Henryk M. Broder / 09.10.2011 / 07:06 / 0 / Seite ausdrucken

“Die können gegen uns nicht gewinnen, aber wir können gegen sie verlieren”

Wir kennen die Taliban als rauhe aber herzliche Gesellen mit einem ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit, die sie gerne öffentlich inszenieren, z.B. so. Nun aber lernen wir die Taliban von einer anderen Seite kennen, als High-Tech-Fans. Letzten Mittwoch berichtete die NYT auf der Titelseite, in vielen Teilen Afghanistans würden die Telekommunikations-Provider unter dem Druck der Taliban die Leitungen zeitweise still legen und damit die Verbindung zum Rest der Welt kappen. Damit demonstrierten die Taliban auf eine sehr einfache aber doch effektive Art ihre Macht. Die NYT zitierte einen afghanischen Lokalpolitiker mit den Worten: “In den Gebieten, die von den Taliban direkt oder indirekt kontrolliert werden, verlangen sie, dass die Anlagen von fünf Uhr nachmittags bis acht Uhr morgens abgeschaltet werden. Damit wir wissen, dass sie da sind.”

Kein einziger der deutschen Korrespondenten, die ihre Recherchen gerne mit der Lektüre der NYT krönen, hat diese Geschichte aufgegriffen. Dabei illustriert sie sehr präzise das Wesen des asymmetrischen Krieges und den “clash of civilizations”. Das Taliban-Pack ist nicht in der Lage, einen Chip zu bauen oder ein Mobiltelefon zu konstruieren. Die Gotteskrieger könnten nicht mal einen kaputten Toaster reparieren, aber sie sind sehr wohl in der Lage, andere Menschen daran zu hindern, ihre Telefone zu benutzen. Von Musikhören oder Fernsehen gar nicht zu reden.

Niemand hat diese “Asymmetrie” besser auf den Punkt gebracht als der holländische Fussballer Johan Cruyff, der seiner Mannschaft vor dem Spiel gegen einen schwachen Gegner klar zu machen versuchte, dass die Partie auch in die Hose gehen könnte. “Die können gegen uns nicht gewinnen”, sagte Cruyff, “aber wir können gegen sie verlieren”.

Bingo! Das genau ist die Situation, in der sich der zivilisierte Teil der Welt gegenüber der Barbarei befindet, auch wenn Relativisten wie Willemsen, Scholl-Latour und Todenhöfer das Gegenteil behaupten. “Die” können nicht gewinnen, aber “wir” können sehr wohl verlieren. Denn “die” haben den wahren Islam nur missverstanden, während “wir” uns an die Strafprozessordnung, die Haager Landkriegsordnung, die Genfer Konvention und die Straßenverkehrsordnung halten. “Wir” sind die “Fundamentalisten der Aufklärung”, jene aber fangen den Tag mit der Lektüre von Lorenz Jäger, Daniel Bax und Patrick Bahners an, um für ihre gottgefälligen Taten ideologisch gerüstet zu sein.

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