“Eine 12-Prozent-Partei bestimmt die Agenda”, ja das Gefühl oder vielmehr die Gewissheit habe ich ebenfalls seit langem. Kaum eine Tagesschau oder “heute”, bei denen nicht erwähnt wird, was die Grünen zu irgendwelcher Frage zu sagen haben. Sie müssen, Herr Esser, sich allerdings korrigieren, es müsste heißen - die Wahlbeteiligung berücksichtigend - “eine (höchstens) 9% der Wahlberechtigten vertretende Partei bestimmt die Agenda”. Allerdings besitzt diese Partei eine nicht nur gefühlte (wie diverse Untersuchungen zeigen) ZWEI DRITTEL MEHRHEIT unter den Medienschaffenden und damit gelangen wir schon an die Erklärung dieses ‘rätselhaften’, und etwas - gelinde gesagt - undemokratischen Phänomens.
Schade, daß die Grünen in Sachsen Anhalt 5,2 % geholt haben, nur 0,3% weniger und es hätte wirklich interessante Koalitionverhandlungen gegeben. Die AfD und die SED hätten dann nämlich die Stimmenmerheit gehabt. Da die beiden aber nicht miteinander können, hätte man eines diese Schmuddelkinder an der Regierung beteiligen müssen. Am ehesten wäre noch rot-rot-schwarz denkbar gewesen, aber damit würde sich die CDU unglaubhaft machen. Vielleicht hätte auch die Basis gesagt, lieber mit der AfD als mit der SED. Man weiß es nicht. Auf jeden Fall erwarten uns in den nächsten Jahren interessante Koalitionsverhandlungen und Regierungsbildungen. Die alteingesessenen (im wahrsten Sinne des Wortes) Koalitionen haben ausgedient.
“Ist Deutschland tatsächlich so fortschrittsfeindlich, dass Bürger jahrelang gegen eine Schnellfahrstrecke protestieren?” Sehr geehrter Herr Kaufmann, “Stuttgart 21” ist keine “Schnellfahrstrecke”. In Baden-Württemberg wird derzeit eine Schnellfahrstrecke von Wendlingen nach Ulm gebaut und der Stuttgarter Bahnknoten soll unter die Erde gelegt werden. Beides zusammen wird von der DB als “Bahnprojekt Stuttgart-Ulm” bezeichnet, aber nur das Stuttgarter Tunnelprojekt ist “Stuttgart 21”. Im schwierigen Stuttgarter Untergrund sollen insgesamt etwa 60 km Bahntunnel gebohrt werden, die für den Bahnverkehr keine Verbesserung bringen, aber zehn Milliarden kosten werden. Das ist kein “Phantomschmerz” von “Wutbürgern”, sondern real existierender Irrsinn. Informationen dazu: http://www.kopfbahnhof-21.de/ http://www.parkschuetzer.de/blog http://www.stuttgarter-zeitung.de/stuttgart21
„Gefühl mangelnder Bürgerbeteiligung (Stuttgart 21)“ — Ich denke, das ist etwas kurz gegriffen, denn die Bahnhofs-Planungen waren seit den 1990er Jahren öffentlich. Ich halte den S21-Protest für einen Stellvertreterkonflikt, gegen „die da oben“. Die Bürger gingen auf die Straße, weil im Jahrzehnt 1990 bis 2000 weitreichende nationale Entscheidungen ohne Diskussion und Bürgerbeteiligung durchgedrückt worden waren. Die EU-Integration und die Euro-Einführung bedeuteten die Abgabe von Souveränitätsrechten und hätten nie ohne das Votum des Souveräns geschehen dürfen. Vermutlich haben diese Vorgänge den „Wutbürgern“ den Boden bereitet. Ist Deutschland tatsächlich so fortschrittsfeindlich, dass Bürger jahrelang gegen eine Schnellfahrstrecke protestieren? Oder liegt hier nicht viel eher eine Art Phantomschmerz vor?
Es könnte interessant werden in dem Moment, wenn die Grünen unter der 5 %-Hürde bleiben. Das hat sich in zwei von drei Bundesländern im März bereits angekündigt, da waren sie nur knapp über dieser Marke. Wie es in Mecklenburg-Vorpommern aussehen wird, weiß ich nicht. Berlin ist ein Sonderfall, da wird man sehen, wieviele wirklich noch Lust auf die Grünen haben.
Es gibt für 2017 nur ein erreichbares Ziel: Schwarz-Grün (also Merkel-Grün) verhindern (wenn CDU + Grün nicht reicht). Aber Merkel, wenn sie will, wird Kanzlerin - mit wem ist fast egal. Das habe ich schon nach der letzten Wahl 2013 vorhergesagt: Wenn die SPD mit Frau Merkel in eine Koalition eintritt, wird für die SPD die Wahl 2017 verloren sein und Frau Merkel wird mit den Grünen in eine Koalition eintreten. Merkel und die Grünen - alternativlos. Das nennt man dann Scheindemokratie.
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