Oswald Metzger, Gastautor / 29.06.2014 / 12:51 / 0 / Seite ausdrucken

Eine Luftnummer namens Stabilitätspakt

Der europäische Stabilitätspakt ist längst Geschichte. Man beschwört ihn zwar immer wieder, so wie auch die Kanzlerin vor dem jüngsten EU-Gipfel. Am Ende aber bekundet auch die deutsche Regierung Verständnis für eine flexible Anwendung der Regeln. Diesmal vielleicht auch als Preis für das Personaltableau bei der Besetzung europäischer Spitzenpositionen. Die Forderungen nach einem Ende des „Spardiktats“ kommen vor allem aus Italien und Frankreich. Beide Euro-Länder haben größte Mühe, die vereinbarten Defizit-Vorgaben einzuhalten. Die Reformbereitschaft ist gering, die Wettbewerbsfähigkeit sinkt und die Schulden steigen. Und jetzt wird unter dem Label der „Wachstumsförderung“ die Bindungskraft des Fiskalpakts noch weiter ausgehöhlt, die bereits im vergangenen Jahr für Frankreich eingeleitet worden ist.

Dabei sollte ja alles ganz anders werden nach der Schuldenkrise in Griechenland, Portugal und Spanien. In noch nicht fernen Zeiten versprachen sich die Regierungschefs feierlich, der in der Not eingegangenen Gemeinschaftshaftung eine stärkere Budget- und Schuldenkontrolle in der Euro-Zone zur Seite zu stellen. Nachdem der ursprüngliche Maastrichter Stabilitätspakt 2005 von Deutschland und Frankreich gemeinsam aufgeweicht worden war, sollte er jetzt als Fiskalpakt wieder gehärtet werden.

Doch Regelvereinbarungen zur Schuldenkontrolle in Europa existieren immer nur auf dem Papier. Wenn es ernst wird, Sanktionsverfahren drohen oder unpopuläre Sozialstaatsreformen unterlassen werden, landet der „gehärtete“ Fiskalpakt im Papierkorb. Deutschland hat diese Regel-Missachtung 2005 eingeleitet, als es die selbst kreierte Maastrichter Defizitgrenze beim Budget riss. Der Fluch dieser bösen Tat machte Schule. Paul Kirchhof nannte die Geschichte der Europäischen Währungsunion nicht ohne Grund eine „Geschichte des permanenten Rechtsbruchs“.

Und der Rechtsbruch setzt sich fort, wie der aktuelle EU-Gipfel mit seiner kaum verschleierten Aufweichung des Fiskalpakts belegt. Auch wenn diese hinter der Personalie Juncker medial etwas im Schatten steht. Frankreich und Italien, die zwei nach Deutschland größten Volkswirtschaften der Euro-Zone, werden weitere Schulden machen dürfen. Als ob eine wachsende Staatsverschuldung ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum befördern würde, wenn die Politik gleichzeitig Strukturreformen des Arbeitsmarktes und der Sozialsysteme scheut.

Die Krise im Euro-Land schwelt weiter. Nur weil die hyper-lockere Geldpolitik der Europäische Zentralbank und anderer Notenbanken für historisch niedrige Finanzierungskosten der Staaten sorgt, darf der politische Reformwille nicht erlahmen. Doch genau dieser Effekt ist schon eingetreten. Die Politik versteckt sich hinter den Notenbanken, die deshalb kaum aus der Falle des billigen Geldes herauskommen werden. Strukturreformen unterbleiben vor allem in den großen Euro-Ländern. Und wir Deutschen taugen längst nicht mehr als Reform-Vorbild. Die deutsche Politik plündert die Sozialkassen mit der Rentenreform, statt sie wegen der demografischen Entwicklung zu stärken. Denn auch in Deutschland hätschelt eine breite Politikerphalanx das Volk lieber mit noch mehr Sozialstaat, statt die Menschen auf weniger Staatstransfers einzustellen.   

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Oswald Metzger, Gastautor / 19.09.2015 / 12:00 / 14

Flüchtlinge in Deutschland: Statt Illusionen mehr Realitätssinn!

Das Flüchtlingsdrama beschäftigt die Menschen im Land wie selten ein anderes. Nicht nur die Medien und die Politik sind davon seit Wochen beherrscht. Kein Gespräch…/ mehr

Oswald Metzger, Gastautor / 04.09.2015 / 15:23 / 0

Nächste Woche ist Haushaltsdebatte: „Schwarze Null“ ade

Der Deutsche Bundestag befasst sich in der kommenden Woche in erster Lesung mit dem Regierungsentwurf für den Bundeshaushalt 2016, den das Bundeskabinett am 1. Juli…/ mehr

Oswald Metzger, Gastautor / 10.08.2015 / 06:30 / 4

Mythos und Wirklichkeit: Der deutsche Spar-Fake

Es ist der blanke Hohn: Europa wird angeblich von der Austeritätspolitik beherrscht. Die grassierende Sparpolitik, vor allem von Deutschland gepusht, zeichne verantwortlich für alle Krisensymptome,…/ mehr

Oswald Metzger, Gastautor / 26.07.2015 / 06:30 / 2

Politische Zechprellerei

Auch auf Ausgaben für Leistungen, die man politisch immer bekämpft hat, kann man Ansprüche erheben. Das belegen derzeit diverse Landesregierungen, vornehmlich Rot-Grüne, aber nicht nur…/ mehr

Oswald Metzger, Gastautor / 01.07.2015 / 08:13 / 3

Die Verdrängung der Realität hat System

In Griechenland soll das Volk am kommenden Sonntag richten, was eine ideologisch verblendete und administrativ überforderte Regierung in weniger als sechs Monaten kaputt gemacht hat.…/ mehr

Oswald Metzger, Gastautor / 14.06.2015 / 20:25 / 1

Leben auf Pump

Wer sich das Ausmaß der Kreditfinanzierung in den allermeisten Staaten auf diesem Globus anschaut, den müssten Panikattacken befallen. Die Wachstumsrate bei der öffentlichen Verschuldung liegt…/ mehr

Oswald Metzger, Gastautor / 03.06.2015 / 12:00 / 1

Europa braucht das angelsächsische Momentum

Zunächst schleichend und dann schneller hat die europäische Politik immer mehr Regelungskompetenzen an sich gezogen. In permanenter Überdehnung des EU-Vertragsrechts scheren die supranationalen Institutionen Europas…/ mehr

Oswald Metzger, Gastautor / 06.05.2015 / 07:00 / 1

Die Sozialstaatslobbyisten

Sie lassen sich in Ihrem Furor für die Armen und Entrechteten von niemandem übertreffen. Sie kämpfen unermüdlich und rund um die Uhr für „soziale Gerechtigkeit“.…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com