Als der damalige Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping das Plädoyer für die Bindung der Bevölkerung an ihre Armee pries, dachte ich mir, dass es bloße Phrasendrescherei gewesen sei. Im Nachgang erscheint Scharping als weiser Mann, da er die Wehrpflicht als Kulturgut hervorhob. Seit nun rund 6 Jahren ist die Vorbereitung junger Männer auf den ersten Ernst des Lebens passé.
Ich selbst log, bis sich die Balken bogen, um 1997 nicht zum Bund zu gehen, sondern Zivildienst zu leisten. Es gab Vorlagen, mit denen man sicher nicht zum Bund musste. Mit 5 Kameraden auf einer Stube zu liegen, um dann morgens von einem Feldwebel geweckt zu werden, war mir zu blöd. Gegen Waffen hatte ich nie etwas, auch nicht gegen rüpelhafte Durchsetzung eigener Interessen. Schon damals war die Front nicht der Überschuss junger Männer in anderen Ländern, sondern der sich aufbauende Überhang von Alten im eigenen Land. Es gab mehr Verweigerer als Bundis.
Jetzt ist das Land in einer Weise befriedet, dass man sich gruseln kann. Es ist jedem Heranwachsenden bis 2010 klar gewesen, dass man sich und sein Land bisweilen verteidigen muss. Als der Ruf nach einer Berufsarmee laut wurde, war ich davon sehr begeistert. Die dickbäuchigen lieben Bärchen, die beim Bund noch mopsiger und dazu tätowiert wurden, jagten niemandem Angst ein. Profis im Fußball leisteten mehr als Amateure. Beim Militär ist es nicht anders, dachte ich. Stattdessen weigert man sich heute, die Armee für irgendetwas anderes zu nutzen als für Hochwasserhilfe.
Dennoch hatte die Amateurwehr ihr Gutes. Wir leben in einer Welt der Interessen. Krieg ist die Verfolgung eigener nationaler Interessen mit der Brechstange – sei es im Verteidigungs- oder im Angriffsfall. Das wurde mit dem Musterungsbescheid jedem klar. Es gibt Menschen, die zur Brechstange greifen, so dass man sich auch vor solchen schützen muss. Dass nicht jeder ein Freund ist, weiß jedes Kleinkind. In der Berufswelt tobt der Wettbewerb. Die Annahme, dass die Zeit der Kriege vorbei ist, ist eine charmante. Jedoch liegt die lange Zeit des Friedens in Europa auch an seiner Überalterung.
„Kann nicht wohnt ja meistens in der Will-Nicht-Straße“.
Mit Arthrose hält sich eine Waffe schlecht, daher ist es auf dem Kontinent so viel friedlicher als anderswo. 1962 war es ein Skandal, als der Spiegel der Bundeswehr das Attest „bedingt abwehrbereit“ ausstellte, Adenauer sprach von einem „Abgrund von Landesverrat“. Heute kokettieren Politiker damit, dass sie die deutschen Grenzen nicht schützen können. Der große deutsche Philosoph Bernd Stromberg sagt „Kann nicht wohnt ja meistens in der Will-Nicht-Straße“.
Das mit dem Nicht-Wollen hat spätestens unter dem damaligen Verteidigungsminister zu Guttenberg begonnen. Um Geld zu sparen, wurde die Wehrpflicht ausgesetzt. Die Nachfolgerin von der Leyen hatte nicht mehr die Ausstattung mit vernünftigen Waffen als erste Aufgabe der Armee im Auge oder Verteidigungsszenarien, sondern Kitaplätze in Kasernennähe. Es ist dies der absolute Sieg des Zivildienstes über die Armee. So mancher Ranghohe, der sich stets um Auslandseinsätze gedrückt hatte, kam damit durch, sich Atteste ausstellen zu lassen, wenn es ernst wurde, um weiterhin in der sicheren deutschen Kaserne Volleyball spielen zu können und nicht Gefahr zu laufen, die satte Pension nicht genießen zu können.
Eine Kulturnormalität wurde einfach mit Aufgabe der Wehrpflicht obsolet. Defend yourself at all time sagt der Ringrichter dem Boxer. Kein einziges Land kann bestehen ohne Grenzen. Früher oder später kommen Menschen, die man im Land objektiv nicht haben will.
Da bin ich bei der Flüchtlingskrise angekommen. Hier zeigt sich die fehlende Normalität einer Wehr von Bürgern in Uniform. Nicht das Schließen der Grenzen – im Zweifel auch mit robusten Methoden wie Mazedonien dies tut – sondern die möglichst schnelle Versorgung von Kommenden ist den heute 18jährigen oft wichtig. Einige sehen das als Gewinn. Schnell wird gesagt, dass hier Opfer nach Europa drängen, die vor den Zuständen flöhen, welche in ihrer alten Heimat normal seien. Dass die Kommenden selbst ein Spiegel der Zustände ihrer Länder, teilweise gar Ursache dieser sind, kommt vielen jungen Helfern gar nicht in den Sinn.
Wen holt man sich ins Land? Die zivilen Helfer jedenfalls sind im Nachgang stolz und rühmen sich, dass ohne freiwillige Hilfe nicht die 1,5 Millionen Refugees hätten versorgt werden können, dass dann ohne sie, vieles in diesem Bereich kollabiert wäre. Ja und? Dann hätte die Politik viel eher reagieren und die Grenze schließen müssen, schon im Herbst 2015. Die Sogwirkung entstand also nicht allein durch Merkels Selfies, sondern auch durch die selbst ernannten Zivis im vergangen Jahr.
Hinzu kommt, dass viele Kinder heute zu ausgesprochen Weicheiern und Opfertypen erzogen werden. Eine Nachbarin hat einen 4jährigen Sohn, dem sie selbst Wasserpistolen vorenthält. Da kann ich nur viel Spaß wünschen in der Schulzeit, wenn der Filius auf Jungs aus Krisenregionen trifft.