Wahied Wahdat-Hagh / 28.06.2013 / 23:18 / 0 / Seite ausdrucken

Der Präsident, der Fakten schafft

Als „rational“ und „pragmatisch“ wird der neue iranische Präsident Hassan Rohani in westlichen Medien häufig bezeichnet. Damit wird oft die Hoffnung verbunden, nun seien Fortschritte bei den Verhandlungen über das iranische Atomprogramm möglich. Tatsächlich kann Rohani im Hinblick auf das Atomprogramm als Experte gelten, rational und pragmatisch ist er allerdings nur in der Wahl der Mittel, die Interessen der „Islamischen Republik“ durchzusetzen. Das belegt eine bemerkenswerte Rede, die Hojatulislam Hassan Rohani am 30. September 2005 vor dem Obersten Rat der Kulturrevolution des Iran hielt. Er war damals Sekretär des Obersten Nationalen Sicherheitsrates des Iran.

Es handelt sich um eine ausführliche Darlegung seiner Strategie aus der Schlüsse für seine Politik und seine Taktik im Umgang mit Europa gezogen werden können. Die Rede ist in gedruckter Form auf Persisch 31 Seiten lang. Explizit macht er in dieser Rede deutlich, dass er gegen Europa und den Westen insgesamt eingestellt ist. Er verteidigt das Vorhaben, den geschlossenen Atomkreislauf für den Iran zu realisieren.

Der geschlossene Atomkreislauf, zu dem Urananreicherung und Wiederaufarbeitung von Brennstäben gehören, ermöglicht die Produktion nuklearer Waffen, hebt Rohani in seiner Rede hervor. Rohani betont, einen geschlossenen Atomkreislauf herzustellen, gebe die „Fähigkeit zum Bau einer Atombombe“. Wenn ein Staat in der Lage sei, Uran bis 3,5 Prozent (den für Brennstäbe erforderlichen Grad) anzureichern, habe er auch das Potential, Uran auf über 90 Prozent (der für eine Atombombe erforderliche Grad) anzureichern. Deswegen würden manche internationale Kreise sehr sensibel auf dieses Thema reagieren. Der Druck auf einen Staat, der dabei sei, diese Fähigkeit zu erlangen, würde daher wachsen, so Rohani.

Die „Islamische Republik Iran“ beschäftige sich seit 1981/82 damit, den geschlossenen Atomkreislauf zu erreichen. Denn Iran wollte schon damals Atomkraftwerke besitzen und sei seitdem auch bestrebt gewesen, den Brennstoff der Reaktoren in einheimischen Anlagen zu produzieren. Zunächst habe man versucht, die nötige Technologie aus der Sowjetunion und aus China zu kaufen, aber kein Staat sei bereit gewesen, dem Iran die nötige Technologie zu liefern. Rohani gibt in diesem Vortrag zu, dass der Iran sogar versucht habe, diese Technologie auf dem „Schwarzmarkt“ zu kaufen.

Rohani sagte damals, dass er sehr bemüht gewesen sei zu verhindern, dass die iranische Atomakte im November 2003 an den UN-Sicherheitsrat geschickt werde. Nur zu diesem Zweck habe er die Zusammenarbeit mit der IAEA befürwortet. Seine Strategie erwies sich als erfolgreich, er konnte verhindern, dass die iranische Atomakte an den UN-Sicherheitsrat geschickt wurde.

Rohani diskutierte in seinem Vortrag sogar die Frage, „ob wir der IAEA ein vollständiges Bild unseres Atomprogramms der letzten Jahre geben sollten oder nicht“ – dazu hat sich der Iran eigentlich vertraglich verpflichtet. Doch für Rohani war die Frage, ob die Transparenz des Atomprogramms überhaupt ein Problem gelöst hätte. Wenn der Iran das Atomprogramm offen gelegt hätte, wäre die Akte an den UN-Sicherheitsrat geschickt worden, und wenn nicht, wäre der Iran trotzdem bestraft worden, weil nicht alles offen gelegt worden sei.

Solche Passagen aus dem Vortrag, den er 2005 hielt, klingen wie ein Geständnis, dass sie etwas geheim zu halten haben.
Rohani sagte, dass er damals von der iranischen Seite gewählt worden sei, um drei europäische Außenminister in den Iran einzuladen. Diese Minister hätten bei ihrem Treffen mit ihm versprochen, dass sie gegenüber den USA Widerstand leisten würden, die Akte an den UN-Sicherheitsrat zu schicken, wenn der Iran sein Atomprogram offenlege. Die russische Delegation im Gouverneursrat der IAEA sei erstaunt gewesen, denn sogar Großbritannien habe gegen die USA gestimmt, so dass die Akte nicht an den UN-Sicherheitsrat geschickt worden sei.

Besonders aufschlussreich auch für die heutige Diskussion über das Verbot der terroristischen Organisation der Hisbollah ist die Aussage Rohanis, dass Europa anders als die USA damals keine zusätzlichen Themen wie die Unterstützung des Terrorismus thematisieren wollte. Er ging 2005 davon aus, dass die „Europäer uns keine weiteren Probleme machen wollen“. Tatsächlich zögert Europa auch heute noch, die Hisbollah auf die Terrorliste zu setzen.

Rohani ging damals so weit zu sagen, dass alle arabischen Staaten und ihre Ölressourcen in den Händen der Amerikaner seien. Nur Iran sei „frei“ und bereit mit Europa zu verhandeln. Interessant ist zudem, dass Rohani damals das libysche Verhalten kritisierte, weil das Land dabei sei, „Israel anzuerkennen und den Frieden mit Israel zu akzeptieren“, aber die brasilianische Atomdiplomatie lobte. Da Brasilien selbst einen geschlossenen Atomkreislauf habe und verhindern wolle, dass eines Tages jemand Maßnahmen dagegen ergreife, wende das Land gegen den geschlossenen Atomkreislauf des Iran nicht ein.

Rohani betont auch, dass der Iran nur den Abschnitt des Atomprogramms ausgesetzt habe, der für den Iran technisch schon beherrschbar und daher zeitweilig verzichtbar gewesen sei. D.h. man war in der Lage diesen Abschnitt immer wieder zum gegebenen Zeitpunkt wieder reaktivieren.

Aber die Anlage in Isfahan, wo „gelber Kuchen“ hergestellt wurde und UF4 zu UF6 weiterverarbeitet wurde, sei in der Zeit des Moratoriums vervollständigt worden. Während des Dialoges mit den drei europäischen Ministern sei noch in Isfahan sehr viel Arbeit zu tun gewesen, die dann aber in Ruhe erledigt worden sei. D.h. die Abschnitte des Atomprogramms, die nicht gleich abrufbar waren weiter in Betrieb gehalten, um die Technologie vollkommen zu beherrschen.

In der Tat waren diese Überlegungen „rational“ und „pragmatisch“. Rohani bekennt aber – und die Fakten bestätigen seine Darstellung –, dass er die Europäer mit scheinbaren Zugeständnissen getäuscht hat, um heimlich das iranische Atomprogramm voranzutreiben und dem geschlossenen Atomkreislauf und damit dem Potential zum Bau der Atombombe näher zu bringen.

Rohani differenziert in der Tat: China und Russland seien zwar gegen einen geschlossenen Atomkreislauf des Iran, sie seien aber auch Rivalen der USA und Europas. Tatsächlich verfolgt Rohani in seiner diplomatischen Strategie eine Spaltpolitik. Er behauptet, dass China, Russland und Europa antiislamsich seien. Man müsse, sagt er aber im Jahr 2005, sehen, dass diese Großmächte unterschiedliche Interessen haben. Iran müsse die Konkurrenz zwischen den Rivalen zu seinen Gunsten ausnutzen – auch eine „rationale“ und „pragmatische“ Strategie.

Rohani sagte im Jahr 2005: „Es ist deutlich, dass Europa nicht unser Freund ist und keine gute Beziehung zum Islam hat, aber wegen der strategischen Position des Iran will Europa den Iran nicht verlieren.”

Was Rohanis Rede schließlich besonders brisant macht, ist seine Entschlossenheit, Fakten zu schaffen, die nicht revidierbar sind: Der Iran müsse „vollendete Tatsachen schaffen“. Rohani brachte schon damals den Vergleich, dass wenn der Iran eines Tages den vollständigen atomaren Kreislauf realisiert habe, er in derselben Lage sein werde wie Brasilien und Pakistan. Brasilien habe den geschlossenen Kreislauf erreicht und Pakistan habe sogar die Atombombe hergestellt, doch die Welt musste dies akzeptieren.

Interessant ist abschließend auch, wie „rational“ Rohani darüber sprach, dass Moratorien vorzeitig abgebrochen werden könnten: „Wir müssen uns nicht beeilen. Wir müssen Geduld haben und für den Abbruch des Moratoriums den besten Zeitpunkt finden. Wenn wir trotz der Ablehnung des Westens mit der Urananreicherung beginnen wollen, müssen wir den besten Zeitpunkt und die besten Bedingungen dafür finden. Und wenn wir warten wollen, müssen wir alle unsere Fähigkeiten nutzen, müssen uns nicht beeilen. Wir müssen sehr berechnend vorgehen.“

Da Rohani sich im Wahlkampf vehement gegen den Vorwurf wehrte, er sei bei den Atomverhandlungen zu weich gegenüber dem Westen gewesen, muss man davon ausgehen, dass er die Strategie des Tarnens und Täuschens auch zukünftigen Verhandlungen anwenden und keine wirklichen Zugeständnisse machen wird.

Wahied Wahdat-Hagh, Fellow bei der European Foundation for Democracy

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