Wolfgang Meins / 03.11.2019 / 12:00 / Foto: Heinrich-Böll-Stiftung / 41 / Seite ausdrucken

Die Figur des Opfers und der Hosenanzug von Merkel

Was waren das für selige Zeiten, als es noch um berechtigte Anliegen im Rahmen der Gleichberechtigung ging, die sich damals ausschließlich auf die Frauen bezog. Etliche der jetzt schon etwas älteren Leser erinnern sich vielleicht noch an Vorstellungsgespräche, wo dann plötzlich auch eine Frauenbeauftragte zugegen war. Bei mir beschränkte sich deren Beitrag allerdings auf die Verbreitung schlechter Laune, weil sich wieder einmal für die Position des Chefarztes ausschließlich Männer beworben hatten. Aber die gutgemeinte flächendeckende Installierung von solchen Beauftragten bescherte den Frauen auch die Opferrolle.

Spätestens mit der Verabschiedung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes 2006 hat sich der Opferkreis dann deutlich vergrößert. Diese Tendenz hält seitdem ungebrochen an, nicht zuletzt durch den Siegeszug des Genderismus und den massenhaften Zuzug von Muslimen. Die Figur des Opfers, dem Unrecht widerfährt und das sich nicht alleine dagegen wehren kann, gehört nun mal zur linken Politik wie der Hosenanzug zu Merkel. 

Bereits 2009 wies Jan Fleischhauer in seinem fulminanten Buch Unter Linken auf den scheinbaren Widerspruch hin, „dass die Schar derer, die sich gesellschaftlich benachteiligt sehen, größer wird, je mehr die Gleichberechtigung voranschreitet“. Für die Zukunft weniger Gleichstellungarbeit zu erwarten „hieße, den Selbsterhaltungstrieb der Opferpolitik zu verkennen“. Leider sollte er recht behalten. 

Die aktuelle Runde im Kampf gegen Diskriminierung steht vielerorts unter der Überschrift Intersektionalität. Gemeint ist damit die Diskriminierung eines Menschen aufgrund mehrerer unterschiedlicher Faktoren. Dieses Konzept ist natürlich ganz besonders ein gefundenes Fressen für linke Identitätspolitik im migrantischen Milieu. Die richtige Gesinnung und Herangehensweise bei den „Helfern“ vorausgesetzt, lassen sich dort nahezu beliebig viele intersektionelle Opfer identifizieren, etwa eine Frau, die des Deutschen und des Schreibens nicht mächtig und zudem noch irgendwie farbig, muslimisch, Kopftuchträgerin und vielleicht auch noch bisexuell ist – auch wenn ihr das bisher nicht bekannt war. Von psychischen Traumatisierungen ganz zu schweigen.  

„Schnittpunkte der drei wichtigsten globalen Herrschaftssysteme“

Klar, dass auch das unter Leitung der Spitzenforscherin Naika Foroutan stehende Deutsche Institut für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) auf den Zug aufgesprungen ist, zumal es in Berlin, quasi nebenan, nun das neu gegründete Center for Intersectional Justice (CIJgibt – das auch flugs für das DeZIM einen Bericht zu „Intersektionalität und Antidiskriminierung in Deutschland“ erstellt hat. Dort wird der Begriff Intersektionalität gleich zu Beginn erläutert, was hier – auch wenn es für den Leser etwas quälend sein mag – im O-Ton wiedergegeben werden und damit weitgehend für sich sprechen soll.

„Die Intersektionalitätstheorie untersucht die Schnittpunkte der drei wichtigsten globalen Herrschaftssysteme – Rassismus/Kolonialismus, Kapitalismus und das Patriarchat – sowie deren Nebenprodukte – Klassismus, Homo- und Transphobie, Cis- und Heterosexismus, Ableismus, Islamophobie, Antisemitismus, Anti-Roma, Anti-Schwarzen, Anti-Asiatischen und Anti-Muslimischen Rassismus.

Intersektionalität betrachtet die Verflechtung von diversen sozialen Kategorien wie zum Beispiel Geschlecht, Klassenzugehörigkeit, Rasse, sexuelle Orientierung, Geschlechtsidentität, Behinderung, Religion und andere Identitätsachsen auf mehreren und gleichzeitig wirkenden Ebenen. Diese Kategorien sind in eine soziale Hierarchie eingebettet, die von den oben genannten Systemen definiert wird. Die Mehrfachdiskriminierung die sich daraus ergibt, führt zu systemischer Ungerechtigkeit und sozialer Ungleichheit.“

Noch Fragen? Vielleicht, ob auch „weiße Menschen oder Männer Diskriminierung ausgesetzt“ sein können? Nein, selbstverständlich nicht. Denn das würde die „Tatsache (ignorieren), dass Diskriminierung nur durch die Verflechtung von Vorurteilen und der Macht, diese tatsächlich durchzusetzen, zu realer Unterdrückung führt.“ Ok. Und was ist bei der praktischen Umsetzung der Intersektionalität besonders zu berücksichtigen? „Ohne die Erweiterung der Palette an Antidiskriminierungsmaßnahmen, die sich weit über die individuelle Dimension erstreckt, kann intersektionelle Diskriminierung nur bedingt bekämpft werden.“

Voraussetzung dafür seien auf jeden Fall die individuellen, umfassenden „Gleichstellungsdaten“, also im konkreten Einzelfall die aus der Fülle der oben aufgeführten Kategorien jeweils in Betracht zu ziehenden. Und dann? Dann nähern wir uns dem Ziel des ganzen Unterfangens, nämlich paradiesischen Zuständen, in denen Ungerechtigkeit und soziale Ungleichheit endlich der Vergangenheit angehören. Außer für diejenigen, die keinen Gefallen an der Vorstellung finden, zunehmend in einer nicht mehr von Individuen, sondern Opfer- und Tätergruppen bewohnten Sozialhölle leben zu müssen, beaufsichtigt und geschult von Gleichstellungsbeauftragten, freischaffenden Social Justice Warriors oder Organisationen wie dem CIJ

Beim CIJ werden die Perspektiven für die einzelnen Geschäftsfelder – Beeinflussung der öffentlichen Diskussion, Politikberatung, Monitoring von Gesetzen und deren Umsetzung sowie verschiedene Trainingsmaßnahmen – offensichtlich äußerst positiv eingeschätzt. Jedenfalls leistet man sich nicht nur einen ausgesprochen großspurigen Internetauftritt, sondern auch ein achtköpfiges advsiory board und stolze fünfunddreißig associated experts. Da kommt unsereiner schon mal ins Grübeln: Haben mittlerweile vielleicht nicht mehr das Handwerk, sondern die Gender-„Wissenschaften“ und ihre Satelliten den goldenen Boden?                               

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Marcel Seiler / 03.11.2019

Die arbeitssamen weißen Männer, die durch diese “Antidiskriminierung” dauernd diskriminiert werden und die gleichzeitig (“intersektional!”) diesen Unsinn finanzieren, werden sich aus Gesellschaft und Arbeit zurückziehen. Leidtragende auch die Frauen, die gern einen Mann hätten, der gleichzeitig deutsch und kein gegendertes Häufchen Elend ist.

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