P. Werner Lange, Gastautor / 01.06.2020 / 10:00 / Foto: Fir0002 / 41 / Seite ausdrucken

Ein T-Shirt, eine Jahreszahl und die Gefühle von Christen

Von P. Werner Lange.

Wenn ich in Gesprächen erwähne, dass wir seit vielen Jahren immer wieder nach Neapel und Sizilien reisen, dann ruft das oft milde Kritik hervor. Venedig, Florenz, Rom, Siena – das sei ja zu verstehen, aber Neapel oder gar Sizilien … Meist wende ich ziemlich hilflos ein, was Goethe über beides schrieb. Das wirkt natürlich nicht überzeugender als der Hinweis auf das Teatro San Carlo oder auf eines der drei bedeutendsten Antikenmuseen der Welt, auf die wunderbare Galerie Capodimonte oder – dem Bildungsstand meines Gegenübers entsprechend – auf die Spottpreise maßgeschneiderter Anzüge sowie handgefertigter Schuhe, Hemden und Krawatten in Süditalien.

Was nun Sizilien betrifft, so muss man in der Tat ein wenig für die Antike, für die Magna Graecia empfinden, wenngleich die Zeit vorüber ist, in der ein deutscher Dichter deshalb bis nach Syrakus lief. Und ja, es stimmt: Nach zahllosen Epidemien, Erdbeben, Plünderungen und den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg – keine andere italienische Stadt ist so heftig bombardiert worden – hat Neapel viele seiner Kunstschätze verloren, der größte Teil der Kirchen ist inzwischen von Gott und den Menschen verlassen worden, Musik und bildende Kunst sind seit langem nicht mehr das, was sie einmal waren, Giovanni Pergolesi warf man in ein Massengrab, und das Grab der Artemisia Gentileschi ist noch in der Mitte des letzten Jahrhunderts geschleift worden.

Alles richtig, doch ich werde den tiefsten Grund meiner Zuneigung ohnehin nicht verraten. Der mag etwas mit den marmornen Rittern in schwerer Rüstung zu tun haben, die dort unter gotischen oder barocken Kirchenhimmeln schlafen. Oft halten sie ein Buch in der Hand und zeigen uns damit, wie man leben sollte: gut gepanzert, schweigsam und belesen. Aber damit offenbare ich schon eine Schwäche, die gewöhnlich alle meiner Lobpreisungen des italienischen Südens scheitern lässt: Fortwährend rollt mir mein Garn davon, manchmal bis unter das Sofa, wo ich es dann hinter lauter ängstlichen Beinen hervorholen muss.

Viel Lärm um ein Kleidungsstück

Denn ich will hier ja etwas anderes erzählen. Also: Kürzlich landete in Hannover ein griechisches Flugzeug mit siebenundvierzig jungen Menschen. Es war die erste Gruppe der auf den griechischen Inseln gestrandeten Migranten, von denen es im Bundestag zuvor hieß, es handele sich um unbegleitet nach Europa gekommene, oft kranke Kinder, zumeist Mädchen, die jünger als vierzehn Jahre seien. Tatsächlich waren vier Mädchen darunter. Von den vielen ideellen und materiellen Nutznießern des völlig zerstörten deutschen Asylrechtes – es sind ja durchaus nicht nur die Migranten – wurde und wird freilich so viel gelogen, dass es vergeblich erscheint, hier auch noch ein Wort darüber zu verlieren. Nein, mehr bewegt hat mich das Bild eines der angeblich vierzehnjährigen Jungen – fast die Hälfte der beteiligten Jugendlichen wurden, so jedenfalls ihre Papiere, nämlich am 1.1.2006 geboren. Der wie die Anderen gesunde, wohlgenährte und modisch gekleidete junge Mann trug ein T-Shirt mit der Aufschrift „Istanbul 1453“. Das muss er in der Türkei gekauft haben, weil dergleichen nicht allein in Griechenland eine verächtliche, extrem nationalistische Herausforderung wäre.

Viel Lärm um ein Kleidungsstück, getragen von einem Jungen, der wahrscheinlich aus Afghanistan stammt und gar nicht weiß, was er da zur Schau stellt? Nein, ein Protest gegen den Geist der Menschenverachtung, dem da ständig Tür und Tor geöffnet sind: 1453 wurde Konstantinopel, die letzte Feste des christlichen Kaiserreiches am Bosporus, von den Osmanen erobert und trägt erst seither den Namen Istanbul. Das war nicht der erste islamische Angriff auf Europa, und oft wird vergessen, dass bereits hundert Jahre nach dem Tod des Propheten das spätantike und griechisch-römische, häufig christliche Nordafrika ausgelöscht und Spanien erobert war. Krieger, deren heiliges Buch sie aufforderte, in aller Welt „Ungläubige“ zu ermorden, bedrohten damals Paris. Mit Konstantinopel, ehemals Hauptstadt des Oströmischen Reiches, fiel nun eine letzte Bastion der Antike: Dort sprach und schrieb man griechisch, und neben der römischen Staats- und Verwaltungstradition prägte die griechisch-hellenistische Antike die Kultur. 

Den Stolz darauf, dass damals „Ungläubige“ und ihre Bibliotheken verbrannten, dass die Hagia Sophia, die größte und prächtigste aller christlichen Kirchen, zur Moschee wurde, dass Tausende getötet und Zehntausende vergewaltigt und versklavt wurden, wird man jenen, die sich heute als Nachkommen der Osmanen fühlen, nicht streitig machen können. Bedenklicher stimmt es schon, wenn hierzulande mehr als fünfzig Moscheen den Beinamen des Sultans tragen, der Konstantinopel erobern ließ. Vermutlich werden die Prediger darin nicht selten von ihm und seinem furchtbaren Sieg über die „Ungläubigen“ sprechen. Und es befremdet, wenn Konstantinopel und das Byzantinische Reich nahezu vergessen sind und nunmehr – nicht zuletzt von Wissenschaftlern – behauptet wird, stattdessen hätten vornehmlich muslimische Gelehrte das Erbe der Antike bewahrt.

Denn das geschieht wider besseres Wissen, zumal nicht wenige der gern zitierten muslimischen Gelehrten konvertierte Juden waren. Aber das ist nun wirklich nicht mein Fach. Das offenkundige Bemühen um eine von Angst getriebene politische Korrektheit in der populären und selbst in der Fachliteratur macht es schwer, eine Meinung zu gewinnen, und einen mutigen deutschen Verleger, der ein sachliches, gänzlich aus ursprünglichen Quellen zusammengestelltes, ernüchterndes Buch wie Darío Fernández-Moreras „The Myth of the Andalusian Paradise“ übersetzen lässt, wird es sicherlich nicht mehr geben.

Stadt der fünfhundert Kuppeln

So, da liegt es nun, das Garnknäuel: weit hinten unter dem Sofa. Ich krame es still hervor und bleibe wohl besser in Neapel. Allerdings mangelt es auch im Hinblick auf diese Stadt an neuerer Literatur, die meine Binsenweisheit nähren könnte. Dergleichen gehört, ich habe es schon beklagt, zum Schicksal des Mezzogiorno: Ein halbes Jahrhundert ist vergangen, seit Kunsthistoriker wie Christof Thoenes oder der kunstsinnige Meisterspion Anthony Blunt hier mehr als zweimal hundert Kirchen sowie zehn Dutzend Palazzi besuchten, dies empfindsam und kenntnisreich taten – und hernach einen Verleger fanden. Seither gibt man handlichen Reiseführern den Vorzug, die natürlich weder das eine noch das andere sein können. 

Dabei ist viel zu besehen. Zum Beispiel Mauerreste und Sitzreihen vom Teatro Antico, in dem Nero sang, das Teatro Nuovo, wo erstmals Farinellis Feenstimme oder Enrico Carusos Bariton erklangen, auch das goldrot samtene Teatro di San Carlo, der Welt ältestes Opernhaus, Ferdinando Sanfelices einzigartige Treppenhäuser, Falkenflügel genannt, in denen man zu Pferde bis unter das Dach reiten konnte, merkwürdige, lebensfrohe und bewegende, zwei Jahrtausende alte Fresken aus Pompeji und Herculaneum im Archäologischen Museum, die Kathedrale San Lorenzo Maggiore, in der Giovanni Boccaccio seiner Fiametta begegnete, einer Liebe, die wie ein Dolchstoß kam und blieb, die mit Figuren aus Terrakotta, Gips oder Pappmaché beladenen Stände der Händler in der Via San Gregorio Armeno, darunter Krippen, die berühmten presepe napoletano, umlagert von den bunt bemalten Abbildern von Päpsten, Schlagersängerinnen, Fußballern und abgewählten Politikern zum halben Preis, die Kirche Santa Maria delle Anime del Purgatorio, in deren Krypta die mit seidenen Häubchen, Totenkronen und Blumen geschmückten Schädel so mancher Seele im Fegefeuer ruhen, einen Zettel in der Augenhöhle, auf dem jemand für seine Fürsorge künftigen Kindersegen oder die Gewinnzahlen der nächsten Lottoziehung erbittet.

Dann sind da Thomas Jones' abgründige Häuserfassaden, das bizarre Viertel Pendino mit dem Steig Santa Barbara, auf dessen Stufen sich Curzio Malapartes Zwerginnen feilboten, der schaurige Friedhof der 366 Tage, die Katakomben und unzählige, zu grauen Hügeln aufgehäufte Beingerüste von Opfern der Pest oder der Cholera, die Galerie auf dem Capodimonte, eine der reichsten Italiens, Gartenlokale, in denen immer noch gesungen und getanzt wird, mehr als viermal hundert Kirchen:

Neapel wurde ja einst die Stadt der fünfhundert Kuppeln genannt, darin neben anderem Caravaggios Sieben Werke der Barmherzigkeit und eine Fülle marmorner Skulpturen. Wem das zu viel wird, der setzt sich zu einem Teller Pasta und einer Flasche Greco di Tufo – am besten draußen in Pozzuoli, dem vor langer Zeit bedeutendsten Hafen Italiens, in dem die Schiffe anlegten, mit denen ägyptisches Getreide, die Kulte der Sonnenanbeter und der Isis, Tyrer, Griechen, Juden, Äthiopier, Nabatäer und der Apostel Paulus nach Europa kamen, dorthin, wo Fiddlers Green lag: das Matrosenparadies, in dem die Fiedel nie verstummte, den ganzen Tag lang getanzt wurde und die Bäume statt der Blätter Rumflaschen trugen.

Wo Gläubige einst blutige Tränen weinten

Neapel, Kampanien, Apulien – das ist „das Land, wo die Zitronen blühn", nach dem so viele deutsche Dichter sich früher vergeblich sehnten: „Ich komme aus Italien fern / und will euch alles berichten: / vom Berg Vesuv und Romas Stern / die alten Wundergeschichten", sang Eichendorff verlangend, aber es war ihm nicht vergönnt, Rom oder Neapel und den Vesuv zu sehen. Wer, wie er, daheim bleiben musste – ebenso Büchner, de la Motte Fouqué, E.T.A. Hoffmann, Mörike, Jean Paul, was weiß ich – wurde krank vor Sehnsucht und oft auch Alkoholiker. Ein Ende nahm das Verlangen der Dichter nach italienischen Reisen freilich auch dann nicht: „Aber unten liegt ein Land, / Früchte spiegelnd ohne Ende / In den alterslosen Seen.“ (Hugo von Hoffmannsthal) Gut, der trank nicht und konnte seine Reisen bezahlen; ich schweife schon wieder ab.

Durch die Kirchen Neapels hat mich Christof Thoenes geführt, so auch in eine, die den Namen Santa Caterina a Formiello trägt. Von außen besehen, ist sie gewiss die schönste Renaissancekirche der Stadt, das überreich mit barocken Fresken geschmückte Innere hingegen mag man bestaunen. Nach unseren Rundgängen sitzen wir gern dort: unter dem Stuckwerk, in dem noch immer Giovanni Pergolesis Stabat Mater summt, zwischen verstaubten Heiligenbildern, vor denen Gläubige einst blutige Tränen weinten, schließlich in einer Stille, die in Neapel überaus kostbar ist. Es geht mir freilich auch dort noch um etwas anderes: Rechts hinten, unter dem Altar der Rosenkranzkapelle, werden die Reliquien der Märtyrer von Otranto aufbewahrt, die Skelettreste von zweihundertvierzig Menschen.

Otranto ist eine Hafenstadt in Apulien, am südwärtigen Ende der Ostküste des italienischen Festlandes, am Stiefelhacken. Ursprünglich der Magna Graecia zugehörig, wurde die nach dem Niedergang Roms dem Byzantinischen Reich zugefallene Stadt im 11. Jahrhundert von normannischen Eroberern stark befestigt. Ihre mächtigen Mauern ziehen noch heute Touristen an – ebenso die Burg und die Kathedrale, in der 1480 ein Teil der Bevölkerung Schutz suchte und abgeschlachtet wurde wie jene Bewohner Konstantinopels, die 1453 in die Hagia Sophia geflohen waren. Denn als der Juli 1480 endete, erschien eine türkische Flotte von mehr als 150 Schiffen mit etwa 15.000 Bewaffneten an Bord vor der Küste der Provinz Apulien. Sie waren nicht lange unterwegs – der bereits eroberte Balkan war nur 70 Kilometer entfernt, und auch das Ziel des Feldzuges schien nicht weit: Mehmed II., der Eroberer von Konstantinopel, hatte seinem Feldherrn Gedik Ahmed Pascha befohlen, „das Land Apulien zu unterwerfen (…) Er sollte diese Provinz dem Herrschaftsbereich des Islams einfügen und aus ihr die Spur des Unglaubens vertreiben”, schrieb darüber ein türkischer Chronist des Überfalls.

Man kann erahnen, was verloren ging

Die Mauern von Otranto hielten dem Beschuss türkischer Kanonen nicht stand. Nach vierzehntägiger Belagerung fiel die Stadt am 11. August 1480, nachdem die Einwohner es abgelehnt hatten, sich zu ergeben. Die wehrhaften unter ihnen waren nach dem Einsturz der Mauern bald überwältigt worden, Frauen und Kinder flohen in die Kathedrale und verbarrikadierten sich dort, geführt vom Erzbischof Stefano Pendinelli. Aber das Gotteshaus schützte sie nicht – alle, die dort Zuflucht suchten, wurden getötet. Am folgenden Tag trieben die Sieger dann etwas mehr als achthundert, vielleicht auch neunhundert der überlebenden Männer und über fünfzehnjährigen Jungen gefesselt auf den nahen Minervahügel. Geeignete Jungen waren zuvor bei der sogenannten Knabenlese herausgegriffen worden, um sie in der Elitetruppe der Janitscharen aufzuziehen, die übrigen wurden, wie auch Frauen und Mädchen, künftige Sklaven. Jenen, die auf den Minervahügel getrieben wurden, soll man eine Tafel hingehalten haben, auf der in lateinischen Buchstaben die Shahada geschrieben stand: die rituelle Formel für den Übertritt zum Islam. Als die Männer sich abwandten und stattdessen zu beten begannen, befahl Gedik Ahmed Pascha, sie alle hinzurichten.

Es gibt keinen Zweifel an der Ermordung von mehr als achthundert Jugendlichen und Männern auf dem Minervahügel. Berichtet wurde, alle seien enthauptet worden, aber der Hergang der Hinrichtungen wird von Legenden verklärt. So soll – auf einem Gemälde in der Kapelle der Märtyrer von Otranto in der erwähnten Kirche Neapels ist es dargestellt – der Schuhmacher Primaldo nach der Enthauptung wieder aufgestanden sein. Erst als der letzte Märtyrer enthauptet war, gelang es den Schlächtern, ihn zu Fall zu bringen. Und im folgenden Jahr, als die von Alfons von Aragon ausgesandten Befreier die Stadt erreichten, waren die Leichen auf dem Minervahügel, so hieß es, noch immer nicht verwest. Ihre Gebeine wurden dann in der Kathedrale von Otranto verwahrt; zweihundertvierzig brachte man bald darauf nach Neapel, einzelne in andere italienische Städte, nach Frankreich und nach Spanien.

Das Massaker von Otranto – ganz ähnliche Verbrechen wurden auch bei der Eroberung Griechenlands oder Albaniens begangen – sollte sicherlich die Bewohner benachbarter Städte einschüchtern, aber weder Lecce noch Brindisi kapitulierten und konnten auch nicht erobert werden. Otranto hat nach dem Verlust von vielen tausend Menschen und weiteren Türkeneinfällen im 16. und 17. Jahrhundert nie wieder die frühere Bedeutung zurückgewonnen. Das gilt ebenso für das nahe Kloster San Nicola di Casole, damals eine Brücke der Kulturen des Ostens und des Westens mit einer Bibliothek von überragender europäischer Geltung. Das Mosaik, mit dem ein Mönch aus diesem Kloster im 12. Jahrhundert den Fußboden der Kathedrale von Otranto verzierte, lässt heute erahnen, was dort verlorenging:

„Otranto 1480“

Alexanders Greifenflug oder Elemente der Artussage zeigen den europäischen Gesichtskreis damaliger Mönche, die in griechischer Sprache lehrten und denen Aristoteles und Platon ebenso vertraut waren wie die biblischen Chronisten. Das alles wurde zerstört und verbrannt, aber die Geschichte der Verteidiger von Otranto endete damit nicht: Nach ihrer Seligsprechung im 18. Jahrhundert verkündete Papst Benedikt XVI. im Juli 2007 die kanonische Anerkennung ihres Martyriums, weil der Beweggrund für ihre Ermordung der „Hass gegen den Glauben” (odium fidei) war. Am 12. Mai 2013 sprach Papst Franziskus bei der ersten Heiligsprechung seines Pontifikats achthundert Märtyrer von Otranto heilig.

Es müsste eigentlich möglich sein, eine solche Entscheidung zu respektieren, aber andere Zeitgenossen sehen das anders, zumal hier und heute niemand Angst davor haben muss, die Gefühle von Christen zu verletzen: Während einer Tagung italienischer Wissenschaftler wurde festgestellt, nicht alle der untersuchten Schädel aus Otranto hätten Spuren von Enthauptungen aufgewiesen, andere heben hervor, der Anführer der Türken sei ein aus Albanien stammender Renegat und der Angriff auf Otranto ein unbedeutendes Ablenkungsmanöver gewesen, das die in Spanien bedrängten Muslime entlasten sollte. Man tut, was man kann. Auch ein Lektor der italienischen Wikipedia kann es nicht lassen, den angeblich hagiographischen Ton einer völlig sachlichen Beschreibung der Schlacht mit einem tadelnden Eintrag zu rügen. Und als ich mit einem Historiker darüber sprach, entgegnete der – und hätte das Gespräch gern damit beendet –, weder die Eroberung von Konstantinopel noch jene von Otranto seien überwiegend religiös motiviert gewesen.

Richtig, das waren vielleicht der Völkermord an den Armeniern und ganz bestimmt der Holocaust auch nicht, aber in den alltäglichen Vorstellungen der Menschen von Gut und Böse, von Freund und Feind geht es anders zu als im Umkreis der – selten unabhängigen – Wissenschaftler. Als Beispiel dafür mag vielleicht dienen, dass man T-Shirts mit der Aufschrift „Istanbul 1453“ auch in Deutschland in verschiedenen Farben und Variationen – mit und ohne Halbmond – kaufen kann und tragen darf (Versand zum Beispiel durch die Firma Spreadshirt). Und für den, dem das nicht herausfordernd und verächtlich genug ist, werden selbstverständlich auch solche mit der Beschriftung „Otranto 1480“ angeboten.

 

Weitere Quellen:

1) Battaglia di Otranto, Italienische Wikipedia, abgerufen am 30.04.2020

2) Di Mauro, Leonardo et al.: Napoli sacra, Guida alle chiese della citta, 2. Itinerario, Napoli 2010

3) Fall of Constantinople, Englische Wikipedia, abgerufen am 30.04.2020

4) „Historische Hintergründe zu den heiliggesprochenen ‚Märtyrern von Otranto' 1480“. Interview mit Hubert Houben, Frühneuzeit-Blog der RWTH, abgerufen am 30.04.2020 

Martiri di Otranto, Italienische Wikipedia, abgerufen am 30.04.2020

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K. Kirschberg / 01.06.2020

Eine wunderbare Reiseempfehlung! Das T-Shirt des jungen Mannes mit dem Aufdruck „Istanbul 1453“ war auch mir sehr unangenehm aufgefallen. Man kann diesem Kleidungsstück, auch mit der Aufschrift „Otranto 1480“, wenn es denn schon existiert, aber auch etwas Positives abgewinnen. Wie Sie selbst schreiben, sind die Bedeutung und die Eroberung Konstantinopels nahezu vergessen, Otrantos Fall kennen nur Experten. Drehen wir den Spieß um und sehen wir diese T-Shirts nicht als Zeichen des Triumphes, sondern zweckdienlich zur Erinnerung und als Mahnung.

Udo Kemmerling / 01.06.2020

Die Stadt, von Griechen bis heute einfach nur Polis genannt, war 1123 Jahre die Hauptstadt der Basis unserer Zivilisation, und damit im Grunde die Basis von allem, das die Menschheit heute hat. Es sollte einen planetaren Trauertag am 29. Mai geben, für den Verlust und gegen die Barbarei des Islam.

Ulrich Jäger / 01.06.2020

Ist es derselbe Papst Franziskus, der von Lesbos 12 muslimische Flüchtlinge mit nach Rom nahm, während gleichzeitig in den vom IS kontrollierten Gebieten christliche und jesidische Syrer und Iraker wegen ihres Glaubens versklavt oder ermordet wurden? Das wären übrigens die einzigen Araber gewesen, denen nach der Genfer Konvention hier Asyl hätte gewährt müssen. Krieg allein ist kein Asylgrund. Aber da syrische bzw. irakische Christen der Ostkirche und nicht der katholischen angehören, muss man sich als römischer Nachfolger Petri wohl um die nicht kümmern. Verlogener geht es kaum. Und zu Konstantinopel 1453: es war der finale Untergang eines christlichen Staates, der Eroberung und Plünderung durch römisch-katholische Kreuzfahrerheere erlebt hatte. Mit Byzanz verschwand auch ein Konkurrent um die Führung der Christenheit. Da wäscht auch die Heiligsprechung von Opfern muslimisch begründeter Eroberungskriege die Schuld nicht ab.

WOLF-D. SCHLEUNING / 01.06.2020

Vielen Dank für diesen vielseitigen und informativen Beitrag. Ich bin auch ein Fan von Neapel und stolz auf meine Sammlung von “anime in purgatorio”. Tatsächlich war ja das Königreich Neapel einmal eine der wohlhabensten und kulturell hochstehendsten Regionen Europas. Der Süden italiens hat ich vom risorgimento und piemontismo nie erholt. Ein Menetekel für alledie von einem eiropäischen Zentralstaat träumen!

Thomas Taterka / 01.06.2020

Es war meiner Frau und mir ein ganz großes Vergnügen, Ihr Meisterstück ! zu lesen, Herr Lange. Leider besitzen wir kein Buch von Ihnen, versuchen das aber rasch zu ändern.

H. Polte / 01.06.2020

Islam heisst Unterwerfung. Deutschland ist auf den Weg dahin. Warner und Mahner werden als Rechtsextrem und Nazis diffamiert. Moral steht über Verstand.

rei regav / 01.06.2020

eine glasklare gesteuerte politaktion. die kerle sind gut drauf. dazu gehört zbsp auch das ausspucken vor dem politischen gegner.  der ist vor allem durch seine blondheit rassistisch klar auszumachen…

Peter Maier / 01.06.2020

Ob die Firma spreadshirt auch T-Shirts mit der Aufschrift: 732 Tours und Poitiers oder 1683 Wien versenden würde? Wohl kaum und falls doch, hätte der geschichtskundige Käufer alsbald zunächst Besuch vom Verfassungsschutz und alsdann von der Antifa. Vielleicht schaffte es der Kauf dieser Oberbekleidung mit historischem Bezug sogar als News bis ins Heute-Journal, wo Klaus Kleber sich dann beinahe übergeben muss aus lauter Betroffenheit und Ekel über diesen widerwärtigen Vorgang. Im anschließenden Faktencheck wird dann richtiggestellt, dass sich bei Tours und Poitiers die arabischen und bei Wien die osmanischen Heere erfolgreich gegen die eroberungslüstigen europäischen Krieger verteidigen konnten. Die von alten weissen Männern bis dato verbreitete Geschichtslüge, dem sei genau umgekehrt gewesen, kann so endgültig der längst überfällige Garaus gemacht werden.

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