Bitte nehmen Sie zur Kenntnis: Nicht der Finanzminister sorgt für die Finanzierung, sondern ich und viele, viele andere kleine Leute. Daher halte ich es für legitim, hiermit meine Meinung zu äußern. Ich verstehe, dass Olaf Scholz für jede neue Aufgabe Geld braucht. Er und ich stehen uns sehr nahe: Ich möchte mein Geld ausgeben, er möchte mein Geld ausgeben. Das verbindet.
Ich nehme ihm das nicht übel. Er will das Geld ja nicht für sich, sondern, um die Wünsche anderer Regierungsmitglieder zu erfüllen. Ich erkenne ihn wieder in der Rolle eines Familienvaters: Die ambitionierte junge Generation erkennt ein Problem, verurteilt die Vorgängergeneration für ihre Versäumnisse, definiert das Ziel und benötigt zur Lösung nur noch die erforderlichen Ressourcen, meist eine Finanzierung, also von Anderen natürlich; dafür sind der Familienvater beziehungsweise Olaf Scholz dann wieder gut genug.
Respektiert werden später dann die Problemerkenner. Diejenigen, die die erforderlichen Ressourcen mühsam organisieren mussten, verschwinden aus der Wahrnehmung, aus der Anerkennung. Das wären dann Olaf und ich, also der Organisierer und der Zahler. Wir teilen ein Schicksal. Wir ziehen beide am gleichen Geldschein, allerdings von gegenüberliegenden Seiten.
„Die Rente is sischää“
Lassen Sie mich im Folgenden darlegen, wie ich mir einen angemessenen Respekt (als einen der nicht Begünstigen) vorstellen könnte. Denn warum sollte ich auf einen staatlich anerkannten Respekt verzichten sollen, Respekt für die Erfüllung der Verpflichtung, höhere Steuern zahlen zu müssen? Angesichts des diskutierten Zeitrahmens von 35 Jahren muss ich dabei leider ein wenig weiter in die Vergangenheit gehen.
Vor ungefähr 40 Jahren habe ich einen Tag, nachdem ich meinen Wehrdienst beendet hatte, eine Ausbildung angefangen und diese beendet. Gleich darauf habe ich angefangen zu arbeiten. Schon damals war die sichere Rente eine zentrale Frage der Politik. Zwar nuschelte der putzige Blüm „Die Rente is sischää“, aber dennoch war klar, dass eine private Vorsorge anzustreben sei.
Ich habe mir seinerzeit bereits als Berufsanfänger ein Haus gekauft – dies galt als beste Altersvorsorge. Eigentlich konnte ich mir das Haus gar nicht leisten; der Zinssatz lag bei ungefähr 9 (!) Prozent. Meine monatlichen Kosten lagen über meinem Einkommen. Kein Kino, keine neuen Hemden, Friseur nur im Notfall, aber es blieb eine Lücke. Diese Lücke habe ich gestopft, indem ich einen Teil des Hauses abtrennte und an eine Studenten-WG vermietete. Soviel zum Traum vom „eigenen“ Haus.
Damit hatte ich zusätzliche Einnahmen. Gleichzeitig hatte ich eine – nein: zweimal eine – höhere Steuerlast: einerseits infolge der Mehreinnahme, andererseits durch den höheren Steuersatz infolge der Progression. Aber das Geld reichte, wenn auch anfangs nicht für Kino und neue Hemden; zwischen dem Kauf des Hauses und meinem ersten Besuch bei einem versierten Friseur lagen 30 Monate, daran erinnere ich mich noch. Die Anzahl der schlaflosen Nächte habe ich nicht gezählt. Ich vermiete heute noch. Jetzt seit genau 35 Jahren.
So sind wir, die kleinen Vorsorger
Seit nunmehr 35 Jahren trage ich das Risiko der Vermietung, spare für Reparaturen, kümmere mich um die Beauftragung von Handwerkern, mache eine Nebenkostenabrechnung und fertige über alle diese Tätigkeiten eine Aufstellung an das Finanzamt, damit dies alles auch ordnungsgemäß zugunsten der Allgemeinheit versteuert werden kann. Wie gesagt, einschließlich der – nach der Zusammenrechnung aller Einnahmen – höheren Progression. Lassen Sie mich zusammenfassen:
Ich habe erstens für die Zeit des Ruhestands eigene Vorsorge getroffen und zahle zweitens seit Jahrzehnten darauf Steuern. Lassen Sie mich ergänzen: Wenn ich einmal Pflegefall werden sollte, dann wird nicht der Staat meine Pflege bezahlen, sondern er wird zunächst die mögliche Miete, später den Verkauf des Hauses zur Finanzierung meiner Pflege einsetzen.
Jetzt lassen Sie mich meine kleine Rolle in der Gesellschaft verallgemeinern: die Masse von uns kleinen spießigen Vorsorgern hat tausende Wohnungen geschaffen, die tausende Menschen beherbergen. Menschen, die selber nicht in Liegenschaften investieren konnten oder wollten und die sich zur Erfüllung einer der grundlegendsten Lebensbedürfnisse nicht selbst engagierten, sondern das Risiko der erforderlichen Investition lieber auf Fremde abwälzten.
Wir haben den Markt entzerrt, was nach der volkswirtschaftlichen Theorie zu einem Sinken des Preisniveaus führt. So sind wir, die kleinen Vorsorger. In der linken Dogmatik ist der Vermieter ein Kapitalist. Aber ist es nicht vielmehr so, dass ich als Vermieter eine Leistung erbringe und der Mieter mich für meinen Einsatz bezahlt? Gleiche ich mit der Vermietung einer Wohnung nicht eher einem Arbeitnehmer als einem Unternehmer?
Die Respekt-Rente
Hier geht es um die Frage, ob jedermann, unabhängig von seiner lebenslangen Leistungsbereitschaft und ohne Bedürftigkeitsprüfung, nach 35 Jahren eine Respekt-Rente bekommen soll, die eigens geschaffen werden wird, weil die tatsächlichen Einzahlungen des Arbeitnehmers die Höhe dieser Rente nicht rechtfertigen können. Dafür werden zusätzliche Steuergelder verwendet werden.
Daher werden dann ich und all die anderen kleinen Vorsorger weiter Einkommensteuer auf Mieteinnahmen zahlen (und auch andere Steuern) und müssen somit an der Finanzierung (nicht aber: der Nutzung) dieser neuen staatlichen Leistung teilhaben. Habe ich das wirklich verdient, ist das der Respekt gegenüber jemandem, der auf die eigene Vorsorge seit 35 Jahren Steuern zahlte?
Bislang habe ich mir über meine Altersversicherung keine großen Gedanken machen müssen. Die finanziellen Engpässe meiner jüngeren Jahre liegen hinter mir. Ich werde mit erhobenem Kopf in den Ruhestand gehen, weil ich mir durch eigenen Einsatz eine finanzielle Sicherheit für das Alter geschaffen habe. Und ich werde mit bescheiden gebeugtem Kopf in den Ruhestand gehen, weil ich große Teile dieser finanziellen Sicherheit einem glücklichen Schicksal und tüchtigen Mitarbeitern zu verdanken habe. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich jemals mit der Frage der Altersversorgung beschäftigen müsste.
Aber nun gärt es in mir. Ich verstehe, dass Geringverdiener nicht abstrakt über adäquate Lösungen diskutieren, sondern verständlicherweise über die Runden kommen wollen; sie interessiert der Geldbetrag. Eine Auseinandersetzung über die theoretischen Aspekte muss aber auch erlaubt sein.
Die Respekt-Rendite
Ich habe, was die Mieteinnahmen betrifft, seit 35 Jahren ununterbrochen Steuern in eine öffentliche Kasse eingezahlt. Diese Einnahmen werden, wenn ich meine kleine Firma in absehbarer Zeit auflösen werde, Teil meiner Altersbezüge sein. (Zur Ergänzung: diese Einnahmen abzüglich meiner Kosten!) Wenn es um Respekt für Lebensleistungen geht, dann ist es in Analogie zur Respekt-Rente angebracht, mich – und auch all die anderen kleinen Spießer, die die Gesellschaft so viele Jahre am Laufen gehalten haben – von der Einkommensteuer für unserere lang-angesparten Altersvorsorge, der Mieteinnahme, zu befreien. Es lebe die Respekt-Rendite!
Man kann doch wohl nicht diejenigen, die für sich selber Vorsorge getroffen hatten, Steuern auf die Alterseinnahme zahlen lassen, damit die Sorglosen damit subventioniert werden. Oder kann man das?
Erinnern Sie sich daran, dass ich vorhin Olaf Scholz mit einem Familienvater verglich? Ein fürsorglicher Familienvater würde seine Kinder dazu anhalten, das eigene Leben selbstverantwortlich zu gestalten, Leistungsbereitschaft zu zeigen, die Folgen eigenen Handelns – und Nichthandelns – zu bedenken. Er würde sagen: „Um Deine Zukunft musst Du Dich schon selbst kümmern; jemand anders wird das nicht machen!“. Wie ist es dann zu bewerten, wenn die „hart arbeitenden“ Menschen feststellen, dass die weniger-hart-Arbeitenden rückwirkend subventioniert werden? Hätte man da nicht seinerzeit auch lieber nur halbe Tage arbeiten sollen? Warum sich um die Zukunft scheren: Vater Olaf wird schon einspringen? Nein, ein falsches Konzept.
Staatlich forcierte Geldentwertung
Wo wir schon so gemütlich plauschen: lassen Sie mich noch einen ergänzenden Gedanken loswerden. Denn es betrifft ja nicht nur diese eine Einnahme, die man aus Vermietung erhält, die ihren Ursprung im eigenverantwortlichen langfristigen Aufbau der eigenen Altersvorsorge durch Immobilienbesitz hatte.
Ich könnte Ihnen eine vergleichbare Geschichte erzählen zu Sparvermögen. Denn was habe ich kleiner Spießer mit den Mietüberschüssen gemacht, die irgendwann eintraten? Jawohl, gespart, weil ja mal eine Heizung kaputtgeht oder das Dach oder der Staat nachträgliche Dämmung vorschreibt (die nicht der Mieter zahlen wird) oder die Europäische Union und und und.
Das Reptil (ist mein persönlicher Spitzname für Draghi), das an der Spitze der Europäischen Zentralbank sitzt, hat mit -zig Milliarden Euro staatlich forcierte Geldentwertung erzeugt, geplant 2 Prozent pro Jahr. Soviel verliert mein Erspartes also jährlich. Falls ich andererseits meine Geldreserve zu 1 Prozent anlegen kann, verliere ich nur 1 Prozent. Aber auf die Zinserträge für meine Anlage zahle ich dann nochmals 25 Prozent Einkommensteuer, denn ich habe ja (wenn auch nur auf dem Papier) formell 1 Prozent verdient. Also zahle ich bei unserem progressiven Steuertarif trotz wirtschaftlichem Verlust durch Inflation noch weitere Einkommensteuer, obschon dieser Verlust hoheitlich instrumentalisiert wurde.
Das war die Kurzform, aber Sie wissen, was ich meine. Da kommen also nochmals Steuern zustande, die infolge der Inflation einer wirtschaftlichen Grundlage entbehren, und gleichzeitig wird auch noch, staatlich unterstützt, das Kapital vernichtet, in diesem Fall mein Sparguthaben, sprich Altersvorsorge. Soviel zum staatlichen Bemühen bei der Gestaltung meiner persönlichen, privat organisierten Altersvorsorge. Auf sowas muss man erstmal kommen – Respekt.