Gastautor / 12.08.2013 / 08:30 / 5 / Seite ausdrucken

Der korrekte Kasper und sein Krokodil

Werner Reichel

Beim Durchstöbern eines Billigbuchladens ist mir unlängst „6 Österreicher unter den ersten 5“ in die Hände gefallen. Das Buch von Kleinkünstler Dirk Stermann ist vergangenes Jahr erschienen und war ein echter Bestseller. Rund 120.000 Mal hat sich das Buch verkauft. Und auch die Kritiker in Österreich und Deutschland waren begeistert. Sie lobten das Werk als „liebevoll und kritisch“, „absurd-komisch“ oder als „bitterböse, urkomisch“. Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung meinte gar: „Dirk Stermann ist einer der Größten, den wir und die haben.”

Bei so viel Kritiker-Lob und bei dem tollen Schnäppchenpreis, habe ich mir das Taschenbuch schließlich gekauft. Und die vier Euro waren gut investiert, auch wenn das Werk literarisch wertlos und nur stellenweise amüsant ist. Man erfährt in diesem „deutsch-österreichischen Freundschaftsroman“ auch nichts Neues oder gar Tiefgründiges über die ambivalenten Beziehungen zwischen Deutschen und Österreichern. Der Wahl-Wiener aus Duisburg beschränkt sich darauf, die sattsam bekannten Klischees und Binsenweisheiten (morbide Wiener, das goldene Wienerherz, das gar nicht so golden ist, etc.) in mehr oder weniger unterhaltsame Anekdoten zu verpacken.

Ich habe das Buch trotzdem – zumindest bis zu Hälfte - gelesen. Man erfährt zwar nichts Neues über die Österreicher und ihre Mentalität, aber sehr viel über die Denkweise, das Weltbild und das geistige Innenleben des Autors. Und das ist deshalb interessant, weil Dirk Stermann in der österreichischen linken Bobo-Szene Kultstatus genießt. Die jungen hippen Gutmenschen lieben und bewundern Stermann und seinen Kabarettpartner Christoph Grissemann: ausverkaufte Kabarettbühnen, tolle TV-Quoten, überschwängliche Kritiken und nun auch ein Bestseller.

Ihr Humor, den sie seit vielen Jahren über den österreichische Staatsrundfunk verbreiten dürfen, gilt gemeinhin als tiefgründig, klug, schwarz, skurril und – und das ist paradox und irgendwie auch komisch –als politisch unkorrekt. Naja, selbst die bravsten Gutmenschen wollen ab und zu mal so richtig die (Biofreiland)Sau raus lassen und einen auf politisch-unkorrekt machen.

Es ist jedenfalls keine Frage, das rot oder grün wählende Jungvolk und alternative Berufsjugendliche verehren Stermann & Grissemann geradezu wegen ihres „schrägen“ Zielgruppen-Humors. Beides kann man auch im Buch von Dirk Stermann gut nachlesen. Es ist ein stellenweise kurzweiliges Handbuch des politisch-korrekten Denkens. Eines der Highlights ist eine Taxifahrt durch Wien. Der Taxler ist, man ahnt es irgendwie bereits als der Ich-Erzähler ins Taxi steigt, ein „typischer“ Wiener oder besser gesagt das, was ein gemeiner Linker für einen solchen hält.

Ein 150-Kilo-Koloss mit fleckigem Unterhemd. Dieser Ungustl (wienerisch für einen unguten, unappetitlichen Menschen) „(…) lachte und furzte dreimal lautstark“ ´Entschuldigen, aber i hab in der Früh zehn Eier im Glas gessen, des rächt sich jetzt.  Mir wird der Oasch zu eng.‘“ Und als das stinkende Fettmonster eine „kopftuchtragende Mutter mit ihren Kindern“ erblickt - und auch hier beschleicht einem bereits eine gewisse Vorahnung was nun gleich passieren wird - schreit er aus dem Taxifenster: „Daham statt Islam“  Dann furzt er nochmals kräftig: „A klassischer Eierschaß“ Und weiter im Text: „(…) Aner von der FPÖ hat gsagt, dass sich die Moslime, oder wie man sagt, in Österreich um 533 Prozent vermehrt haben in den letzten dreißig Joar. Is des normal? Tun die Rudelbumsen, oder wos?
(…) Während er lenkte, schälte er mit der anderen Hand ein hartgekochtes Ei, das er sich als Ganzes in den Mund steckte. Beim Kauen redete er mit weit geöffnetem Mund. Der Dotter und das Eiweiß vermischten sich mit seiner Spucke zu einem Brei.“

Und, gaaanz subtil und hintergründig, lässt Autor Dirk Stermann den fetten Herzinfarkt gefährdeten Taxler nun sagen: „(…) die Türken stopfen sich einen Döner nach dem anderen eini, und dann kriegens an Herzkasperl, fallen um und werden von meinem Geld ins Spital gebracht. Ist das fair, frag ich Sie?“
Helau! Und gleich nochmal: Helau! Eben, tiefgründiger linker Humor auf der Höhe seiner Zeit.  Das stinkende, Eier fressende, primitive, Ausländer hassende Fettmonster ist gerade noch menschlich. Man muss es ja nicht (zumindest noch nicht) auf die Spitze treiben. Nun könnte man diese Ergüsse einfach als derben Humor, besonders schlichte Kleinkunst oder literarische Übertreibung abtun. Doch Herr Stermann zeichnet hier ein Bild, wie es auch viele andere Autoren, Musiker, Künstler oder Journalisten verbreiten und das die meisten politisch-korrekten Zeitgenossen tatsächlich von „Rechten“, Konservativen und auch Neoliberalen haben.

Wer jemals mit einem Gutmenschen über Politik, Wirtschaft oder Gesellschaft diskutiert hat, weiß, dass sie Großteils tatsächlich so über ihren politischen Feind denken. Ihr Weltbild ist wirklich nicht komplexer. Menschen, die nicht zur politisch-korrekten Wir-Gruppe zählen, was mittlerweile mit rechts(extrem) gleichgesetzt wird, sind einfach von Natur (Geburt) aus primitive, dumme, stinkende Schweine und das Böse schlechthin.

Ganz im Gegensatz etwa zu linksextremistischen oder islamistischen Terroristen und Mördern oder Kinderschändern. Die haben immer ein ganz furchtbar komplexe und traurige Vorgeschichte, die böse Gesellschaft, das kapitalistische Schweinesystem oder die imperialistischen Amerikaner haben sie erst zudem gemacht, was sie sind: arme Opfer, die gar nicht anders konnten. Ihre Gewalt, ihr Hass, ihr Radikalismus und ihre totalitäres Weltbild sind deshalb für jeden guten Gutmenschen zumindest nachvollziehbar und verständlich, nicht selten hegen sie sogar Sympathien für diese Menschen.

Es hat natürlich viele Vorteile, wenn man seinen politischen Gegner als von Natur aus oberflächliche dumme und - auch so ein Klischee - ängstliche Kreatur ansieht. Zum einen erstrahlt dann die eigene Halbbildung und das Unwissen gleich in wesentlich hellerem Lichte und, was auch nicht zu verachten ist, man braucht sich nicht mehr auf mühselige Diskussionen über Einwanderungspolitik, Integration, importierte religiöse Konflikte etc. einlassen. Was auch gut ist, da man ohnehin kaum noch schlagkräftige Argumente zur Hand hat und zumeist nur noch mit hohlen Phrasen operiert. Und der größte Vorteil: man braucht bei der Verfolgung, sozialen Ächtung und Diskriminierung dieser politisch-korrekten Abweichler keinerlei Skrupel zu haben. Ist ja eh nur ein widerlicher, dummer…
Dass man vermeintliche und tatsächliche Rechte mittlerweile ganz einfach und ohne große Gegenstimmen als eine Art dummen Untermenschen hinstellen kann., liegt auch daran, dass die meisten Gutmenschen „Rechte“ ohnehin nur aus Rundfunk, Zeitungen, Literatur, Kleinkunst und den Erzählungen linker Politiker kennen. Er ist wie bei Stermann vor allem eine Kunstfigur, ein Popanz und Grünenschreck. Wie im Puppentheater. Wenn der Kasperl einen furchterregenden Feind braucht, holt man schnell das Krokodil hervor. Und die kleinen Zuschauer sind jedes Mal begeistert, wie der pfiffige und mutige Kasperl das Ungeheuer von der Bühne prügelt.

Ja, für ihre politische Dramaturgie ist das rechte Handpuppen-Krokodil unverzichtbar, ansonsten würde das ganz Kasperlstück nicht mehr so richtig funktionieren und die Kleinen sich enttäuscht abwenden. Aber noch wissen ja ohnehin alle Kinder, dass das Krokodil oder auch das fette Schwein von Natur aus böse ist und unter zahlreichen Ängsten und Phobien (Homo, Xeno oder Islamo-) leidet. Und sobald die lieben Kleinen etwas sehen, dass auch nur annähernd wie ein Krokodil aussieht, rufen alle ganz laut nach dem Kasperl.

Aber vielleicht wollte Dirk Stermann seinen Lesern mit dem blöden, fetten Taxifahrer ja nur einen Spiegel vorhalten, um zu zeigen,  dass der „Rechte“ für Linke vor allem eine Projektionsfläche für die eigenen Ängste, Vorurteile und Abgründe ist. Nein, Scherz beiseite. Menschen wie Herr Stermann meinen das wirklich so.

Werner Reichel ist Journalist und Autor aus Wien. 2012 ist sein Buch „Die roten Meinungsmacher – SPÖ-Rundfunkpolitik von 1945 bis heute” im Deutschen Wissenschaftsverlag erschienen. Derzeit arbeitet er an einem Buch über Geschichte, Politik, Ideologie und Ziele der österreichischen Grünen.

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Leserpost

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Franz Meersdonk / 13.08.2013

Der größte Feind des linken Gutmenschen ist die Realität, ergo wird vertuscht, gefälscht, erfunden, was das Agit-Prop Zeug hält.

Axel Wahlder / 12.08.2013

Die Entmenschlichung des poltischen Gegners als Propaganda-Grundsatz hat Carl Schmitt bereits 1932 festgestellt. Diese Feststellung ist von zeitloser Gültigkeit.

Peter Jansen / 12.08.2013

Mir fällt spontan ein: Der Taxifahrer der mit meiner Freundin “spielen"wollte. Nein kein D. oder Ö. dafür mit Taliban-Bart. Der Fahrgast, der in NL von einem Taxifahrer Tot geschlagen wurde. Der Fahrgast in Deutschland, der letztes Jahr von einem Taxifahrer während des Ramadans verprügelt wurde, weil er gegessen hat. Der Bericht aus UK über Vergewaltigungen durch Taxifahrer und die Mutter, die ihren Job verlor, weil sie einen Engländer als Fahrer für ihre Tochter wollte. Und da ich auch öfters mit Linken feiere kann ich sagen, dass dort so gut wie nie Ausländer sind, weder in ihren Clubs, ihren Bands, ihrem Freundeskreis. Die einzigen die sie kennen sind der Döner-Mann und der Chinese.

Aron Sperber / 12.08.2013

Die beiden Dummschwätzer der Nation haben durch ihren “politisch unkorrekten” Holocaustwitz aufgezeigt, wie pervertiert die „Politische Korrektheit“ mittlerweile ist. “Politische Korrektheit” gab es immer schon: Dass es nicht korrekt ist, gegen Minderheiten zu hetzen oder Vergewaltigungsopfer zu verhöhnen, ist ein politischer Grundkonsens jeder zivilisierten Gesellschaft. Zunehmend wurde jedoch „politisch korrekt“ mit „politisch links“ gleichgesetzt – das Gebot, nicht auf Minderheiten zu hetzen, wurde mit dem Gebot ergänzt, keine unvorteilhaften Tatsachen über Minderheiten zu verbreiten – und aus politischer Korrektheit die Wahrheit zu verschleiern. Ermordete Roma zu verhöhnen, hätte schon immer gegen die politische Korrektheit verstoßen – heute verstößt es gegen die politische Korrektheit, die ethnische Herkunft eines Kriminellen in einem Zeitungsartikel zu erwähnen bzw. ein Problem mit Minderheiten überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Wer jedoch „politisch korrekt“ im Sinne von „politisch links“ ist, dem steht es hingegen sogar frei, sich völlig außerhalb der klassischen „politischen Korrektheit“ zu stellen. Über den Unfalltod eines politischen Gegners wurde herzhaft gelacht – die Familienangehörigen mussten dafür auch noch Fernseh-Zwangsgebühren bezahlen. Wenn man sich durch den vielen Zuspruch “politisch korrekt” (links) genug fühlt, traut man sich sogar, über Holocaust-Opfer Witze zu machen.

Thomas Schweighäuser / 12.08.2013

Wenn man mich auffordern würde, nach Lektüre dieses Textes ein Bild “von „Rechten“, Konservativen und auch Neoliberalen” zu zeichnen, käme ich zu folgendem Ergebnis: Sie können einen satirischen Text nicht verstehen. Das Stilmittel der Hyperbel ist ihnen unbekannt. Und statt Argumenten verwenden sie in jedem zweiten Satz die Begriffe “politisch korrekt” oder “Gutmensch”, die man mit “findichblöd” oder “magichnicht” adäquat übersetzen kann. Im übrigen würde ich mich an Reichels Stelle über “Halbbildung” und “Unwissen” nicht allzu laut mokieren, da seinem Text, um es vorsichtig auszudrücken, die Bemühungen eines Lektors keineswegs geschadet hätten.

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