Bernd Zeller / 18.09.2014 / 21:41 / 11 / Seite ausdrucken

Der Unterschied zwischen Ehrlichkeit und Ehrbarkeit

Jakob „Augstein“ fand die Aufregung über die Scharia-Polizei übertrieben, Journalistin Sounia Siahi widerspricht:

Gehörig fängt Sie an: “Hallo Herr Augstein, ich bewundere Sie als Journalisten sehr“, um dann dazu überzuleiten, dass er sich geirrt habe. Sie als Frau, Muslimin, sehe und spüre die Bedrohung. Er vermöge nicht zu sehen, was „nur wir muslimischen Frauen wahrnehmen: Es sind die Blicke, Gesichtszüge, Bewegungsabläufe und Zuflüsterungen, die Ihnen komplett entgehen. Das führt dazu, das ich mich unwohl fühle und mich oft nur verkrampft durch die Stadt bewege ... Jetzt aber greifen diese Anmaßungen, Bedrängungen und Nötigungen aus Ländern, die ich meinte, hinter mir gelassen zu haben, in mein wunderbares Deutschland.“
Pirincci in lieb sozusagen.

Jakob Augstein antwortete auf die „Anmerkungen der jungen Journalistin“, im selben Beitrag zu lesen.  Und nun überlegen wir mal, was er sagen könnte. Wenn er ehrlich ist, was würde er ihr schreiben? Dass sein Artikel für sie gar nicht gedacht ist. Dass es gar nicht um sie geht. Dass sie mit ihren persönlichen Erfahrungen zwar um einige Erfahrungen reicher ist als er, dass er aber den Durchblick hat und mehr im Blick als sie. Dass Ideologie den Vorrang vor Realität hat. Dass er für Weiße schreibt, für Mittelschichtler, die so was wollen. Dass er Feindpropaganda betreibt. Und sich von ihr sein Geschäftsmodell nicht vermasseln lassen will.

Und jetzt—na so was, der Mann ist ehrlich! Er schreibt genau das.

Nun wäre die Frage an Sounia Siahi: Halten Sie ihn immer noch für einen großen Journalisten?

Siehe auch: http://tagesschauder.blogger.de/

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Barbara Darius / 19.09.2014

Herr Augstein glaubt - wie alle Altlinken in Deutschland - immer noch gegen die Windmühlen einer als allgegenwärtig und tief verwurzelt halluzinierten “Fremdenfeindlichkeit” in diesem Land berserkerhaft ankämpfen zu müssen. Die mittlerweile über 16 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Schland müssen also alle entweder Vollpfosten oder zertifizierte Masochisten sein. Fehlt nur noch, dass die Altlinken all den Muslimen, die die Freiheit durchaus schätzen, “Islamfeindlichkeit” vorwerfen.

Stephan Bergmann / 19.09.2014

Jakob Augstein verteidigt die offene Gesellschaft gegen ihre Feinde. Natürlich, nicht gegen alle Feinde. Salafisten sind Feinde der offenen Gesellschaft, das gibt er gerne zu, aber das sind die “anderen Feinde”, Feinde, denen er explizit den Rücken zukehrt: “Sie sehen mich gegen die Gegner vorgehen, die ich kenne und beklage, und dass ich denen, die Sie kennen, dabei den Rücken zukehre”. Augsteins Feinde sind “Vorurteile”. Vor diesen möchte er seine “autochthone, hauptsächlich weiße, bürgerliche Leserschaft” beschützen. Nun stellt sich Augstein allerdings ein Dilemma: Der Islamismus ist ein Feind der offenen Gesellschaft, doch wenn Augstein das zugibt, befördert er “Vorurteile”. Augstein löst das Dilemma mit geübter Leichtigkeit: die “Voruteile” sind natürlich größere Feinde als der Islamismus.  Was tut Augstein also? Er lügt. Er lügt, um den Leser vor sich selbst zu beschützen. Um ihn zu erziehen. Darf man lügen, um die offene Gesellschaft gegen ihre Feinde zu verteidigen? Wenn man nur irgendwo nachschlagen könnte, um… - achja, hier: Platon, der erste Feind der offenen Gesellschaft erklärt “völlig ungeschminkt, eines der königlichen Privilegien des Herrschers bestehe darin, daß er Lüge und Täuschung in vollem Ausmaße verwenden könne. ‘Also kommt es in der Tat, wenn überhaupt jemandem, den Herrschern des States zu, Lügen zu verbreiten und die Feinde sowie die eigenen Bürger zum besten des Staates zu täuschen; und kein anderer darf dieses Vorrecht anrühren.’ ‘Zum besten des Staates’, sagt Platon. Wieder finden wir, daß die Berufung auf das Prinzip des Kollektivnutzens als die letzte ethische Überlegung hingestellt wird. Die totalitäre Moral setzt sich über alles hinweg, sogar über die Definition, die Idee des Philosophen. [...]  Platon illustriert diese Anwendung seines Prinzips des Kollektivnutzens auf das Problem der Wahrhaftigkeit durch das Beispiel des Arztes. Das Beispiel ist gut gewählt, denn Platon liebt es, seine politische Mission als die des Heilers oder Retters des kranken Sozialkörper hinzustellen. [...] Wir sehen hier, wie die utilitaristischen und totalitären Prinzipien Platons alle anderen ausstechen, sogar die Privilegien der Herrscher, zu wissen und zu fordern, daß ihnen die Wahrheit erzählt werde. Der Beweggrund für Platons Wunsch, daß die Herrscher selbst an die Propagandalüge glauben sollten, ist seine Hoffnung, daß dadurch ihre heilsame Wirkung - die Festigung der Herrschaft der Herrenrasse und schließlich das Aufhalten aller politischen Veränderung - verstärkt werden könnte.” - Karl Popper: “Die offene Gesellschaft und ihre Feinde”, Band 1, S. 165 ff. München: Siebeck. Schade, dass Popper tot ist. Er würde Augstein zum Teufel wünschen.

Peter Schmidt / 18.09.2014

Er wurde mal des Antisemitismus bezichtigt. Das hielt ich für übertrieben. Er wurde damals wie heute einfach überschätzt. Dampfplauderer mit intellektuellem Gehabe.

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