Jüngst hat das Deutsche Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) in Berlin seine praktische Tätigkeit aufgenommen, unter der Leitung von Professor Frank Kalter von der Uni Mannheim und der vergleichsweise – zumindest außerhalb der Wissenschaft – deutlich bekannteren Professorin Naika Foroutan vom Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM). Drei Abteilungen hat das DeZIM mittlerweile gegründet: für Integration, Migration und – interessanterweise – auch für Konsens & Konflikt. Das soll der Anlass sein, sich mit bestimmten Tendenzen der Migrationsforschung und einer ihrer wesentlichen Protagonistinnen, Naika Foroutan, erneut etwas näher zu beschäftigen.
Gleich bei einer der ersten Veranstaltungen des DeZIM – zu methodischen Problemen der Messung von Integration – offenbart sich dem aufmerksamen Beobachter eine potenzielle Konfliktlinie zwischen typischer empirischer Migrationsforschung, wie sie etwa die Professoren Keller und Ruud Koopmans betreiben und der postmigrantischen Sichtweise von Integration durch Naika Foroutan. Während die empirische Forschung notwendigerweise größten Wert auf klar definierte, valide und zuverlässig bestimmbare Integrationsmerkmale legt – zum Beispiel Schulabschluss, Zensuren, deutsche Sprachkenntnisse, Arbeitslosigkeit oder auch Häufigkeit von Mischehen – dient der Topos der postmigrantischen Gesellschaft vor allem als Tummelplatz für Ideologen und Volkserzieher.
So sorgt sich Naika Foroutan mit ihrem erweiterten Integrationsbegriff dankenswerterweise auch um „Gruppen in der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund, die sich in der neuen, durch Vielfalt gekennzeichneten Gesellschaft nicht zurecht finden, desintegriert wirken und damit ebenfalls von der Integrationspolitik angesprochen werden sollten.“ Gemeint sind damit offenbar diejenigen, gerne auch als Zurückgebliebene bezeichnet, die mehr oder weniger große Vorbehalte haben gegenüber unkontrollierter Migration, bestimmten Migranten-Populationen und deren Alimentierung durch ihre Steuern, offenen Grenzen oder auch nicht vollzogenen Abschiebungen. Die wirken auf Naika Foroutan offensichtlich irgendwie desintegriert. Auf die Idee muss man erst mal kommen: dass es nämlich nicht ein selbstverständliches demokratisches Recht ist, zum Thema Migration den Vorstellungen von Naika Foroutan gegebenenfalls auch diametral entgegenstehende Überzeugungen zu haben.
Jetzt gibt es auch noch einen Wissenschafts-Populismus
Neben diesem erweiterten Integrationsbegriff geht es bei der postmigrantischen Sichtweise in der Konsequenz auch darum, dass Integration nicht mehr in erster Linie auf einer Leistung der Migranten selbst beruhen soll, sondern vielmehr die Gesellschaft eine Bringschuld abzuarbeiten hat, nicht zuletzt durch tägliches Aushandeln der neuen Regeln des Zusammenlebens. Anders ausgedrückt: Unterrepräsentierung in bestimmten Berufen oder schlechte Schulleistungen von jugendlichen Migranten sind keinesfalls Folge von ungenügender Ausbildung, geringerer Produktivität, Vorbehalten gegenüber bestimmten kulturellen Normen, Unterbelichtung und/oder Faulheit. Vielmehr tragen die Verantwortung dafür Lehrer, Mitschüler, Kollegen, Arbeitgeber und vor allem – das liegt Naika Foroutan besonders am Herzen – ein bisher fehlendes Metanarrativ.
Gemeint ist damit eine Art übergeordnetes Welt- oder Leitbild – man könnte in diesem Fall auch ganz schlicht von Ideologie sprechen – in dem das Selbstverständnis für eine Einwanderungsgesellschaft und Integration als Aufgabe für die gesamte Bevölkerung verankert sei. Verwiesen wird in diesem Zusammenhang auf die Vorbilder USA und Kanada. Interessanter ist doch aber eigentlich die Frage, warum es dazu bisher genau nicht gekommen ist. Aber dann müsste sich Naika Foroutan vielleicht doch einmal vorurteilsfrei mit der Frage auseinandersetzen, was in den letzten Jahren beim Thema Migration so alles schiefgelaufen ist, und dass eben deshalb große Teile der Gesellschaft kein Interesse an einem solchen Narrativ haben, trotz jahrelanger Propaganda auf allen Kanälen. Ganz abgesehen von den Ostdeutschen, die immer noch die Schnauze voll haben von irgendwelchen großen Leitideen.
Bemerkenswerterweise hat Naika Foroutan in der DeZIM-Methodendiskussion ihre Sichtweise nicht wie die übrigen Protagonisten in einem Statement vorgestellt, sondern sich für eine quasi populistische Variante entschieden: Unter ihrer Moderation diskutierten Mitglieder der „Zivilgesellschaft“ – von Tagesspiegel-Redakteurin über einen Kulturschaffenden (Theaterregisseur) bis hin, natürlich, zum Vertreter einer NGO – in Anwesenheit der offenbar immer lächelnden Bundesministerin Giffey „ob der Integrationsbegriff nicht viel weiter als nur bezogen auf Personen mit Migrationshintergrund diskutiert werden müsste.“ Was bei dieser Diskussion genau herausgekommen ist, wird nicht mitgeteilt. Aber sicherlich hat Naika Foroutan diese Diskussionsrunde nicht mit der Zielsetzung zusammengestellt, ihre Position kritisch und ergebnisoffen vor der Ministerin verhandeln zu lassen. Die Vertreter der Zivilgesellschaft dürften doch wohl eher als Hilfstruppen im Kampf um die richtige Forschungslinie gezielt von ihr eingesetzt worden sein.
Auch wenn Naika Foroutan wissenschaftlich ein kleines Licht ist, was noch zu begründen bleibt, sollte man sie ob ihrer Vernetzung im politisch-medialen Komplex Berlins und im Gestrüpp der einschlägigen Stiftungen sowie ihres geschäftigen Fleißes nicht vorschnell als die Sawsan Chebli der deutschen Migrationsforschung titulieren. Gleichwohl wird man auch bei ihr den Verdacht nicht los, dass sie es ohne Quotenvorteile – Frau + Migrationshintergrund + äußere Attraktivität – nicht ganz so weit gebracht hätte. Dazu später mehr. Zunächst gilt es, sich schon einmal die Veranstaltung des Berliner Instituts von Naika Foroutan am 11.Oktober vorzumerken: Living with Islamophobia, in der „erstmals die Betroffenenperspektive ins Zentrum“ gerückt wird. Na, wenn das man stimmt.
Eine weitere Gemeinsamkeit der beiden Migrationshintergrunds-Damen Chebli und Foroutan ist ihr leichter Knick in der politischen Optik. Beide sehen Deutschland ja bereits am Rande des IV. Reichs, die Machtergreifung durch das braune Pack droht also. Man schiebt Panik und trägt sich mit Fluchtplänen – zumindest in den medialen Auftritten. Ironischerweise beklagt und bejammert man damit nicht zuletzt auch die Folgen des eigenen Tuns und Wollens. Bereits vor der Merkelschen Grenzöffnung resümierte der international renommierte Ökonom und Migrationsforscher Collier in seinem Buch Exodus, dass als politische Reaktion auf eine unkontrollierte massenhafte Migration in der Geschichte es bisher immer zu einer Stärkung von rechtsgerichteten Strömungen und Parteien kam, und das nicht etwa zufällig.
Offenbar ist man nicht mit den Basics des eigenen Fachs vertraut – oder will sie nicht wahrhaben. Was würde man denn von einem Chirurgen halten, der aus Eitelkeit auf OP-Haube und Mundschutz verzichtet und anschließend versucht, die erhöhte Infektionsrate seiner Patienten zunächst zu vertuschen und schließlich Klimaanlage und ungenügende Hygienekenntnisse der Putzfrauen als Ursachen ausmacht, denen aber zum Glück mit speziellen Fortbildungsmaßnahmen beizukommen sei?
Agitprop und Totalitarismus – das passt doch gut zusammen
Auch im einschlägigen akademischen Milieu ist Naika Foroutan ganz offensichtlich hervorragend vernetzt. Dafür spricht ihre Position als Mitglied im Vorstand des Rat für Migration (RfM), eines gemischten Lobbyverbandes von rund 160 Wissenschaftlern, der die eigenen beruflichen und die tatsächlichen oder vermeintlichen Interessen der Migranten vertritt. Diese alle Medienkanäle bespielende Agitprop-Truppe repräsentiert ziemlich gut den Mainstream der deutschen Migrationsforschung. Politisch liegt man am ehesten auf Grünen-Linie oder auch links davon. Sowohl hier als auch am Institut von Naika Foroutan an der Humboldt Universität gibt es kein Projekt, das sich nicht dem Narrativ einer sich vermeintlich naturgewaltlich und gesellschaftlich grundsätzlich immer segensreich auswirkenden Migration unterordnet, wenn da bloß nicht die Zurückgebliebenen wären.
Weil leider immer noch viele vom Segen der aktuellen Migration nicht überzeugt sind, hat man sich beim DeZIM jetzt breiter aufgestellt. Von der Abteilung bzw. wissenschaftlichen Kampfeinheit Konsens & Konflikt erhofft man sich offensichtlich frische Ideen und Argumente für Politik, Medien und Zivilgesellschaft im Kampf gegen „Rechts“. Diese DeZIM-Abteilung kooperiert mit dem Berliner Institut für Protest- und Bewegungsforschung. Dessen Vorstandvorsitzender Simon Teune wiederum findet sich auf der Publikationsliste des Foroutan-Instituts (BIM) mit einer hochwissenschaftlichen Arbeit, in der es vorrangig darum geht, den Begriff Extremismus nicht länger mit dem Adjektiv Links zu kontaminieren. Als Beleg müssen ausgerechnet die „G20-Proteste“ herhalten: Mit dem Begriff linksextremistische Gewalttäter verschleierten die politisch Verantwortlichen „die komplexe Dynamik von einer versammlungsfeindlichen Polizeistrategie, einer stigmatisierenden öffentlichen Debatte und der spezifischen Gelegenheitsstruktur zur Legitimation von Gewalthandeln“. Nun denn, auf in den Kampf.
Zur Charakterisierung des Mainstreams der deutschen Migrationsforschung – und nicht nur dort – drängt sich der Begriff des Totalitarismus auf. Dessen gängige Definition als eine diktatorische Form von „Herrschaft“, die in alle sozialen Verhältnisse hinein zu wirken versucht, meist verbunden mit dem Anspruch, die Menschen gemäß ihrer Ideologie zu formen oder zu beeinflussen, kennzeichnet die Problematik recht treffend. Im Gegensatz zum staatlichen Totalitarismus können die universitären Akteure und ihre Hilfstruppen in Medien, Stiftungen und NGOs die unbelehrbaren Zurückgebliebenen natürlich weder einkerkern noch des Landes verweisen, aber immerhin sozial ächten und in ihrem Bereich dafür sorgen, dass möglichst kein Andersgläubiger ein Bein auf die Erde kriegt. Die Berufungsverfahren an Universitäten bieten dafür gute Voraussetzungen, wenn erst einmal die ideologische Vorherrschaft etabliert ist. Wenn dann noch die Studenten Brüder und Schwestern im Geiste sind, ist das mindestens schon die halbe Miete. Aber richtig abgesichert und unangreifbar wird man erst dann, wenn man im Bunde ist mit den politisch Mächtigen und den wichtigen Medien. Wenn also die Verhältnisse so sind, wie in Deutschland und ganz besonders in Berlin.
Unterirdisch, nicht Erstliga-tauglich
Diese Art von nicht mehr kritischer und ergebnisoffener, sondern wertorientierter Wissenschaft – passend zum ebensolchen Journalismus – begünstigt systematisch die Karrieren von denjenigen mit tadelloser Haltungsnote, allerdings auf Kosten der wissenschaftlichen Qualität. Schaut man sich das Publikationsverzeichnis von Naika Foroutan an – also das veröffentlichte Konzentrat ihres wissenschaftlichen Schaffens – kommt man als jemand, der mit den akademischen Gepflogenheiten vertraut ist, nicht umhin festzustellen: Fleißkärtchen hat sich die im Juni 2015 – natürlich ohne Habilitation – zur Professorin für Integrationsforschung und Gesellschaftspolitik berufene zweifelsohne verdient, aber ansonsten fällt die Beurteilung ausgesprochen mau aus. In der Welt des Fußballs wäre man sich schnell einig: Unterirdisch, nicht Erstliga-tauglich.
Man sollte zu dieser Thematik wissen, dass die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen – möglichst häufig als Erstautor und ohne wesentliche inhaltliche Überschneidungen mit Vorpublikationen – in Fachzeitschriften, die von der internationalen Forschergemeinde möglichst häufig auch zur Kenntnis genommen werden, zwar nicht das ausschließliche, gleichwohl das wesentliche Maß für das Renommee eines Wissenschaftlers ist. Dabei geht es nicht nur um die bloße Zahl, sondern auch um die Qualität der einzelnen Studie bzw. Veröffentlichung.
Werfen wir nun einen genaueren Blick auf das aktuelle Publikationsverzeichnis von Naika Foroutan: Es umfasst – abgesehen von den 22 (!) medialen Auftritten – 47 Einträge von bisher veröffentlichten Arbeiten. Es enthält, abgesehen von einer Monographie, sich teils inhaltlich stark überschneidende, meist kürzere Buchbeiträge – die in anerkannten Wissenschafts- oder auch eher exotischen Kleinverlagen erschienen sind – oder Forschungsberichte beziehungsweise Besinnungsaufsätze, die von Stiftungen oder der Universität selbst herausgegeben wurden. Lediglich drei Originalarbeiten – davon eine als Zweitautorin – wurden bisher in einer begutachteten Fachzeitschrift veröffentlicht, in der also das eingereichte Manuskript von Experten vorab auf seine Publikationswürdigkeit hin geprüft wurde.
Als man sie 2015 zur Professorin berief, hatte sie gerade mal eine einzige Arbeit in einer internationalen Fachzeitschrift untergebracht. Und das in einem ja nun tatsächlich sehr international ausgerichteten Fachgebiet. Substanziell verbessert hatte sich ihr wissenschaftliches Standing folglich nicht, als sie im Mai 2018 Direktorin des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung an der Humboldt Universität wurde. Da fragt man sich, ob vielleicht der nächste Chefdirigent der Berliner Symphoniker eine Frau mit Migrationshintergrund und Hörschädigung wird.
Man könnte jetzt durchaus zu Recht empört oder auch erschüttert fragen, ob es denn mittlerweile an deutschen sozialwissenschaftlichen Fakultäten üblich ist, mit einem dermaßen schütteren wissenschaftlichen Arbeitsnachweis Karriere zu machen, und zwar eine herausragende. Aber vielleicht sollte man das Ganze sportlich sehen. Wem eine solche Karriere gelingt, der braucht nicht nur Quotenvorteile, sondern hat auch das Glück gehabt, mit dem richtigen Thema zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen zu sein.