Redaktion / 31.12.2022 / 16:00 / 33 / Seite ausdrucken

Die Achse-Hymne 2023: Zarah – „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh’n“

Nina Hagen ist ein deutsch-deutsches Gleichnis auf die Freiheit des Individuums, die Freiheit der Kunst und das Überwinden gesellschaftlicher Normierung. Hier ihre Interpretation von „Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh'n“. Wir wünschen allen Lesern und auch uns viel Mut zur Freiheit und dennoch eine entspannte Einstellung für das neue Jahr.

Als Freigeist und Nonkonformistin, die in Ost- und Westdeutschland gleichermaßen Aufschrei und Bewunderung hervorbrachte, hat sie sich jeder Vereinnahmung bürgerlicher Erwartungen widersetzt und der Spießigkeit beider Systeme den Spiegel vorgehalten. Sie verkörperte das Abstrus-Anarchistische eines Eulenspiegel und das Glamourös-Hysterische einer Mänade im Rausch eines ausgeflippten Kultus des Aufruhrs, der sich im Fernsehen zur besten Sendezeit verausgabte und Empörung auslöste.

Nina Hagen ist ein Ausnahmetalent mit klassischer Gesangsausbildung, eine obszöne Unterhaltungskanone, eine unangepasste Träumerin, Tierschutz-Aktivistin, Anhängerin von links-grüner Weltrettung, Esoterik, Mystik und Ufoglauben, ein Weltstar gegen jede Regel der Popkultur, eine Punk-Ikone und dessen Überwinderin im Eklektizismus der Stile und Ausdrucksformen. Sie hat das Raubeinig-Lyrische ihres Ziehvaters Wolf Biermann, das Schauspieltalent ihrer Mutter Eva-Maria Hagen, der „Brigitte Bardot der DDR", und den gebildeten Widerspruchsgeist von beiden geerbt. Sie ist Paradiesvogel, Feministin und Zumutung – einfach gesagt Rock ’n’ Roll und ein Fest für den verschwenderischen, unbeugsamen Individualismus.

Nina Hagen musste die DDR, wie ihre Mutter und Wolf Biermann, 1976 verlassen, wo ihr das Bild vom netten Schlagersternchen („Du hast den Farbfilm vergessen") anhaftete, wie später die Rolle der überdrehten Punkrock-Röhre in West-Berlin („Unbeschreiblich weiblich"). Bis Mitte der Achtziger lebte sie überwiegend in den USA, wurde zur „Godmother of Punk“ hochstilisiert und machte es sich unter anderem bei Latenight-Ikone David Letterman bequem. 

Im glattgebügelten, westdeutschen Medienbetrieb war sie jedoch als Störfaktor und Nervensäge verschrien. Sie sprengte Talkshows und ihre Wutausbrüche waren berühmt berüchtigt: „Ich schreie Sie so lange an, wie ich will.“  Als Paradiesvogel und Angstlose kann und konnte sie selbstironisch und komödiantisch oder ungeduldig und hässlich sein. Ihr gesangliches Können kontrastiert mit einem Hang zur Grimasse, die als Brechung zur Attitüde der Diva belustigte Ratlosigkeit hinterlässt.

Auch wenn Nina Hagen in Leben und Schaffen vielleicht öfter daneben gelegen hat, ist sie als unbeugsamer Freigeist nur zu bewundern. Sie steht für Tugenden, die den Deutschen abtrainiert wurden und in Zeiten kollektiv betriebener Verunsicherung unbedingt vonnöten sind: Unangepasstheit, Skepsis und Widerspruchsmut. Wir finden ihre Version des Klassikers von Zarah Leander einfach hinreißend und als Motto für das neue Jahr unverzichtbar.

Foto: Screenshot/Bearbeitung /Zarah

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A.Schröder / 31.12.2022

Ich denke immer an “Du hat den Farbfilm vergessen, ...”

S. Marek / 31.12.2022

Ich weiß, uns kann nur noch ein Wunder retten, und damit habe ich mein Problem !

Bernhard Fleischmann / 31.12.2022

Na ja, so toll war sie auch wieder nicht-oops sagte ich „war ?“

B.Kröger / 31.12.2022

Muss das sein…..

Olaf Dietrich / 31.12.2022

Gute alte Nina. Sie weist uns den Weg. Mal wieder…

L. Bauer / 31.12.2022

Völlig überbewertet die Göre! Besser sie schweigt.

Reinmar von Bielau / 31.12.2022

Das mit dem Entspannen bekomme ich immer weniger hin. Aber wenn man den ÖRR komplett aus seinem Leben verbannt, dann hilft es enorm!

Stefan Riedel / 31.12.2022

Nina Hagen? Zustimmung! Das Original, hier in meiner Hand, 3 ’ 29 . Nina hat den Farbfilm nicht vergessen (den Kalauer konnte ich mir nicht verkneifen). Guten Rutsch, ja wohin?

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